Europa handelt

Der Außenhandel der Europäischen Union im Fokus der Wissenschaft / Buch zur Tagung neu erschienen

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 15.12.2017

Von: Sebastian Haas

Foto: Pixabay CC0

# Regionalismus, Entwicklungspolitik

Download: Europa handelt: Die Außenhandelsbeziehungen der Europäischen Union

Die Europäische Union ist ein bedeutender Akteur auf der weltpolitischen Bühne, ihre Außenhandelspolitik wird aber kaum wahrgenommen – obwohl gerade diese den Bereich darstellt, in dem die europäische Integration am weitesten vorangeschritten ist. In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rückten außenhandelspolitische Aspekte erst durch die Diskussion über TTIP und durch den Ukraine-Konflikt. Mehr in unserem Tagungsbericht und auch der kürzlich erschienenen Tagungsdokumentation.


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Welche Rolle spielt die Außenhandelspolitik also für die EU? Können sich die Akteure tatsächlich auf Handlungsweisen einigen, die mehr als das Wohl der eigenen Nation im Blick haben? Was sind dabei die jeweiligen ökonomischen Ursachen, Herausforderungen und Konsequenzen? Wie wird die „friedliche Handelsmacht EU“ tatsächlich von außen wahrgenommen? Gefährdet oder begünstigt die Handelspolitik internationale Friedensbestrebungen? Welche entwicklungspolitischen Potenziale hat sie? Diese Fragen bestimmten unsere Tagung in Zusammenarbeit mit dem ifo Zentrum für Außenwirtschaft in München, der Universität Passau und dem Arbeitskreis Europäische Integration (AEI).

Werte vs. Ökonomie

Die enge Verzahnung von Handels- und Außenpolitik der EU erläuterte Paul-Joachim Kubosch, ehemals Pressesprecher der Europäischen Kommission, am Beispiel des Ukraine-Konflikts. So ist die Ukraine als europäischer Staat in die EU-Nachbarschaftspolitik eingebunden mit dem Ziel, sie an europäische Wirtschafts-, Wohlfahrts- und Gesetzesstandards heranzuführen. Die Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, deren vorläufige Ablehnung 2013 den Ukraine-Konflikt mitausgelöst hatte, sind inzwischen abgeschlossen – gleichzeitig aber hält die EU aus außenpolitischen Erwägungen ihre Sanktionen gegenüber Russland aufrecht. Werte sind manchmal eben doch wichtiger als die Ökonomie.

Zahl der Handelsabkommen steigt stetig

Der Rolle der EU innerhalb der Welthandelsorganisation widmeten sich mehrere Referenten: Eva Schmitt von der Justus-Liebig-Universität Gießen beschrieb die EU als Akteur, der die Liberalisierung und Transparenz der Wirtschaftskreisläufe fördert, vor allem in Bezug auf Dienstleistungen, Industrie- und neuestens auch Agrargüter. Allerdings tut man sich schwer, die eigenen Vorstellungen in den diversen (Welt-)Verhandlungsrunden auch durchzusetzen. Professor Jörg Terhechte von der Leuphana Universität Lüneburg erwartet ein Abkommen über technische Handelshemmnisse, um die Angleichung und gegenseitige Anerkennung zu fördern (und am Ende dieses Prozesses beispielsweise grenzüberscheitende Feuerwehren zu schaffen). Verfahren wie diese könnten, betonte Professor Daniel Göler von der Universität Passau, von der wirtschaftlichen Kooperation zu einer auf den Feldern von Rechtsstaatlichkeit und good governance führen. Aussagen wie diese bekräftigten die These von Professor Bernhard Stahl (Passau), der das „Versagen globaler Organisationen“ als Ursprung für vermehrte bilaterale oder regionale Abkommen sieht. Doch auch dieser Regionalismus stecke in einer Krise: zwar nehme die Zahl der Abkommen stetig zu, hundertprozentig befolgt werden diese jedoch immer seltener.

TTIP: umstrittener Nutzen

Das aus deutscher und europäischer Sicht wichtigste Handelsabkommen ist TTIP. Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen werde jedoch, ist sich der ehemalige Ministerialdirektor im Bundes-Wirtschaftsministerium Knut Brünjes sicher, frühestens im Jahr 2035 voll in Kraft treten. Außerdem bringt es, das behauptet zumindest eine Studie des Würzburger Ökonomen Prof. Michael Pflüger, bei Weitem nicht die gewünschten Effekte. Sollten sich die Freihandelsbefürworter mit all ihren Wünschen durchsetzen, erwartet Pflüger in den USA und Deutschland lediglich eine Erhöhung der Reallöhne um ein Prozent; außerdem würden unbeteiligte Drittstaaten in ihrer Wirtschaftsentwicklung auch negativ beeinflusst. Ganz egal, ob TTIP nun Wirklichkeit werde oder nicht: den Handel des 21. Jahrhunderts bestimmen sowieso die USA und China – und nicht die Europäische Union.

Die Tagung „Europa handelt. Die Außenhandelsbeziehungen der Europäischen Union“ fand von 1. bis 3. April 2016 in der Akademie für Politische Bildung statt und wurde durch die Europäische Union kofinanziert. Die Dokumentation der Tagung ist im Nomos-Verlag erschienen.


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