Verflixte acht Jahre
Die Entwicklungen nach dem „Arabischen Frühling" kritisch hinterfragt
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 28.11.2018
Von: Anja Opitz
Foto: APB Tutzing
# Internationale Politik, Gesellschaftlicher Wandel, Demokratie, Naher und Mittlerer Osten, Afrika
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(ExpertInnen im Gespräch - von links: Edmund Ratka von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin, der ehemalige Sozialreferent an der Deutschen Botschaft in Tunis und SPD-Landtagsabgeordnete Franz Maget, unsere Tagungsleiterin Anja Opitz und Lena Marie Al-Odeh vom Auswärtigen Amt.)
Die Bilanz ist bedrückend: In Syrien, Jemen und Libyen sind seither mehr als eine halbe Millionen Menschen im Krieg gestorben. Freie Wahlen hat es seit 2013 zwar in Tunesien, und zunächst auch in Ägypten gegeben. Bei der jüngsten Wahl 2018 in Ägypten wurde Präsident Abd al-Fattah as-Sisi mit 97 Prozent wiedergewählt, die Wahlbeteiligung lag bei kläglichen 41 Prozent. Die politische Freiheit in den Ländern wird immer weiter eingeschränkt; lediglich Tunesien geht hier als Beispiel voran. Die Jugendarbeitslosigkeit, einer der Hauptgründe für die Proteste 2011, ist in beiden Ländern gestiegen und korreliert mit der politischen Instabilität in den Ländern. Mit Ausnahme von Tunesien sind fast alle Länder des arabischen Raums unter den weltweiten Korruptionsdurchschnitt gefallen. Insgesamt hält der Nahe Osten heute den Weltrekord in sozialer Ungleichheit.
Ist es den arabischen Staaten überhaupt möglich, auf die Proteste und Unruhen zu reagieren und auf die Forderungen der Zivilbevölkerung einzugehen? Allein der Blick auf die Frage der Jugendarbeitslosigkeit lässt erahnen, dass es hierfür keine einfachen und schnellen Lösungen geben wird. Allein um sie auf derzeitigem Niveau stabil zu halten, müssten im arabischen Raum mehr als zehn Millionen neue Jobs in den kommenden zehn Jahren geschaffen werden. Dafür fehlt es an Liquidität, Reformwillen und -fähigkeit.
Das Beispiel Tunesien
Hat Demokratie und Entwicklung im arabischen Raum überhaupt eine echte Chance? Ja, wie das Ursprungsland des „Arabischen Frühlings", Tunesien zeigt. Tunesien ist heute ein anderes Land, berichtete Franz Maget, der Co-Tagungsleiter unserer Tagung. Es ist ein demokratisch regiertes und verfasstes Land, ein Nationalstaat mit Selbstbewusstsein, mit dem sich die Zivilgesellschaft identifiziere. Auch die Rolle der Frau spiele eine zentrale Rolle im Entwicklungsprozess Tunesiens: Im Parlament sitzen heute 40 Prozent Frauen, auch die erste Bürgermeisterin des Landes ist eine Frau. Tunesien sei ein kleines Versuchslabor für westliche Demokratien, so Maget, um im islamisch, arabischen Raum Demokratien aufzubauen. Das Land könne eine Vorbildfunktion einnehmen und so einen positiven Effekt auf die Entwicklung seiner Nachbarländer entfalten.
Können wir also einen echten „Arabischer Frühling" 2.0 erwarten? Politischer Wandel war nie linear. Demokratie kommt stets in kleinen Schritten und nach vielen Rückschlägen.
Blick aufs Podium der Akademie für Politische Bildung - von links: Christine Straßmaier (MEIA Research), Ilyas Saliba (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung), Anja Opitz (Akademie für Politische Bildung), Lena Marie Al-Odeh (Auswärtiges Amt) und Edmund Ratka (Konrad-Adenauer-Stiftung).
Dr. Anja Opitz
Tel: 08158 / 256-54
a.opitz@apb-tutzing.de
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