Ostasien!

Eine Rundreise durch Politik, Kultur und Wirtschaft

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 30.08.2017

Von: Sara Borasio

Foto: CC0 Pixabay

# Asien

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Der wirtschaftliche Aufstieg Asiens und insbesondere Chinas fasziniert, stellt aber Fragen nach der sicherheitspolitischen Gestaltungsfähigkeit, der gesellschaftlichen Stabilität und der umweltpolitischen Zukunft. Die Region beweist Innovationskraft, beispielsweise in der Elektromobilität. Gleichzeitig belasten Asiens Krisen und Konflikte die supraregionale Stabilität. Kommen Sie mit auf eine Reise durch den ostasiatischen Raum in den Bereichen Politik, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft!


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Nele Noesselt (Universität Duisburg-Essen) hob bei ihrem Überblick zu China hervor, wie sehr das Land von klassischen chinesischen Philosophien beeinflusst wird. So werde ein Herrscher durch Effizienz legitimiert, was heute das Parteisystem gerechtfertigt. Auch der scheinbare Konflikt zwischen offenem Kapitalismus und sozialistischem Staat wurde thematisiert: Gegen die westliche Vorstellung, dass wohlhabende Menschen eher Rechte einfordern, gehe China aktiv vor, indem ökonomische Eliten eingebunden und von der Partei vertreten werden. Insgesamt sei die Zufriedenheit mit dem System relativ hoch.

China zwischen Sozialismus und Kapitalismus

Noesselt ging zudem auf die internationale Einbettung Chinas ein. Hauptthema war dabei die Neuauflage der Seidenstraße, offiziell bekannt als „Belt and Road Initiative" - ein Versuch, stärker über Land zu exportieren und importieren und die Handelswege so zu diversifizieren. Es werden sechs Korridore in den zentralasiatischen Raum gebaut, finanziert und genutzt, was wiederum zu Konflikten mit Russland führe.

China denkt global, auch mit Blick auf die Europäische Union. Bis jetzt wurden zwei Strategiepapiere mit Vorschlägen zum Verhältnis mit der EU vorgelegt. Diese beinhalteten sehr deutliche Forderungen, wie etwa die Anerkennung des Ein-China-Prinzips von Seiten der EU, die Aufhebung des Waffenembargos und die Anerkennung Chinas als vollwertige Marktwirtschaft. China habe zudem begonnen, seine Investitionen in Europa gezielt auszubauen. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise wurde der Zugang zum Osteuropäischen Markt als Eingang zum Binnenmarkt genutzt. Die Hauptaktivitäten lägen jedoch in Frankreich und Deutschland, mit dem Zugang zur Industrie 4.0.

Chinesische Schullandschaft

Andreas Wolfrum von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen der deutschen Botschaft in Peking verschaffte einen Einblick in die Schullandschaft Chinas. Man könne eigentlich nicht generalisieren, da die Bildungschancen und die Qualität der Bildung sehr ungleich verteilt seien, abhängig von Provinz, Stadt oder Land, dem Geldbeutel der Familie usw. In chinesischen Schulen sei die höchste Priorität schnelles und fehlerfreies Auswendiglernen, was auch zu einem gewissen Mangel an praktischen Fähigkeiten führe. Die Schriftlichkeit sei generell bei weitem wichtiger als die Mündlichkeit. Es gebe keine Lehrmittelfreiheit, sonst aber eine staatliche, kostenlose Grundversorgung bis zur neunten Jahrgangsstufe. Viele der Schüler besuchten zusätzlich auch ein privates, kostenpflichtiges außerschulisches Unterrichtsprogramm.

Spannungen in der Region

Einige der vielen geopolitisch kritischen Punkte wurden thematisiert, darunter Tibet, Taiwan, das südchinesische Meer und Nordkorea. Petra Maurer von der bayerischen Akademie der Wissenschaften stellte die Position Tibets dar, welches starke Kritik an den Umerziehungsmaßnahmen der chinesischen Regierung übt, sowie die Dämonisierung des Dalai Lama, die wirtschaftliche Benachteiligung der Tibeter, kulturelle Assimilation und fortschreitende Umweltzerstörung beklagt. Allerdings hätten die Chinesen Tibet schon immer als integralen Bestandteil Chinas betrachtet. Die Freiheit Tibets sei laut Maurer unerreichbar.

Unsere Tagungsleiterin Saskia Hieber befasste sich mit den Konflikten rund um das Ostchinesische Meer. Nordkorea sei ein ständiger Unruheherd, zumal Kim Jong-Uns Raketen eventuell sogar die USA, definitiv aber China oder Südkorea erreichen können (die aktuellen Raketentests beweisen es). Das Südchinesische Meer wiederum beansprucht China für sich und kommt dadurch in Konflikt mit Vietnam, Malaysien, Taiwan und den Phillippinen - mit klarem Vorteil auf Seiten Chinas, das über deutlich mehr (militärische) Ressourcen verfügt.

Taiwans Verhältnis zu China bleibt angespannt. Jhy-wey Shieh, Leiter der Taiwan-Vertretung in Berlin, beschrieb den Wandel Taiwans von den Zeiten des Kriegsrechts unter der Herrschaft Chiang Kai-sheks bis hin zu der heutigen Demokratie mit vollständiger Meinungsfreiheit. China erkenne Taiwan allerdings nicht als unabhängig an, und Taiwan sei demnach international fast vollständig isoliert. International ohne Anschluss zu existieren führe für Taiwan zu erheblichen Schwierigkeiten. Auch die Bevölkerung trägt ihre eigenen, persönlichen Konflikte aus, fühlen sich doch viele Taiwaner als Chinesen betrachteten, allerdings nicht als Teil des kommunistischen Chinas.

Japan - Aufstieg des Nationalismus?

Zu Japan präsentierten Holger Lang (Ludwig-Maximilians-Universität München) und der japanische Generalkonsul Hidenao Yanagi recht unterschiedliche Gesichtspunkte. Lang schilderte, dass es unter Premierminister Shinzo Abe einen Aufstieg des Nationalismus gegeben habe. Abe verfolge die Ziele eines wirtschaftlich und militärisch starken Japans, einer Rückkehr zur traditionellen Werten, einer Stärkung des Patriotismus sowie der Reinwaschung des Bildes Japans. Dies habe zu einer Stärkung nationalistischer Bewegungen und geschichtsrevisionistischer Ideologien geführt, und die Beziehungen zu den Nachbarsstaaten verschlechtert. Die Pressefreiheit sei in Japan recht eingeschränkt, da die Presseclus mit staatlichen Informationen versorgt würden, und kritische Journalisten ausgeladen würden. Daher geben Medien Acht, neutral und demnach unpolitisch zu sein. Man könne im Land einen Anstieg der China- und Koreafeindlichkeit erkennen, und einen generellen Rechtsruck in den Medien.

Zentral sei die Frage der Trostfrauen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Zwangsprostituierte von Japan verschleppt, was noch heute zu schwierigen Beziehungen mit den Nachbarsländern führt. Japan habe sich inzwischen entschuldigt und Entschädigungsleistungen gezahlt, allerdings werde das Thema nicht mehr im Schulunterricht behandelt. Geschichtsrevisionistische Gruppen würden immer noch in Zweifel stellen, ob diese Frauen tatsächlich zwangsverschleppt wurden. Yanagi stellte dies anders dar; Japan habe sich mehrmals entschuldigt, und eine Versöhnung brauche auch den Willen der Opfer, eine Entschuldigung zu akzeptieren. Inzwischen hätten so gut wie alle ehemalige Trostfrauen Entschädigungsgeld erhalten; zusätzlich zu einer Stiftung, die 1990 für Taiwan und die Philippinen eingerichtet wurde, habe Japan im Dezember 2015 auch eine Stiftung für Südkorea gegründet. Allerdings käme aus politischen Gründen das Geld nicht allen Trostfrauen zu, da dies Südkoreas politische Position stärke. Einige der Verbände, welche die Trostfrauen stützen, stünden auch Nordkorea nah.


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