Sagen, was ist

Auf den Spuren Rudolf Augsteins und anderer Journalisten in der Medien-Metropole Hamburg

Hamburg / Tagungsbericht / Online seit: 08.11.2018

Von: Michael Schröder

Foto: Dr. Michael Schröder

# Medien

Download: Medienmetropole Hamburg

In Hamburg sind nach Berlin die meisten Medienschaffenden in Deutschland tätig. So bot unsere Studienfahrt (in Kooperation mit der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung Dillingen) in die norddeutsche Medienmetropole einen praxisnahen Einblick in die Arbeits- und Produktionsbedingungen der Medienbranche und die Möglichkeiten medialer Kommunikation im 21. Jahrhundert.


Ein Flaggschiff der Hamburger Medienszene ist seit seiner Gründung 1947 DER SPIEGEL. Seit 1994 gibt es auch die Online-Ausgabe, die hinter BILD.de Marktführer der Nachrichtenportale in Deutschland ist. Birger Menke ist Geschäftsführender Redakteur und seit 2009 in der Online-Redaktion. Er sagt: „Die Geschwindigkeit spielt beim Nachrichtengeschäft im Internet eine große Rolle, aber nicht die entscheidende." Wichtig sei nicht nur, dass man schnell ist, sondern auch, dass die Fakten stimmen.

Klickzahlen sind die Quote

Die Online-Ausgabe kennt keinen Redaktionsschluss. Deshalb ist die Redaktion auch an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt. Im Schnitt alle drei Stunden wechselt der Seitenaufmacher. Menke gibt zu, dass die Klickzahlen im Netz durchaus Einfluss haben auf Stil, Aufmachung und Inhalt der Geschichten. Die Redaktion unterliegt anders als die Printkollegen einer Quotenmessung durch das Publikum. Und deswegen gibt es auch erhebliche Unterschiede zwischen der gedruckten Ausgabe und der im Netz.

Bedürfnis nach Analyse

Knapp eine halbe Million verkaufte Auflage mit steigender Tendenz – darin unterscheidet sich das Wochenblatt DIE ZEIT deutlich von täglich gedruckten Qualitätsmedien. Rudolf Novotny ist stellvertretender Leiter des Bildungsressorts „Chancen" und führt diesen Erfolg auf das zunehmende Bedürfnis des Publikums nach Hintergrund, Analyse und Orientierung in einer komplizierter werdenden Welt zurück. Novotny schätzt an seinem Blatt besonders die große Bandbreite an Meinungen und die Diskussionsfreude, mit der sie ausgetragen werden.

Professionelle Ruhe

Die Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr ist mit rund zehn Millionen Zuschauern täglich immer noch die meistgesehene Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen. Dieter Westhoff ist Redakteur bei ARD-aktuell. Er sagt: „Wir zeigen die Welt, wie sie ist." Ein hehrer Anspruch, wenn man bedenkt, dass täglich Hunderte von Nachrichten in die Redaktion kommen. Zu den etablierten Quellen der globalen Nachrichtenagenturen und den eigenen Korrespondentenberichten sind in den letzten Jahren die sozialen Medien gekommen. Alles muss gesichtet, verifiziert, ausgewählt und bearbeitet werden – oft unter enormem Zeitdruck. Denn es passieren eben täglich mehr wichtige Dinge, als in die knapp 15 Minuten der Hauptausgabe passen. Da überrascht die professionelle Ruhe, mit der an den Bildschirmen im Newsroom gearbeitet wird.

Soziale Medien mit geringer Relevanz

Auch die Medienforschung hat seit 1950 in Hamburg eine gute Adresse: das Hans-Bredow-Institut an der Universität Hamburg. Sascha Hölig forscht dort über Nachrichtennutzung in digitalen Medienumgebungen und kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Berichterstattung über die Relevanz von sozialen Medien ist deutlich größer als ihre tatsächliche Bedeutung. Hölig sagt: „Der oft gehörte Allgemeinplatz: ‚Menschen von heute informieren sich nur noch über Facebook und Twitter' ist Unfug!"

Das Nachrichteninteresse und die Nutzungshäufigkeit sind auf vergleichsweise hohem Niveau stabil. Das Fernsehen ist immer noch die am weitesten verbreitete und wichtigste Quelle für Nachrichten. Und immerhin noch jeder zweite erwachsene Onliner in Deutschland vertraut dem Großteil der Nachrichten. Der direkte Zugriff auf die Webseite bzw. die App eines Nachrichtenangebots ist in allen Altersgruppen der am weitesten verbreitete und der am häufigsten genutzte Zugangsweg – und nicht der Weg über soziale Medien. Der Großteil der Onliner beteiligt sich nicht aktiv an der Nachrichtenberichterstattung im Internet. Das Problem: Besonders aktiv sind Nutzer, die sich selbst dem äußeren linken oder rechten Spektrum zuordnen und Onliner, die den Nachrichten nicht vertrauen. Und gerade die treten im Netz besonders laut auf und verzerren so das Bild von Mehrheit und Minderheit.


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