Mein Smartphone, das unbekannte Wesen
Wo verläuft die Grenzen zwischen Freiheit und Sicherheit im Digitalen?
Würzburg / Tagungsbericht / Online seit: 17.09.2018
Von: Sebastian Haas
Foto: APB Tutzing
# Verfassungsfragen, Medien, Digitalisierung
Download: Tutzinger Journalistenakademie: Sichere Recherche im digitalen Zeitalter
An der Akademie Frankenwarte Würzburg haben wir diskutiert, wo die Grenze zwischen Freiheit und Sicherheit im Digitalen verläuft. Mit dabei waren der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch; Generalstaatsanwalt Thomas Janovsky, Leiter der Zentralstelle Cybercrime Bayern; Doris Aschenbrenner, netzpolitische Sprecherin der BayernSPD; Daniel Moßbrucker von Reporter ohne Grenzen.
Vorratsdatenspeicherung – politisch und juristisch durchsetzbar?
Über kaum ein kriminalpolitisches Instrument ist in den vergangenen Jahren so intensiv gestritten worden wie um die Vorratsdatenspeicherung (VDS), mittels derer Verbindungs- und Standortdaten abgefragt werden können. Thomas Janovsky vergleicht das mit der Kontrolle des Reisepasses oder von Fingerabdrücken in der analogen Welt. Auch wenn ihr Einsatz nur mit Zustimmung der Justiz erfolgen darf, erkennt Doris Aschenbrenner „eine andauernde und damit unverhältnismäßige Kontrolle". Bei aller Kritik verteidigt Uli Grötsch die Regelung, die während Großer Koalitionen im Jahr 2007 und 2015 zustande kam: Die Daten bleiben in den Händen der Ermittlungsbehörden.
Big Data
Daten erzählen Geschichten und wecken Begehrlichkeiten – von Werbetreibenden, Justiz und Staat. Uli Grötsch hat die Auswirkungen bereits selbst analysiert, als er die neue Überwachungstechnik am Berliner Bahnhof Südkreuz betrachten durfte: Da könne bereits eine längere Pause verdächtig werden. „Ich will nicht, dass eine Software bewertet, ob ich mich richtig verhalte oder nicht", meint Grötsch.
Verändert Überwachbarkeit also unser Verhalten im Netz? Natürlich, meint Doris Aschenbrenner, „weil mir immer jemand über die Schulter schaut". Daniel Moßbrucker ergänzt: Ohne effektiven Rechtsschutz befindet man sich schnell in einem bedrohlichen digitalen Überwachungs-, Bespitzelungs- und Bewertungssystem wie in China.
Staatstrojaner – ein Dilemma
Mit dem sogenannten Staatstrojaner können Daten auf Mobilgeräten durchsucht und Gespräche überwacht werden. Thomas Janovsky beschreibt es als „politische Entscheidung, ob ein Smartphone öffentlich durchsucht wird" – sprich: das Gerät wird aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses beschlagnahmt – oder mit dem Staatstrojaner. Daniel Moßbrucker fasst zusammen: „Der Staatstrojaner treibt das Dilemma von Freiheit und Sicherheit auf die Spitze: Staaten nutzen Schwachstellen der Kommunikationstechnologie, die international bestehen und die sie eigentlich aufdecken müssten. Doch nicht nur Demokratien nutzen diese Schwachstellen." Der Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit wird sich nie ganz auflösen lassen.
Sichere Recherche im digitalen Zeitalter
Die Diskussion war Teil eines Seminars, bei dem Daniel Moßbrucker als Recherchetrainer Wege aufgezeigt hat, um auch in der digitalen Welt sensible Informationen recherchieren zu können. Denn Ergebnisse zu schützen, Spuren gegebenenfalls zu verwischen oder bestenfalls gar nicht erst entstehen zu lassen – das wird für investigative Journalistinnen und Journalisten in Zeiten der Digitalisierung zunehmend schwieriger. „Es ist unmöglich, das Internet zu nutzen, ohne Daten zu produzieren", meint Moßbrucker. „Jedes technische Gerät, das einmal am Netz war, ist prinzipiell überwachbar."
Eine ausführlichere Zusammenfassung der Veranstaltung können Sie im Akademie-Report 4/2018 lesen, der im November 2018 erscheinen wird (hier geht's zu den bisherigen Ausgaben).
Weitere Informationen
Vorratsdatenspeicherung - alle Informationen von netzpolitik.org
Wir sind alle verdächtig - Dossier von ZEIT Online zur Vorratsdatenspeicherung
Online-Dossier zum Staatstrojaner bei netzpolitik.org
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