Englisch - Nicht immer die beste Lösung
Wird die Sprache von Forschung und Lehre durch ökonomische Interessen bestimmt?
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 27.02.2018
Von: Sebastian Haas und Miriam Günther
Foto: APB Tutzing
# Regionalismus, Bildung und Wissenschaft, Globalisierung
Namhafte Experten haben an der Akademie für Politische Bildung diskutiert. Einer davon: Harald Lesch – der einen Rundumschlag über den Spagat zwischen den Wissenschaftssprachen, die Universität zwischen unternehmerischer Lenkung und Bildungsauftrag sowie die Ökonomisierung der Wissenschaft bot. Der Astrophysiker und Fernsehmoderator sprach sich deutlich gegen ein Wettrennen auf der Suche nach der Wahrheit aus – und damit verbundene Forschungs-Spionage oder die massenhafte Übertragung von Denkleistung auf die sogenannte Künstliche Intelligenz. „Wenn sich die Universitäten ökonomischen Zwängen und Erfolgskriterien unterwerfen, können sie nur verlieren", meint Lesch. Forschung sei nun einmal, wenn man vorher nicht wisse, was herauskommt. Und das müsse der breiten Öffentlichkeit in klaren Worten, verständlicher Sprache und ohne Fachbegriffe gesagt werden.
Wissenschaft ist kein Produkt, das wir an irgendwen verkaufen müssen. Harald Lesch zur Ökonomisierung der Wissenschaft.
Wer oder was also bestimmt den wissenschaftlichen Erfolg? Sicher ist nur, dass niemand genau weiß, ob die Qualität von Forschung durch Wettbewerb und Bewertungen, das Zählen von Aufsätzen, Absolventen oder Drittmitteln steigt oder fällt. Thomas Loew von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften gibt zu, dass Zahlen natürlich eine Rolle spielen, wenn es darum geht, Stellen in der Wissenschaft zu besetzen. „Entscheidend aber sind das persönliche Wirken und die Qualität der Forschung."
Viel Sprach', viel Ehr'
Dass sich Wissenschaft in vielen Disziplinen fast nur noch in englischer Sprache abspielt, bewertet Loew pragmatisch: Wie solle er sonst kommunizieren in einem Team aus Wissenschaftlern aus aller Welt, und wenn seine Forschung vor allem in China und Indien diskutiert wird? Für Gerhard Müller, Vizepräsident der Technischen Universität München, ist klar: Ein weltweiter wissenschaftlicher Diskurs beschleunigt Innovationen. Der Schaden, der durch Nicht-Kommunikation entsteht, weil man sich nicht versteht, sei größer als ein mögliches Missverständnis in einem vereinfachten Englisch. Mehrsprachig zu studieren ist in jedem Fall ein Vorteil, betonte Cornelia Schu, Geschäftsführerin des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Doch die Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt und die Gesellschaft läuft eben doch nur über die gemeinsame deutsche Sprache.
Die Universität zwischen Wissenschaftsmanagement und Bildungsauftrag
Der Philosoph Julian Nida-Rümelin bemerkt eine Verschiebung des Bildungsbegriffs an den Universitäten - weg von der Persönlichkeitsbildung nach dem Ideal Humboldts und hin zur Berufsvorbereitung. Gerade die Geisteswissenschaften scheinen besonders bedroht durch das Verschwinden der Nationalsprachen aus der Forschung. In diesem Zusammenhang fordert die Vorsitzende des Historikerverbands Eva Schlotheuber mehr Selbstbewusstsein: Die Geisteswissenschaften seien Impulsgeber für den gesellschaftlichen Diskurs und leisten immense Gedächtnis- und Integrationsarbeit. Die ökonomische Verwertbarkeit der Forschungsegebnisse sei da nur zweitrangig.
Sprachenvielfalt / Stärkung des Pluralismus
Der ehemalige Bundestags-Vizepräsident Johannes Singhammer erinnerte daran, dass in der Zeitenwende aus Digitalisierung, Globalisierung und Zuwanderung eine gemeinsame Sprache versöhnen und Frieden schaffen könne – auch in der Wissenschaft. Politik und Politiker seien verpflichtet, die deutsche Sprache nicht zu diskriminieren und deutsch verfasste Fachpublikationen steuerlich zu fördern. In Bezug auf die Europäische Union forderte Singhammer ein „Signal des Aufbruchs": Amtliche Europäische Beschlüsse sollten auch auf Deutsch; Französisch, Englisch und Deutsch als Verfahrenssprachen gleichberechtigt angesehen werden.
Aus den Worten des CSU-Politikers kann man ersehen: Sprachfragen sind auch Machtfragen. Jeder, der eine Diskussion nicht in seiner Muttersprache führt, kommt automatisch in eine defensive Position. Darauf wies auch der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft Peter Strohschneider hin. Er sieht die gesamte Debatte um die Sprache der Wissenschaft als eine zur Stärkung des Pluralismus. Doch läuft die Auseinandersetzung immer Gefahr, von einer kurzsichtigen Nationaltümelei für ihre Zwecke missbraucht zu werden.
Die Konferenz „Die Sprache von Forschung und Lehre. Lenkung durch Konzepte der Ökonomie?" am 26. und 27. Februar 2018 an der Akademie für Politische Bildung war eine Kooperation mit dem Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache e.V. und dem Zentrum für Europäische Bildung der Fakultät für Lehrerbildung der Universität Zagreb.
Weitere Informationen
ADAWIS - Arbeitskreis Deutsch in der Wissenschaft
Wie vermessen ist die Universität? Ein Vortrag des Volkswagen-Stiftungs-Chefs Wilhelm Krull (PDF)
Der Gebrauch deutscher Sprache in der Wissenschaft (Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages 2016)
Die Hochschulrektorenkonferenz zur Internationalisierung der Hochschulen (2012)
English please! Die ZEIT zur Diskussion um die Wissenschaftssprache
Prof. Dr. Ursula Münch
Tel: 08158 / 256-47
u.muench@apb-tutzing.de
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