Ein Dachschaden mit Folgen
Sanierung verhindert reibungslosen Akademie-Alltag
April 1963
„Leider ist noch immer nicht abzusehen, wann der Dachumbau mit allem Drum und Dran abgeschlossen sein wird“, so beginnt der damalige Akademiedirektor Felix Messerschmid seinen Bericht über Dachsanierungsarbeiten, die im Sommer 1963 begannen – jedoch in ein mittleres Desaster münden sollten.
Als die Akademie für Politische Bildung am 1. Oktober 1958 offiziell ihre Arbeit in dem seit Juni 1938 im Eigentum der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA) stehenden Anwesen Haus Buchensee in Tutzing aufnahm, war dieses bereits mehreren Nutzungsänderungen unterworfen worden. Zuletzt hatte es die Sozialpolitische Schule der LVA beherbergt. Das Hauptgebäude der nach 1864 neu erbauten „Villa Buchensee“ soll auf einen Entwurf Leo von Klenzes (1784-1864) zurückgehen. Dessen baulicher Zustand sowie die veränderte Gebäudenutzung machten im Laufe der Zeit verschiedene Umbauten und Renovierungsmaßnahmen erforderlich. So wird am 19. August 1963 eine umfassende Sanierung des Dachstuhls in Angriff genommen, die mancherlei unangenehme Überraschungen mit sich bringt.
Akademie unter Wasser
Bei den Planungen war man von einem Zeitraum zwischen dem 18. August und dem 22. September ausgegangen, um die notwendigen Reparaturarbeiten zu erledigen. Der Bericht Messerschmids an die Mitglieder des Kuratoriums vom 23. September 1963 offenbart indes das wahre Ausmaß des Schreckens: "Die ersten vier Wochen waren dazu angetan, uns trübsinnig zu machen. Es regnete unaufhörlich, das Wasser lief bis ins Parterre hinunter; die wenigen Dachplanen, die wir auftrieben, reichten nicht; die Terminzusagen, auf denen unsere Planung beruhte, werden nicht eingehalten; die Zusammenarbeit mit den beteiligten Firmen läßt zu wünschen übrig; der Architekt der LVA sitzt in München und ist nur durch die dringendsten telefonischen Hilferufe dazu zu bewegen, kurz herauszukommen und nach dem Rechten zu sehen; unsere Männer helfen zwar nach Kräften mit, aber sie können weder die Zeit anhalten noch Anweisungen geben usw. So ist jetzt, da nach den Zusagen ein eingeschränkter Betrieb wieder hätte beginnen sollen, noch nicht einmal das halbe Dach gedeckt, auf einem Viertel des Daches liegt noch das alte Blechdach, ist also weder aufgemauert noch der neue Dachstuhl aufgesetzt. Zu alledem zeigte es sich, daß ein Teil der Zimmerzwischenwände im 2. Stock bei früheren Umbauten so miserabel ausgeführt worden waren, daß sie eingerissen und neu ausgeführt werden müssen; daß der Bodenbelag durch die Nässe trotz aller Vorkehrungen so gelitten hat, daß er erneuert werden muß. Die Verwaltungs- und Arbeitsräume sind zwar benutzbar (Parterre im Gästehaus, Akademietrakt und Pavillons), so daß die innere Arbeit nun, nach Ablauf der Urlaubszeiten, wieder einsetzen kann; aber an die Wiederaufnahme von Schlafgästen im Hause selbst ist nicht zu denken."
Aufgrund der Umbauprobleme mussten bereits die Seminare "Politische Bildung an der Oberstufe der Höheren Schule" vom 1. bis zum 7. September 1963 sowie "Politische Bildung durch das Buch (III)" für Bibliothekare vom 7. bis zum 10. Oktober 1963 im Hotel Seehof stattfinden.
Vom Regen in die Traufe
Doch damit nicht genug, wie dem illustren Folgebericht Messerschmids vom 1. November zu entnehmen ist: "Das Dach des Gästehauses ist nun gedeckt, wenn auch noch nicht fertig. Damit ist wenigstens jene ständige Ausgesetztheit beendet, die ein Haus ohne Dach geradezu zum Symbol des Weltzustandes macht. Um die kosmische Analogie ironisch zu vollenden, hörte der ständige Regen völlig auf, als die Ziegel aufgelegt waren. Wir wissen es also jetzt ganz sicher, daß eine Akademie für Politische Bildung es nicht nur mit den gesellschaftlichen und geschichtlichen Mächten zu tun hat, sondern auch mit solchen, mit denen nach Schiller kein ewger Bund zu flechten ist...
Was nun zu tun ist, um das Haus wieder bewohnbar zu machen und beziehen zu können, ist kaum weniger, als was für das Dach nötig war. Das gesamte obere Stockwerk muß neu hergerichtet werden, die Zimmerdecken müssen neu beplattet, die Zwischenwände mit Glaswolle neu gefüllt (sie waren mit Stroh ausgefüllt gewesen, das wegen der Nässe unbrauchbar geworden ist), die Fußböden wieder hergerichtet werden, und danach kommen die Gipser und Tüncher. Auch im 1. Stockwerk sind viele Schäden eingetreten, die behoben werden müssen.
Die Heizung nicht nur des Gästehauses, sondern sämtlicher zusammenhängender Akademiegebäude konnte erst vor 2 Wochen, nachdem das Dach gedeckt war, provisorisch wieder in Gang gesetzt werden; eine Zeitlang behalfen wir uns mit den wenigen auftreibbaren Elektrogeräten, bis schließlich nur noch die Verwaltungsräume im Gästehaus, das Sekretariat und das Direktorat besetzt waren (Temperatur zwischen 14 und 17 Grad). Zwei Assistenten wurden in das Dozentenzimmer im Wohnhaus einquartiert, die übrigen Mitarbeiter schlugen ihre Dienstzimmer zuhause auf; der Verkehr wickelte sich einige Tage zum großen Teil telefonisch ab. Die Erkältungen klingen jetzt allmählich ab...
Schließlich muß das Haus neu verputzt werden, schon weil das Geviert, auf dem das neue Dach aufliegt, mit Ziegelsteinen aufgemauert werden mußte. Aus dem vorher vielfältig gegliederten Dach ist ein das ganze Haus überdeckendes einheitliches Dach geworden, wodurch auch die Schrägwände mancher Zimmer im oberen Stock verschwunden sind."
Neben dem geschilderten Unbill hatte die Verzögerung zur Konsequenz, dass noch den ganzen Dezember 1963 hindurch die Gäste zwangsweise in Hotels und Pensionen in Tutzing und Bernried untergebracht werden mussten. Einzig positiv daran: der damit verbundene unerwartete Schub für die heimische Tourismusbranche.
Steffen H. Elsner