Umbrüche in der Hörfunklandschaft
Macht. Radio. Sinn
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 19.06.2013
Von: Dorothea Wagner und Miriam Zerbel
# Medien
Peter Zudeick, Polizist, Radiomacher, Kabarettist und seine Forderung nach mehr Kochsendungen im Radio (Fotos und Collage: Zerbel)
„Der beste Mix“ ist ein bekannter Radioslogan – doch was sind eigentlich gute Inhalte? Und wie steht es mit der Zukunft des Radios? Bei den 10. Tutzinger Radiotagen diskutieren Radiomacher die Entwicklungschancen ihres Mediums.
Radio gehört zum Alltag der Menschen – das zeigen Jahr für Jahr die Reichweitenergebnisse der Media-Analyse. Aber auch der Hörfunk bekommt die Umbrüche in der Medienlandschaft zu spüren. Wie es in Zukunft weitergehen könnte mit Deutschlands privatem und öffentlich-rechtlichem Radio, machten sich die 10. Tutzinger Radiotage zum Thema. Das dreitägige Seminar mit dem Motto „Macht. Radio. Sinn.“ in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für Politische Bildung ist eine Ideenschmiede von und für Radiomacher.
Radio und Rundfunkbeitrag
Zunächst stand die Zukunft des Radios im Mittelpunkt und zwar im Spannungsfeld von Politik, Geld und Gesellschaft.Diskutiert wurde die gesellschaftliche Relevanz des Radios, aber auch, wie das Medium künftig finanziert werden könnte und was die pauschale Haushaltsabgabe des Rundfunkbeitrags für die Programmverantwortlichen bei öffentlich-rechtlichen Sendern bedeutet.
Die Workshops
Wie das Radio der Zukunft inhaltlich gestaltet werden könnte, war dann das Thema des Workshop-Tags. Drei Themenblöcke standen zur Wahl: Das bpb-Projekt „W on air“ suchte nach kreativen Konzepten, wie die Wahlen 2013 im Radio optimal aufgegriffen werden können. Die Teilnehmer des Workshops „Heimat im Radio“ überlegten, wie das Lokale im Radio thematisiert werden kann, ohne anbiedernd und altbacken zu wirken. Im dritten Workshop suchten die Redakteure nach individuellen Sendeformaten – und begeisterten mit ihren Ideen die anderen Teilnehmer.
Mehr Individualität – Radio zugeschnitten auf den Hörer
Das Mediennutzungsverhalten der Zuhörer ändert sich. Aber wie können die Radiomacher auf den Wunsch nach mehr Individualität reagieren? Beispiele dafür zeigten Jan Eggers, Social Media Manager vom Hessischen Rundfunk, und Dominik Born, Projektleiter bei tpc-technology, in ihrem Vortrag. Vor allem ein Trend muss bei neuen Radioformaten und Sendekonzepten aufgegriffen werden: mehr Möglichkeiten zur Individualisierung. Auf besondere Gegenliebe beim Publikum stieß das „Do it yourself“-Radio (diy.fm), das tpc für das öffentlich-rechtliche Schweizer Radio SRP erarbeitet hat. Damit lassen sich alle Lieblingssender bequem mischen: zum Beispiel ein kalifornischer Musiksender mit Nachrichten aus Deutschland zur vollen Stunde.
Wahlberichterstattung – jung, frisch, anders
Gegen Politikverdrossenheit und für mehr Wahlbeteiligung hilft gute Berichterstattung im Radio – davon ist die Bundeszentrale für Politische Bildung überzeugt. Deswegen bietet sie mit dem Journalistenbüro röhr:wenzel bei dem Projekt „W on air“ umfangreiche Pakete mit O-Tönen und anderen Sendebeiträgen an, die von den Radiosendern kostenlos genutzt werden können. Dafür werden zum Beispiel Prominente ans Mikro gebeten, die mit Witz und knackigen Sätzen die Bürger ins Wahllokal treiben sollen. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, die Hörer bei Laune zu halten: alternative Herangehensweisen an das Thema Wahl. Als Beispiel nannte der Journalist Thomas Röhr verschiedene Themen, die von seinem Büro bearbeitet werden: Wie wählen Binnenschiffer? Was sagt die Körpersprache der Politiker aus – sind sie glaubwürdig? Beeinflusst das Wetter das Wahlergebnis? Und wie geben Blinde ihre Stimme ab? „Die Bundestagswahl hat 100 Fakten und die Kunst besteht darin, diese Fakten in interessante Sendeminuten umzumünzen“, sagte Röhr.
Der "Mooder" - Radio nach Geschmack
Noch kreativer waren die Formatideen, die dann nachmittags von den Teilnehmern im Workshop erarbeitet wurden. Zum Beispiel Longhorn FM, ein Countryradiosender für Trucker, der via GPS-Ortung auch anzeigt, an welcher Raststätte die Truckerfreunde warten. Den meisten Applaus bekam aber der „Mooder“: Die Idee für eine Radioanwendung, die wie ein Graph gestaltet ist. Mit einem Button könnte der Nutzer auswählen, ob er eher „Info“ oder „Musik“ hören möchte und ob das Programm eher zu „Action“ oder zum „Chillen“ passen soll. Je nachdem, wo der Button landet, spielt der „Mooder“ ein passendes Radioprogramm ab. Es blieb nicht nur bei Vorschlägen und Gedankenspielen: Über Nacht setzten die Workshop-Tüftler in der Tutzinger Akademie die Idee gleich um. Und verzichteten dafür auf entspanntes Sitzen am Sonnwendfeuer. Aber Kreativität und Einsatz lohnten sich: Am nächsten Morgen konnte Entwickler Marcel Baur die „Mooder“-Anwendung in der Realität präsentieren. Es funktionierte.
Mehr Kochsendungen im Radio
Eigentlich hat Peter Zudeick mal Polizist gelernt. Jetzt ist er Journalist und beschäftigt sich mit Politik, aber nicht nur: Er macht auch Radio und Kabarett. Letzteres war zu erleben im Rahmen der 10. Tutzinger Radiotage.
„Radio ist Unterhaltung und sonst nichts“, sagte Zudeick. „Wir wollen die Zuhörer ja nicht überfordern.“ So kommt es, dass der journalistische Radiomann für mehr Kochsendungen im Radio plädiert. Und: Keine Nachrichten ohne Musikbett! Bloß nicht zu viel Inhalt!
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