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Tutzinger Diskurs

Kontroverse aktuelle Themen erörtern, aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten und Handlungsempfehlungen für die Politik erarbeiten – das ist der Tutzinger Diskurs. Die Teilnehmer treten dabei als gemeinsame Forschungsgruppe auf, nicht einfach als Vertreter unterschiedlicher Standpunkte. Ziel und Anspruch ist es, über den Austausch von Meinungen hinaus das gemeinsame, multiperspektivische Forschen aus unterschiedlichen Perspektiven zu fördern und ungeklärte Fragen zu beantworten.

Integration - Miteinander vor Ort (2019-2021)

Vom Herbst 2019 bis Sommer 2021 lief der fünfte Tutzinger Diskurs "Integration - Miteinander vor Ort". Wie kann Integration in ländlichen Sozialräumen gestärkt werden? Wie lässt sich die gleichberechtigte Teilhabe junger Menschen nachhaltig fördern? Welche Bedürfnisse haben junge Neuankömmlinge und Einheimische in prekären Lebenslagen? Und wie können sie gemeinsam wahrgenommen werden? Der Diskurs "Miteinander vor Ort - Integration und Teilhabe junger Bürgerinnen und Bürger in ländlichen Räumen" hat einen Ort für den Austausch über diese Fragen geschaffen. Er brachte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, kommunaler Verwaltung (Gemeinden und Landratsämter), Sozialer Arbeit (v.a. Jugendarbeit und Bildungsstätten) und Zivilgesellschaft (u.a. Migrantenselbstorganisationen, Vereine) zusammen. In zwei ländlichen Kommunen wurden modellhafte Maßnahmen zur Initiierung von Bürgerbeteiligung insbesondere von Jugendlichen geplant. Denn die Kommune ist der wichtigste Ort für die soziale und politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger.

Geprägt wurde das Projekt insbesondere durch die Maßnahmen im Zuge der Covid-19-Pandemie. Jugendliche waren hiervon in besonderer Weise betroffen und in ihrer Entwicklung und Teilhabe erheblich eingeschränkt. Es entstand eine Publikation zur Situation der Teilhabe von Jugendlichen im Zuge der Covid-19-Pandemie sowie ein Thesenpapier zur Sicherung krisenfester Beteiligung von Jugendlichen. Der Diskurs wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.

Big Data im Gesundheitswesen (2017-2019)

Self-Tracking-Apps, Smart Homes, elektronische Gesundheitskarte: Big Data umfasst schon jetzt nahezu alle Lebensbereiche - auch das Gesundheitswesen. Eine Entwicklung, die Chancen wie Risiken birgt. Zentral ist dabei die Diskussion über Autonomie und individuelle Selbstbestimmung, über Privatheit und Anonymität, über informierte Zustimmung und Bewusstseinsbildung, über Gesundheit, Wohlbefinden und Krankheit. Der Tutzinger Diskurs "Big Data im Gesundheitswesen" erörterte die akute gesellschaftliche Entwicklung durch Big Data im Gesundheitswesen differenziert. Ziel war es, die Diskursfähigkeit und die Informationskompetenz junger Menschen zu stärken, damit sie diese Entwicklung informiert, rational und mündig mitgestalten können.

Zwar wird von verschiedenen Institutionen und Organisationen eine Kompetenzförderung eingefordert. Was "Kompetenz" im Kontext von Big Data im Gesundheitswesen bedeutet, ist jedoch nicht geklärt. Die Diskursgruppe verfasste deshalb eine Stellungnahme, die verschiedene Aspekte der Kompetenzentwicklung zeigt. Darüber hinaus ging es um die Frage, wie eine Kompetenzförderung umgesetzt werden kann. Das Ergebnis sind innovative, gemeinsam mit Lehrkräften und Fachdidaktikern entwickelte Lehrmaterialien für den Schulunterricht, die in den Jahrgangsstufen 10 bis 13 eingesetzt werden können, etwa im Ethik- und Sozialkundeunterricht. Wie im Tutzinger Diskurs selbst, wird Big Data im Gesundheitswesen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, sodass die Schülerinnen und Schüler ein Verständnis für die Dimensionen des Themas entwickeln, zu einem differenzierten Urteil kommen können und für den Umgang mit den eigenen Daten sensibilisiert werden.

Wege der Integration (2017-2018)

Mit wachsender Vielfalt wächst die Bedeutung von Integration und deren politischer Organisation. Zuwanderungsdruck, Veränderungen der Bevölkerungsstruktur (wie der große Anteil jüngerer Zuwanderer) und unterschiedliche Entwicklungen gesellschaftlicher Teilbereiche (von Bildung über Arbeit bis zur rechtlichen Integration) sind Herausforderungen für die Einheit der Gesellschaft und für die Wahrung der verfassungsmäßigen Werteordnung. Sozioökonomische und kulturelle Integration gehören ebenso wie Freiheit und Verantwortung zusammen. Ein Land der gelingenden Integration braucht Orientierungsmarken und Wegbegleitung.

Wie kann die Gesellschaft im Ganzen als integrative - oder besser als inklusive - begriffen werden, sodass sie jedem Mitglied die Chance auf Teilhabe ermöglicht? Dieser Grundgedanke der Inklusion prägte die Diskussionen des Tutzinger Diskurses "Wege der Integration". Vertreterinnen und Vertreter aus der Wissenschaft, die sich forschend mit Integration befassen, und aus der Praxis, die vor Ort Integrationsarbeit (zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe oder in der Kommunalverwaltung) leisten, haben gemeinsam eine Ideensammlung erarbeitet, die Wege gelingender Integration aufzeigt. Die freie Journalistin Valentine Auer begleitete das Diskursprojekt medial. Ein Auswahl der Beiträge, die online zu lesen sind, findet sich im Magazin "Migration und Integration - Materialien und Impulse zum 4. Tutzinger Diskurs".

Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik (2015-2016)

Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik (PND) machen immer größere Fortschritte. Insbesondere bei so genannten "Risikoschwangerschaften" kann eine genetische PND besorgten Eltern oft Gewissheit geben. Bislang kommt genetische PND nur bei einer geringen Zahl der Schwangerschaften zum Einsatz und wird von den gesetzlichen Krankenkassen nur dann bezahlt, wenn sie medizinisch indiziert ist. Gleichwohl gehört sie als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) zum Standardangebot der medizinischen Schwangerschaftsbegleitung und erfordert auch von denjenigen Eltern eine Auseinandersetzung mit dem Thema, die eine solche Untersuchung letztendlich nicht in Anspruch nehmen. Dasselbe gilt für Menschen, die in der Schwangerschaftsberatung und -begleitung arbeiten.

Der Tutzinger Diskurs "Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik" an der Schnittstelle von Medizin, lebenswissenschaftlicher Forschung, Sozialwissenschaften, Philosophie, Journalismus und Sozialer Arbeit trägt zur Wahrnehmung von Risiken und Chancen genetischer Pränataldiagnostik bei. Führt die Entwicklung beispielsweise zu einem Screeningprogramm für die Gesamtbevölkerung? Und wie beeinflusst der Einsatz der PND die Diskussion über Schwangerschaft, Leben und insbesondere Behinderung? Anregungen, Antworten und Handlungsempfehlungen gibt die Abschlusspublikation "Pränataldiagnostik im Diskurs". 23 Thesen, die auch auf Englisch vorliegt.

Gute Wissenschaft (2012-2013)

Die moderne Wissenschaft prägt unser Menschenbild und ist Grundlage für Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit. Inmitten aller Differenzierung der Disziplinen behält kaum jemand den Überblick, wo und unter welchen Bedingungen Wissen generiert und überprüft wird. Betrugsfälle nehmen zu. Quantitative Bewertungsverfahren steuern zunehmend die Logik der Forschung und führen zu augenfälligen Fehlentwicklungen: Leistung, die sich nicht direkt messen lässt, verliert an Wert und hat sinkende Chancen, beachtet und finanziert zu werden. Wissenschaftler und hochrangige wissenschaftliche Zeitschriften orientieren sich vermehrt an Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Aspekten. So fördern sie Hypes. Statt der Freiheit der Wissenschaft zählen in wichtigen Disziplinen nun Verschwiegenheit und ökonomische Verwertbarkeit der Erkenntnisse. Reputation überstrahlt Wahrhaftigkeit. Quantität schlägt Qualität.

Was macht also "gute" Wissenschaft aus und wie kann man diese unter den Bedingungen moderner Wissensproduktion stärken? Junge Männer und Frauen aus den Disziplinen der Lebens- und Sozialwissenschaften, der Philosophie und der Journalistik haben im Tutzinger Diskurs "Gute Wissenschaft" ein Memorandum mit Handlungsempfehlungen erarbeitet. Sie fordern von Forschungsförderung und Politik, den Wissensbetrieb zu entschleunigen, damit nicht möglichst viele Ergebnisse publiziert werden, sondern möglichst sichere. Darüber hinaus entstand im Rahmen des ersten Diskursprojekts der Band "Gute Wissenschaft", der in der Schriftenreihe Tutzinger Studien zur Politik erschienen ist.


Website des Tutzinger Diskurses