Die Ära Barack Obama
A Transfomational Presidency? Die Lage der Vereinigten Staaten aus Sicht der Politikwissenschaft
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 12.12.2015
Von: Sebastian Haas
# Parlamente Parteien Partizipation, USA
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Die Präsidentschaft Barack Obamas neigt sich ihrem Ende zu und lädt zu einer politikwissenschaftlichen Einordnung ein. War es eine Ära der Transformation der Vereinigten Staaten? Ist es dem 44. Präsidenten der USA gelungen, den politischen Wandel durchzusetzen, den er sich in seinem ersten Präsidentschaftswahlkampf auf die Fahnen geschrieben hatte? Und was bedeutet das Ergebnis im jeweiligen Politikfeld für Obamas Nachfolgerin oder Nachfolger?
Bei unserer Tagung in Kooperation mit der Technischen Universität Kaiserslautern und der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz wurden aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert und diskutiert. Der erste große Themenblock stand unter dem Motto: The Transformational Presidency and Domestic Politics.
Unbound Powers? Obama und die imperiale Präsidentschaft
Jürgen Wilzewski von der TU Kaiserslautern stellte sich der Frage, ob sich die amerikanische Außenpolitik in angemessenem Maß selbst kontrolliert – ob also Instanzen wie der Kongress genügend Möglichkeiten zur Mitsprache haben. So kann der zumeist vom politischen Gegner dominierte Kongress als Mit- oder Gegenspieler des Präsidenten agieren (Beispiele waren die Frage nach der Zukunft des Gefangenenlagers Guantanamo oder das Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg), sich so willentlich der starken Exekutive unterwerfen und damit der politischen Verantwortung aus dem Weg gehen. Wilzewski fasste zusammen: „Demokratische Selbstkontrolle und kluge Machtausübung bleiben hier eingeschränkt.“ Da diese Logik gerade in Phasen der (vermeintlichen) Bedrohung greift und sich die USA seit dem Korea-Krieg ununterbrochen bedroht fühlen, bleibt die Frage: ist die Dominanz der Exekutive nun die Voraussetzung oder der Defekt des politischen Systems?
A Polarized Institutional Setting: Obama und die Parteipolitik
Nach Auffassung von Söhnke Schreyer (TU Kaiserslautern) ist Barack Obama grundlegend daran gescheitert, die parteipolitische Polarisierung in den Vereinigten Staaten zu durchbrechen. Dieser Umstand wird noch brisanter, wenn man bedenkt, dass gerade in der komplexen Außen- und Sicherheitspolitik ein überparteilicher Zusammenhalt vonnöten ist. Da innerhalb der Republikaner die ultrakonservative Tea-Party-Bewegung besonders laute Töne anschlägt, sind auch die sonst üblichen Deals zwischen den Parteien – „für diesen Beschluss kommst Du uns in einem anderen Punkt entgegen“ – kaum noch möglich. Oberstes Ziel der Opposition bleibt damit der sogenannte government shutdown.
Wirtschafts-, Energie und Gesundheitspolitik
Welf Werner (Jacobs University Bremen) bescheinigte der Regierung Obama eine vernünftige Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise gemeinsam mit der Zentralbank und dem Kongress. Kritisch sieht er aber, dass das „hohe Gefährdungspotenzial des US-Finanzmarktkapitalismus“ trotz Bankenrettung und Finanzmarktreform weiter bestehe und sozial nicht ausgewogen sei. Stephan Liedtke (Universität zu Köln) merkte an, dass die Regierung das zentrale Politikfeld Energie nicht durch Gesetzesinitiativen stärke, sondern durch gezielte Investitionen in den Energiesektor, die Stärkung der Umweltschutzbehörde und die Förderung erneuerbarer Energien bzw. der Energieeffizienz. „Die eigentliche Revolution liegt in der eigenen Förderung von Öl und Gas durch Fracking und das horizontale Bohren in großer Tiefe“, erklärte Liedtke. Dies alles kann als ein gewaltiges Job-, Infrastruktur und Innovationsprogramm interpretiert werden – unabhängig vom internationalen Energiemarkt sind die USA damit aber noch lange nicht. Christian Lammert (Freie Universität Berlin) konstatierte, dass auch Obamas Gesundheitsreform das bestehende System prinzipiell nicht verändert habe. Es bleibt bei der Teilung zwischen einer privaten Versicherung – neu ist nur die Verpflichtung dazu – für Berufstätige und staatlichen Leistungen für Bedürftige und Rentner.
Zum Abschluss des ersten Tagungsteils zu Domestic Politics sprachen Uwe Wenzel (Studienhaus Wiesneck) über die gescheiterte Reform der Einwanderungspolitik und Manfred Berg (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) über Obamas Umgang mit der afroamerikanischen Minderheit. Der zweite Schwerpunkt unserer Tagung lautete: The Transformational Presidency and International Politics. Themen waren unter anderem die US-amerikanische Politik gegenüber Russland, China und Indien, Rüstungskontrolle und Abrüstungspolitik, transatlantische Beziehungen im Zeitalter des Terrorismus, das Atomabkommen mit dem Iran, der Freihandel mit Europa und die Klimaschutzpolitik.
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