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Organisierte Kriminalität

INTERPOL-Chef Jürgen Stock zu Besuch in der Akademie


Jürgen Stock

Interpol-Chef Jürgen Stock nimmt alle Illusionen: "Agenten in James-Bond-Manier gibt es nicht."


Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 14.10.2015

Von: Andreas Kalina und Manuel Muth

# Sicherheitspolitik und Terrorismus

Download: Organisiertes Verbrechen


Anlässlich der Tagung „Organisiertes Verbrechen: Herausforderungen für Deutschland und Europa“ war am Freitag, den 18. September, der Generalsekretär der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL), Jürgen Stock, zu Gast in der Akademie. Stock ist in der knapp 100 jährigen Geschichte von INTERPOL der erste Deutsche an ihrer Spitze. In Tutzing sprach er über Phänomenologie und Bekämpfungskonzepte der Organisierten Kriminalität.

„INTERPOL-Agenten in James-Bond-Manier gibt es nicht“

Mit der weltweiten Aufspürung und Bekämpfung des Organisierten Verbrechens befasst sich auch die internationale Organisation INTERPOL. Generalsekretär Stock gab Einblicke in die internationale Strafverfolgung, erklärte Aufgaben und Tätigkeitsfelder seiner Organisation und skizzierte künftige Herausforderungen im globalen Kontext. Dabei räumte der INTERPOL-Chef mit Klischees über die Arbeit der Polizeiorganisation auf: „Den Geheimagenten, der nachts aus dem Dunkeln springt und verzwickte Fälle löst, gibt es nicht.“ INTERPOL nehme keine exekutiven Aufgaben war, erläuterte Stock. Die Arbeit der Organisation bestehe vielmehr darin, die Polizeibehörden der 190 Mitgliedstaaten zu harmonisieren und zu vernetzen. Dazu gehöre es auch, gemeinsame Operationen zu initiieren und zu koordinieren. Auch unterstütze INTERPOL die Mitgliedstaaten im Auf- und Ausbau von polizeilichen Fähigkeiten und Ressourcen.

Information als zentrale Ressource

Die wesentliche Funktion von INTERPOL bestehe darin, ein globales Informationssystem zum Austausch von Daten zu schaffen und zu unterhalten. Zu diesem Zweck hat INTERPOL das I-24/7 Kommunikationssystem entwickelt, das autorisierten Personen erlaubt, dringliche und sensible polizeiliche Informationen überall auf dem Globus, 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche abzurufen und zu teilen: In Sekundenschnelle lässt sich damit auf gesammelte Daten wie DNA-Profile, Fingerabdrücke oder auch auf Informationen über gestohlene Reisedokumente, Kunstgegenstände sowie Fahrzeuge zugreifen. Hinzu kommen regionale Befehls- und Informationszentren, wie z. B. in Singapur oder Argentinien, die Polizeibehörden die Möglichkeit geben, zu jeder Tageszeit kompetente INTERPOL-Mitarbeiter direkt zu erreichen.

Und auch weiterhin bleiben die Informationsverfahren mit den sogenannten Notices aufrechterhalten, d.h. internationale Fahndungsaufrufe und andere Informationen, die nach Farben klassifiziert werden. Die höchste Dringlichkeit haben die „Red Notices“, also Dossiers über mit Haftbefehl gesuchte Straftäter, die an die mitgliedstaatlichen Polizeiorganisationen als Ersuche um Festnahme weitergeleitet werden.

Das wichtigste Gerüst der Arbeit INTERPOLs ist und bleibt die Bearbeitung, Zusammenführung und Vernetzung von Daten. Im Vordergrund steht ein ganzheitlicher Ansatz: Der Austausch von Informationen mit staatlichen aber auch nichtstaatlichen Behörden und Nicht-Regierungs-Organisationen werde für die Erstellung von Lagebildern, auf deren Grundlage Operationen angeregt und ausgeführt werden, immer relevanter. Auch hier gilt: Information matters!

„Herausforderung wie Ebola für WHO“

Die Bandbreite des Verbrechens, mit dem sich INTERPOL beschäftigt, ist mannigfaltig. Im Vordergrund steht die Organisierte Kriminalität, wobei bei den rund 600 Ermittlungsfällen im Jahr über 80 Prozent transnationale Bezüge haben. Organisierte Kriminalität stelle nach Stock für INTERPOL eine vergleichbare Herausforderung dar wie Ebola für die WHO. Neben der Bekämpfung von Drogenkartellen und Waffenproliferation gehört „Wildlife Crime“ in Afrika ebenso wie Piraterie vor den Küsten Somalias oder die gegenwärtig wachsende Bedrohung durch „Foreign Terrorist Fighters“ zum Aufgabenportfolio seiner Organisation. Immer ersichtlicher werden dabei die Berührungspunkte und Schnittstellen von Organisierter Kriminalität und Terrorismus.

Anhand von Beispielen wie der „Operation Lionfish II“, bei der immense Mengen an Waffen und Drogen durch Polizeibehörden sichergestellt wurden, erläuterte Stock welche Erfolge INTERPOL bei transnationalen Verbrechen und Organisierter Kriminalität erzielen konnte. Die Kooperation und der Datenaustausch mit Behörden aus dem lateinamerikanischen Raum sei dabei wesentlicher Faktor für den Erfolg gewesen.
Trotz der Vielfältigkeit des international organisierten Verbrechens und dessen Ausmaße sei INTERPOL mit einem jährlichen Budget von lediglich etwa 60 Mio. Euro, im Gegensatz zum europäischen Pendant EUROPOL, eine chronisch unterfinanzierte Organisation.

Organisierte Kriminalität 4.0

Als dringende Herausforderungen der Kriminalitätsbekämpfung im globalen Maßstab identifizierte Stock zum einen die Verknüpfungen von Organisierter Kriminalität und Terrorismus, die die Brisanz beider Phänomene nochmals steigern; zum anderen die Erweiterung bzw. Verlagerung der Organisierten Kriminalität in den „virtuellen“ Raum. Die Cyber-Kriminalität werde künftig nochmals an Bedeutung gewinnen. Man könne hier durchaus von einer Organisierten Kriminalität 4.0 sprechen.

Aufgrund der allumfassenden Digitalisierung wird es gigantische Gelegenheitsstrukturen für Kriminelle geben.
Jürgen Stock

 

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