Zeitlebens ein Freund von Druckwerk und „schwarzer Kunst“
Der frühere Akademiemitarbeiter Gerhard Kullmer wird 90
August 1965
Foto: privat / APB Tutzing
Am 31. Juli 2017 beging der frühere Wissenschaftliche Mitarbeiter und Assistent Gerhard Kullmer seinen 90. Geburtstag. Kullmer gehörte der Akademie zwischen März 1959 und April 1965 für rund sechs Jahre an. Besondere Verdienste hat sich „der Mann der Akkuratesse" um den grundlegenden Aufbau der Akademiebibliothek erworben.
Geboren in Regensburg war Gerhard Kullmer nach Reifeprüfung und abgeschlossener Ausbildung zum Verlagskaufmann in Neustadt a.d. Weinstraße zunächst als kaufmännischer Angestellter und Werbeleiter tätig. Im Anschluss an das Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik an den Universitäten Mainz und Freiburg i.Br. trat er im März 1959 in den Dienst der Akademie ein. Hier war er zuvorderst mit dem Aufbau und der Leitung der wissenschaftlichen Akademiebibliothek betraut worden. Daneben oblagen ihm bibliotheksfachliche Auskunfts- und Beratungsdienste, Schrifttumsförderung und Schriftleitung bei Akademiepublikationen sowie die Mitwirkung an Fachtagungen zum Büchereiwesen und zur Zeitgeschichte. Trotz seiner als prekär einzustufenden Beschäftigungssituation (ausschließlich Kurzfristverträge von teils nur zweimonatiger Dauer), ist es Kullmer auch unter schwierigsten Bedingungen gelungen, eine solide Basis für den Auf- und Ausbau der gut sortierten und inzwischen auf stattliche 45.000 bibliothekarische Einheiten angewachsenen Akademiebibliothek zu legen.
Aller Anfang braucht Fleiß
Als die Akademie im Oktober 1958 ihre Arbeit in dem seit Juni 1938 im Eigentum der Landesversicherungsanstalt Oberbayern (LVA) stehenden Anwesen „Haus Buchensee" in Tutzing aufnahm, war – die Privatexemplare und Handapparate ihrer wenigen ersten wissenschaftlichen Mitarbeiter eingeschlossen – die notwendige Literaturausstattung allenfalls rudimentär vorhanden. Auch mangelte es an Regalen zur Aufstellung des schnell anwachsenden Buch- und Zeitschriftenbestands sowie an einer vernünftigen Arbeitsplatzausstattung für Kullmer, den neuen „Gründungsbibliothekar".
Kullmer hatte die gesamte Palette an bibliotheksfachlichen Aufgaben abzudecken: Er erledigte die systematische Auswertung von Neuerscheinungskatalogen, koordinierte die Akzession, besorgte die Erstellung der ersten Bibliothekskataloge, bestritt den bibliothekarischen Auskunftsdienst sowie die Kontaktpflege zu ähnlichen Einrichtungen, kümmerte sich um Systematisierung und Aufstellung der neu angeschafften Buchbestände wie auch laufenden Zeitschriften und begann zudem, eine Sammlung von Lehr- und Arbeitsmitteln zur politischen Bildung aufzubauen. Als er 1965 die Akademie verließ, umfasste deren Bibliothek bereits rund 10.000 Bände sowie ca. 100 Zeitschriften.
Der Aufbau der Akademiebibliothek war im Übrigen auch ein Glücksfall bzw. eine anhaltende Konjunkturförderung für den örtlichen Tutzinger Buchhandel. Insbesondere die alteingesessene Buchhandlung Held hat in diesen frühen Anfangsjahren vom anhaltenden Wissensdurst der Akademie und ihres wissenschaftlichen Personals nicht unerheblich profitiert. Die aktuelle Beschaffungspolitik ist indes um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der vorhandenen Bibliotheksmittel bemüht.
Erfolgreiche Tutzinger Bibliothekarstagungen
Es erscheint naheliegend, dass der akademisch gebildete Bibliothekar und Akademieassistent Kullmer auch maßgeblich an den Fachtagungen für die Vertreter seiner Zunft beteiligt war. „Politische Bildung durch das Buch – Aufgabe und Möglichkeiten", so nannte sich die erste aus einer ganzen Reihe von eminent erfolgreichen Tagungen für Bibliothekare und Fachleute aus dem Bibliotheks- und Bildungswesen, die in der Woche vom 18. bis 22. September 1961 in Tutzing abgehalten wurde. Auf Anregung des Bayerischen Kultusministeriums in Gestalt von Regierungsdirektor Karl Böck (1916–2009), dem langjährigen Kuratoriumsvorsitzenden der Akademie und einer der prägenden Persönlichkeiten des Bibliothekswesens in Bayern, hatte die Akademie bayerische Volksbibliothekare und Bildungsfachleute nach Tutzing eingeladen: Einesteils um die Akademie und ihre Rolle im Gesamtzusammenhang der politischen Bildung im öffentlichen Büchereiwesen des Freistaates bekannter zu machen; andernteils um aus den praktischen Erfahrungen der Bibliothekare Erkenntnisse für die Akademiearbeit zu gewinnen. Kullmer leistete hier aufseiten der Akademie nicht nur die maßgeblichen Vorbereitungsarbeiten, sondern übernahm später auch eigenständige Tagungsbeiträge.
Aufgrund der außerordentlichen Nachfrage wurde der Teilnehmerkreis dieser fortan im Jahresturnus durchgeführten Veranstaltungsreihe ab 1964 auf Bibliotheksdirektoren und leitende Bibliothekare an öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken aus dem gesamten Bundesgebiet ausgedehnt. Der inhaltliche Schwerpunkt verlagerte sich in der Folge mehr und mehr auf die Diskussion grundlegender gesellschafts-, kultur- und berufspolitischer Probleme. Diese sogenannten „Tutzinger Gespräche" haben sich bis zu ihrer Einstellung im Jahre 1971 in bibliothekarischen Fachkreisen größter Wertschätzung erfreut.
Bücherkunde zur politischen Bildung
Als sein Gesellenstück im Feld der verantwortlichen Schriftleitung von Akademiepublikationen könnte man die 1961 im Würzburger Werkbund-Verlag erschienene Bücherkunde „Politische Bildung durch das Buch" bezeichnen. Der Band enthält bibliografische Daten, kurze Inhaltsangaben und Würdigungen von annährend 380 Titeln, die vom Kollegium der Akademie ausgewählt und besprochen wurden. Hierzu hat allein Kullmer stolze 51 Rezensionen bzw. Annotationen beigesteuert. Mit der Bücherkunde sollte vor allem den Leitern der Volksbüchereien, aber auch allen Lehrern, Jugendleitern und Dozenten der Erwachsenenbildung Hilfestellung bei der kompetenten Auswahl und Anschaffung von politischem Schrifttum gegeben werden. Die publizierte Bibliografie fand ein ausgesprochen positives Echo.
Kullmer zeichnete sich in seiner Arbeit durch einige besondere Eigenschaften aus: Dazu zählten wissenschaftliches Interesse sowie ein außerordentliches Maß an Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Zudem verfügte er über vorzügliche Kenntnisse des Verlags- und Buchwesens.
Berufliche Stationen nach der Akademie
Vielleicht hätte man den beflissenen Akademieassistenten Kullmer ja halten können, wäre es gelungen, eine entsprechend auskömmliche Planstelle für ihn auszubringen. So hat er die Akademie Ende April 1965 auf eigenen Wunsch verlassen, um zunächst für vier Jahre (1965–1969) auf die Position des Referenten für Anzeigen und Vertrieb beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) e.V. nach Bonn-Bad Godesberg zu wechseln. Seine weiteren beruflichen Stationen führten ihn zurück nach München. Beim Süddeutschen Verlag hatte Kullmer zwischen 1969 und 1992 die Leitung Verkaufsförderung Anzeigen inne. Von 1971 bis 1992 war er dort Abteilungsleiter Anzeigen der Bayerischen Staatszeitung und des Bayerischen Staatsanzeigers. Und zwischen 1984 und 1995 fungierte er als Geschäftsführer des Münchner Arbeitskreis Nielsen-BallungsRaum-Zeitungen (NBRZ).
Seit 1966 bekleidete er nebenher das Amt des Geschäftsführers der Stiftervereinigung der Presse e.V. in Bonn/München, das er nach mehr als 34 Jahren Tätigkeit Ende April 2001 niederlegte. Auf der Mitgliederversammlung der Stiftervereinigung vom 18. Januar 2001 erntete Kullmer viele lobende Worte für sein langjähriges, großes Engagement zum Wohle der Presse, mit dem er auch das Profil der Organisation maßgeblich geprägt habe. Die Stiftervereinigung der Presse ist ein Zusammenschluss von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, Wissenschaftlern und Journalisten, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Forschungs- und Bildungsarbeit auf dem Gebiet der Presse materiell und ideell zu fördern.
Das Internet weist ihn noch immer als 1. Vorsitzenden des Evangelischen Bildungswerks Eichenau e.V. im Dekanatsbezirk Fürstenfeldbruck aus, ein Amt, das er bereits seit 1991 innehat. Sogar noch länger (seit 1983) übt der engagierte Gerhard Kullmer das evangelische Sprecheramt im Ökumenischen Arbeitskreis der evangelischen und katholischen Gemeinde Eichenau aus. Möge er dies und vieles anderes auch weiterhin tun können. Dafür alle guten Wünsche aus Tutzing: Ad multos annos!
Steffen H. Elsner