Was zusammenhält

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wirbt um Vertrauen in die Gestaltungsmöglichkeiten der Politik

München / Tagungsbericht / Online seit: 28.09.2018

Von: Sebastian Haas

# Europa, Gesellschaftlicher Wandel, Parlamente Parteien Partizipation

Er hätte über die Situation in der Pflege sprechen können – wie mit dem Bayerischen Kabinett oder wie im Interview mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Er hätte (kurz nach dem Tag der Patientensicherheit) über die Digitalisierung des Gesundheitswesens sprechen können. Er hätte über den Weg in den Arztberuf reden können – wie im Gespräch mit einem Landarzt mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Oder über die Biografie, die kürzlich über ihn erschienen ist. Doch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn widmete sich in der Giesecke+Devrient GmbH größeren Themen. Unser Vortragsabend vor etwa 350 Gästen stand unter dem Motto „Deutschland 2021: Was uns zusammenhält".


CDU-Politiker Spahn macht gleich zu Beginn deutlich: Ein Kennzeichen unserer Gesellschaft ist ihre Vielfalt. Auf Grundlage und im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Verfassungsordnung können sich unterschiedliche Haltungen, Lebenspläne, politische, kulturelle und wirtschaftliche Vorlieben entfalten. Der technische Fortschritt, Globalisierung und Migration sorgen jedoch für einen schnellen Wandel und eine immer größere Vielfalt – und das macht es für Politikerinnen und Politiker zunehmend schwierig, angemessene Entscheidungen zu treffen, egal ob in der Außen-, Europa- oder den diversen Feldern der Innenpolitik. „Vor allem in den vergangenen Wochen werde ich vermehrt von Bürgerinnen und Bürgern angesprochen, die sagen, sie verstehen nicht mehr, was in der Politik passiert", erzählt Spahn. Um dem entgegen zu steuern, hat er folgende Ratschläge parat:

Debattenkultur verbessern

Viele politische Diskussionen spielen sich längst nicht mehr auf der inhaltlichen Ebene ab, sondern auf einer rein emotionalen, und zwar nicht nur die über den Themenkomplex Migration und Integration. „Dass darüber diskutiert wird, ob der Gesundheitsminister etwas zu Hartz IV sagen darf, und nicht darüber, was der Gesundheitsminister zu Hartz IV gesagt hat, das hat mit dem normalen Leben nichts mehr zu tun", meint Spahn. Mit der durch ihn angestoßenen Diskussion über die Organspende zeigt sich Spahn durchaus zufrieden, denn: „Es ist nur ein Eingriff in die persönliche Freiheit, sich nicht mehr mit diesem Thema auseinandersetzen zu müssen. Ob ich nun ein Organ spenden will oder nicht, liegt in der persönlichen, freien Entscheidung jedes und jeder Einzelnen."

Vertrauen zurückgewinnen

Das bereits Erreichte kleinzureden und so das Vertrauen in die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten zu untergraben – das hat Jens Spahn als ein Grundübel aktueller Politikvermittlung ausgemacht. So empfiehlt er in Bezug auf die Europapolitik: Recht und Ordnung durchsetzen, und gleichzeitig Unterstützung in alle Richtungen anbieten. Beispiele gibt es genug: Mit einer funktionierenden europäischen Verteidigungsunion, einem effektiven Grenzschutz und Weitsicht in der Wirtschafts- und Digitalisierungspolitik „können auch LePen- oder AfD-Wähler von unserer Politik überzeugt werden".

Richtige Themen finden

Dass es selbst in der Bundespolitik schwer genug ist, eine gemeinsame und überzeugende Linie zu finden, muss auch der Gesundheitsminister eingestehen. In Bezug auf die Arbeit der Großen Koalition aus CDU, CSU und SPD sagt Spahn: „Uns gelingt die Balance noch nicht, in Grundsatzfragen unterscheidbar zu bleiben und dennoch gut zusammenzuarbeiten. Wir diskutieren viel, kommen aber zu wenig zu Lösungen." Womöglich, weil über die falschen Themen diskutiert wird? „Eine Debatte darüber, wer im Herbst 2015 was hätte anders machen sollen, hilft uns im Herbst 2018 jedenfalls nicht weiter."

Der Vortragsabend „Deutschland 2021: Was uns zusammenhält" war eine Zusammenarbeit mit der Europa-Union München, der Griechischen Akademie, den Jungen Europäischen Föderalisten München, der Europäischen Akademie Bayern, der Deutsch-Hellenischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem PresseClub München. Für die Gastfreundschaft bedanken wir uns herzlich bei der Giesecke+Devrient GmbH und deren Vorsitzenden der Geschäftsführung Ralf Wintergerst.

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