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Zwischen High-Tech und tiefer Tradition

Im Jahr der Olympischen Spiele kämpft Japan mit politischen Spannungen

Japan gehört zu den führenden High-Tech Nationen und beweist große technische Innovationskraft in Bezug auf Zukunftsthemen wie der Elektromobilität. Gleichzeit stellen sich konservative Kräfte in Politik und Gesellschaft Reformen und Moder­nisierungsbestrebungen entgegen. Ein Beitrag von Saskia Hieber aus dem Akademie-Report 3/2021.

Tutzing / Akademie-Report / Online seit: 28.07.2021

Von: Dr. Saskia Hieber / Foto: iStock/golaizola

Akademie-Report 3/2021

Weltbühne Olympia
Akademie-Report 3/2021

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Der regierenden Konservativen Partei stehen einzelne liberalere Politikerinnen gegenüber, so etwa die Gouverneurin von Tokio Yuriko Koike. Japans neuer Regierungschef Yoshihide Suga wird den konservativen Kurs seines langjährigen Vorgängers Shinzo Abe fortführen. Dennoch ist die Regierungsstabilität in Japan nicht selbstverständlich. Neuwahlen, Regierungswechsel und Parteineugründungen (mit dem alten Personal) prägen die moderne Politik.

Jubelnde Zuschauer, strahlende Sportlerinnen, perfekte Organisation: So stellt sich die Welt große Sportereignisse vor. Olympische Spiele haben ungeachtet der Diskussionen über Funktionäre, Bestechung und Doping hohen symbolischen Wert. Die Fotos gehen um die Welt und verfügen über einen hohen politischen Signalcharakter und sozialen Deutungsrahmen. Nach der Atomkatastrophe in Fukushima (offiziell ist die Katastrophe nicht das zerstörte Atomkraftwerk, sondern der Tsunami), den ewigen Debatten über Japans Wirtschaftslage, den hohen Schuldenstand und die Außenpolitik, erwartete man einen Imagegewinn. Das Land hoffte an die große internationale Aufmerksamkeit anknüpfen zu können, die die Feierlichkeiten zur Thronbesteigung Kaiser Naruhitos 2019 generierten.

Außenpolitische Spannungen

Die Beziehungen zur asiatischen Nachbarschaft sind getrübt bis angespannt. Territorialdispute mit Peking und Seoul um Inseln und nationalistische Strömungen in China und Japan belasten die jeweiligen bilateralen Beziehungen. Der Zwang, die Interessen konservativer und patriotischer Kreise in Japan zu berücksichtigen, erschwert Bemühungen hinsichtlich einer umfassenden Entschuldigung für Besatzung und Kriegsgräuel in Asien vor und während des Zweiten Weltkriegs. Japans Bemühungen um sicherheitspolitische Zusammenarbeit in der Region werden abgebürstet mit dem Verweis auf die Okkupationspolitik des Japanischen Kaiserreiches. Ungeachtet der südostasiatischen Befürchtungen in Bezug auf die neue Supermacht China, gelingt es Japans Diplomatie außerhalb der Wirtschaftswelt nicht, ein belastbares Netz von Bündnispartnern zu weben. So war beispielsweise aus den Philippinen zu hören: "Nie mehr ein japanisches Schiff" in unseren Gewässern. Es ging um Bemühungen, eine gemeinsame ostasiatische Piraterie-Abwehr zu etablieren. Auch gilt Japan als USA-nah. Tatsächlich sind Japan und Südkorea ein fester Bestandteil des amerikanischen Verteidigungssystems im Westpazifik.

USA als Bündnispartner nicht verlässlich

Die USA werden durch die Indo-Pacific Strategy und das Quad Arrangement (mit Australien, Japan, Indien) der Region Truppen, Schiffe und Mittel eher senden als abziehen. Absolut verlassen kann sich Japan auf die amerikanische Allianz und die Komplettaufgabe der "America First"-Politik aber nicht. Auch die Biden-Regierung wird sich innenpolitischen Zwängen beugen müssen und hat u.a. Pandemiebekämpfung und wirtschaftlichen Aufbau in den USA als Prioritäten gesetzt. In Japan ist eine pazifistische Grundhaltung und die Ablehnung gegenüber Offensiv- und Nuklearwaffen weit verbreitet. Die Debatten über den Status der eigenen "Selbstverteidungskräfte" und die amerikanischen Militärbasen im Land sorgen für Differenzen.

Neue Sportarten im Programm

Günstig: Die in Japan populären Sportarten Baseball und Karate sind neu im Olympiaprogramm. Japan ist eine erfolgreiche Baseball- und legendäre Kampfsportnation. Auch neu und trendy: Sportklettern (Boulder Weltcupgewinnerin Akiyo Noguchi hat eine Chance) und Surfen interessieren Sportbegeisterte. Grundsätzlich sind Japans Medaillenhoffnungen außerhalb von Turnen, Kampfsport, Schwimmen und Tennis (durch Superstar Naomi Osaka) nicht sehr groß.

Dafür verbreitet sich die Ablehnung gegen die Mega-Sportveranstaltung durch die Corona-Pandemie. Die 35 Millionen Bewohner der Region Tokio, einem der größten Ballungsräume der Erde, fürchten eine Ausweitung des Infektionsgeschehens. Große Hitze und Luftfeuchtigkeit lassen den Ort suboptimal erscheinen. Die Milliardenkosten sind ein Thema - unabhängig von Beteuerungen, die Sportstätten seien für eine langfristige Nutzung geplant.

Superstar nicht ausreichend japanisch

Wichtiger sind aber kulturelle und geografische Besonderheiten. Die japanische Gesellschaft und ihr Inselstaat zeichnet sich durch große Homogenität aus. Gleichheit, Disziplin und Anpassung gelten als japanische Grundwerte. Die Idee, hier mit dem Motto "Vielfalt und Diversität" für Olympia zu werben, ging an kulturhistorischen Empfindlichkeiten vorbei. Tennis-Superstar Naomi Osaka beispielsweise gilt als nicht ausreichend japanisch. Sie ist zwar in Japan geboren, doch in den USA aufgewachsen und ihr Vater kommt aus Haiti. Ihre japanischen Sprachkenntnisse werden als nicht ausreichend kritisiert.

Auch ökonomische Faktoren spielen eine Rolle. Ohne Zuschauer fallen Einnahmen durch Karten, Reisen und Konsum vor Ort weg. Kleinhändler, Reiseführer, Restaurant- und Hotelbesitzer fragen, was sie von dem Mega-Event mit leeren Rängen haben. Vielleicht werden es traurige Sportveranstaltungen, die nie stattgefunden hätten, säßen nicht die Winterspiele 2022 in der Volksrepublik China Japan sprichwörtlich im Nacken. Peking wird genau nach Tokio sehen, besorgt auch über die Entwicklung im benachbarten Nordkorea, wo die Versorgungslage katastrophal und die Pandemiesituation intransparent ist, und versuchen, noch bessere, sicherere, erfolgreichere Olympische Spiele durchzuführen.

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