Das digitale Chamäleon
Gesellschaft und Technologie im Wandel
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 09.06.2018
Von: Sebastian Haas
# Digitalisierung, Globalisierung
Download: Das digitale Chamäleon: Gesellschaft und Technologie im Wandel
Die Digitalisierung ist endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Von Großcomputern bis zur Datencloud hat das digitale Chamäleon schon oft seine Farbe gewechselt – und macht weiter damit: Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie erfordern interdisziplinäre Anstrengungen in der Wissenschaft und Diskussionen auf gesellschaftlicher Ebene. Unsere Tagung mit der Gesellschaft für Informatik und der Initiative D21 verknüpft technische Expertise und politisch-gesellschaftliche Dimension. Die Vorträge können Sie in unserem YouTube-Kanal ansehen.
Die Ordnung der folgenden Kurzzusammenfassung haben wir von Sabine Maasen übernommen. Die Direktorin des Munich Center for Technology in Society der TU München sprach in ihrer "tour d'horizon durch die Tech-Gesellschaft" über politische und gesellschaftliche Folgen digitaler Technologien. Eine Kernfrage ihrer Ausführungen: Wie bekommt man den "Update-Modus", die ständige Anpassung an die Digitalisierung, in die Politik? Kann man Digitalisierung steuern? Darüber diskutierten Unternehmensgründerin Catharina van Delden (innosabi), Wirtschaftsjournalist Götz Hamann (bei der ZEIT verantwortlich für Print-Online-Projekte) und Lisa Herzog, Professorin für Politische Theorie an der Hochschule für Politik München.
Die Makroebene: Politik und Recht
Catharina van Delden beobachtet, dass sich die Wertschöpfung von Unternehmen grundlegend ändert, in Netzwerken und über Plattformen entsteht: "Ich warte als Startup-Gründerin nicht darauf, dass die Politik mir die Rahmenbedingungen schafft." (Junge und flexible) Angestellte stimmen eben mit den Füßen ab und gehen, wenn's nicht passt. Doch was ist mit all den anderen? Götz Hamann bemerkt, dass sich der Staat aus der Steuerung von Digitalisierungsprozessen zunächst zurückzieht - und das, obwohl routinemäßige Arbeitsprozesse in Produktion und Verwaltung vermehrt Ansehen und Bezahlung verlieren sowie durch Maschinen/künstliche Intelligenz bedroht sind. Das kann ein immenses sozialpolitisches Problem werden. Daher fragt auch Lisa Herzog, ob die Politik nicht deutlich aktiver Innovation fördern sowie den "Machtkampf" mit der Wirtschaft um Wettbewerbsbedingungen und Mitarbeiterfürsorge offensiver angehen sollte: "Schaden abhalten ist das Eine, eine Entwicklung positiv beeinflussen ist das Andere."
Peter Parycek führte vom Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) bzw. der Donau-Universität Krems in die Welt der Datenpolitik ein. Er erläuterte unter anderem die Vor- wie Nachteile datengetriebener Politik und des Open Governments. Wie viel davon sollte sein? Hinter der Antwort darauf steckt die grundsätzliche Frage, wie Politik ausgestaltet sein muss, die eine digitalisierte Gesellschaft voranbringt. "Ein gut geschriebenes Gesetz ist wie ein funktionierender digitaler Code", meint jedenfalls Parycek.
Die Mesoebene: Industrie und Arbeit 4.0
Über Geschäftsmodelle, gesellschaftliche und politische Folgen von digitalen Plattformen sprach Ansgar Baums, Leiter Regierungsbeziehungen Europa, Nahost, Afrika bei HP. Eindeutig ist: Digitale Plattformen verändern die Struktur der Wirtschaft grundlegend, und je näher am Konsumenten der Markt für ein Produkt ist, desto stärker wird dieser Prozess. Die Politik kann damit nicht viel anfangen ("Kein Politiker hat derzeit Lust auf noch mehr Disruption - ganz im Gegensatz zur IT-Marketingstrategie"), fördere eher eine Plattform-Feindlichkeit und sollte sich daher auf die Gestaltung intelligenter Infrastrukturen sowie eines praktikablen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrechts konzentrieren.
Beim Akademiegespräch am See waren Blockchain-Technologie ("ausfallsicher, immer da, unhackbar, nicht zu verändern"), Kryptowährungen und Smart Contracts das Thema von Walter Blocher vom Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel.
Die Mikroebene: Intelligente Systeme in Forschung, zuhause oder am Körper
Den aktuellen Stand der Forschung im Bereich künstlicher Intelligenz stellte Daniel Cremers vor. Der Leibniz-Preisträger leitet die Computer Vision Group der TU München, einer seiner Schwerpunkte ist die 3D-Rekonstruktion. So können 3D-Fotos mit Tiefenkameras oder 3D-Videos durch mehrere Aufnahmen derselben Handlung entwickelt werden. Die Rekonstruktion erfolgt dann durch Algorithmen. Diese Technologien ermöglichen beispielsweise eine Kameraverfolgung in Echtzeit - schlussendlich könnten Zuschauer einen Film gleichzeitig aus unterschiedlichsten Perspektiven verfolgen und direkt in die Handlung eintauchen (Immersion). Oder wie wäre es, wenn eine kleine Drohne bei der nächsten Skype-Konferenz regelmäßig in zwei Metern Entfernung vor Ihnen herfliegt; oder nach einer Naturkatastrophe unzugängliche oder zerstörte Gebiete abfliegt? Was Künstliche Intelligenz bis zu diesem Zeitpunkt an Datensätzen erfasst und ausgewertet hat - zum Beispiel alleine, um einen Kopf mit all seinen Nuancen, verschiedenen Gesichtsausdrücken und im Licht wechselnden Schattierungen richtig zu erfassen - ist kaum vorstellbar.
Tweet
"Gesellschaft im Update-Modus": Überfordert das (und lebenslanges Lernen) die Gesellschaft, fragt @MuenchUrsula
— Dr. Olaf K. Krueger (@drokkrueger) 9. Juni 2018
Antwort Prof. Maasen: Wir können unmöglich in allen Aspekten up to date sein, daher sei eine "Akzeptanzkultur" zu etablieren. #Digitalisierung #apbdigital@TU_Muenchen pic.twitter.com/kCmBMugrww
Die Vorträge der Tagung "Das digitale Chamäleon" können Sie in unserem YouTube-Kanal nachsehen
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Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing
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