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Regionale Hochburgen der Parteien in Bayern

Episode 25 unseres Podcasts mit Jörg Siegmund

Am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern und der ganze Freistaat ist gespannt, wie die Parteien abschneiden. Dabei unterscheiden sich die Ergebnisse der Parteien in den einzelnen Stimmkreisen oft deutlich von ihren Gesamtergebnissen. Die Grünen sind vor allem in den Großstädten stark, während die Hochburgen der Freien Wähler in Schwaben und Altbayern liegen, wo sie oft auch eine Alternative zur AfD darstellen. Die Hochburgen der CSU zeichnen sich im Vergleich zu den anderen Parteien mit besonders hohen Stimmanteilen aus, doch sie bröckeln in manchen Gegenden. Jörg Siegmund, Wahlforscher der Akademie für Politische Bildung, erklärt, wie Wahlverhalten und Wohnort bei der Landtagswahl in Bayern zusammenhängen und wie stabil regionale Hochburgen heute noch sind.

Tutzing / Podcast / Online seit: 04.10.2023

Von: / Foto: APB Tutzing

Podcast

Beate Winterer: Am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern. Wisst ihr schon welche Partei ihr wählt? Und habt ihr euch schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass eure Parteipräferenz vielleicht mit eurem Wohnort zusammenhängt? Einige Parteien haben nämlich regionale Hochburgen. Sie werden an manchen Orten in Bayern von vielmehr Menschen gewählt als im Freistaat insgesamt. Ich gebe euch ein Beispiel: Die Grünen kamen 2018 bayernweit auf 17,6 Prozent der gültigen Stimmen. Im Wahlkreis München-Mitte hat es die Partei aber auf 44,1 Prozent gebracht. Wie kommen solche Unterschiede zustande? Das wollen wir in dieser Episode von "Akademie fürs Ohr" herausfinden. Ich bin Beate Winterer, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Community Management der Akademie, und bei mir ist mein Kollege Jörg Siegmund, der sich unter anderem mit Wahlforschung beschäftigt. Schön, dass du da bist, Jörg!

Jörg Siegmund: Hallo, Beate!

Gründe für die Entstehung regionaler Hochburgen

Beate Winterer: Fangen wir vielleicht mal ganz grundsätzlich an. Bayern, denkt man oft, wäre ein relativ homogenes Bundesland: eine jahrhundertlange Geschichte fast in den heutigen Grenzen, eine starke Wirtschaft und überall Gemütlichkeit. Wieso gibt es dennoch regionale Hochburgen verschiedener Parteien?

Jörg Siegmund: Dieses einheitliche Bild von Bayern, das du gerade angesprochen hast, das stimmt ja schon historisch nicht. Historisch gibt es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesteilen. Wenn wir an solche Prozesse denken wie Industrialisierung, die konfessionelle Ausrichtung - und das sind ja Faktoren, die sich auch auf das Wahlverhalten auswirken, - dann stimmt dieses Bild schonmal historisch nicht. Und es stimmt aktuell noch weniger, weil Bayern ein Land der Gegensätze ist. Wenn wir uns allein vor Augen führen, wie sich der demografische Wandel in Bayern auswirkt, haben wir da massive Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Wenn wir aber auch an solche Prozesse denken, wie Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft - was dann wiederum aufgrund der sich wandelnden Berufsstrukturen der Arbeitswelt auch aufs Wahlverhalten sich auswirken wird - dann ist Bayern beileibe kein einheitliches Land. Es kommt noch was anderes hinzu, was jetzt auch sehr unmittelbar natürlich mit dem Wahlverhalten zu tun hat: Persönlichkeiten von Kandidaten spielen auch eine Rolle. Du hast in der Einleitung auf den Stimmkreis München-Mitte verwiesen, in dem die Grünen eben sehr erfolgreich waren und dort war der Kandidat Ludwig Hartmann, der Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag. Der hat sogar noch ein bisschen mehr Stimmenanteile mit der Erststimme auf sich gezogen, als die Grünen da insgesamt geholt gaben. Also auch Persönlichkeiten von Kandidaten tragen dazu bei, dass Parteien in verschiedenen Stimmkreisen, in verschiedenen Regionen, unterschiedlich gut abschneiden.

Die Grünen als Großstadtpartei

Beate Winterer: Wenn wir gleich beim Beispiel der Grünen bleiben, die in München überdurchschnittlich häufig gewählt werden: Heißt das, die Grünen haben auch unabhängig von Ludwig Hartmann grundsätzlich eher eine städtische Wählerschaft? Dann müssten sie ja auch in den anderen bayerischen Städten wahrscheinlich stark sein.

Jörg Siegmund: Das sind sie auch zum Teil. Wenn man sich mal die Karte anschaut mit den Stimmenergebnissen, dann erkennt man da, dass rund um die großen Städte - es sind nicht nur die Städte, sondern auch ihr Umland - die Grünen sehr erfolgreich waren. Wenn man genauer hinschaut, muss man wahrscheinlich sagen, sind es vor allem die Universitätsstädte, in denen die Grünen sehr erfolgreich sind. Also zunächst mal natürlich München, aber auch in Würzburg waren sie sehr erfolgreich, in der Metropolregion Nürnberg-Erlangen, in Regensburg, in Augsburg, aber dazwischen tummeln sich eben auch Städte wie Starnberg - oder Stimmkreise wie Starnberg zum Beispiel -, Landsberg am Lech, Fürstenfeldbruck-West. Da waren die Grünen sehr erfolgreich. Also die Universitätsstädte würde ich sagen und der Speckgürtel sozusagen drum rum. Das hat was damit zu tun, dass der formale Bildungsabschluss für das Wahlverhalten der Menschen doch eine wichtige Rolle hat - und zwar gerade bei den Grünen und auch bei der FDP. Das sind die beiden Parteien, die bei den Wählerinnen und Wählern mit einem formal hohen Bildungsabschluss besonders stark abschneiden. Die Grünen kommen in dem Segment - wenn man den Zahlen von Infratest dimap trauen darf - auf ungefähr 28 Prozent der Stimmen, eben bei den formal Hochgebildeten. Also da gibt es eine starke Disparität nach Bildungsabschlüssen und das sieht man eben dann auch regional. Es ist also sozusagen nicht die Stadtluft, die dazu führt, dass Menschen Grün wählen, sondern das hat viel mit Bildung und dann natürlich auch mit den Arbeitsplätzen, die in diesen Regionen vorhanden sind, zu tun, die ja auch eher sozusagen Arbeitsplätze sind, die an Menschen mit einem formal hohen Bildungsabschluss gerichtet sind. Das ist der Grund, der dahintersteckt.

Freie Wähler: Beliebt in Schwaben und Altbayern

Beate Winterer: Den Gegenpol zu den Grünen bilden dann vielleicht die Freien Wähler. Die haben ihre Hochburgen eher in der Oberpfalz und in Niederbayern, wo sie 2018 zum Teil über 20 Prozent lagen. Bayernweit kamen sie dagegen nur auf 11,6 Prozent. Eine naheliegende Vermutung wäre jetzt, dass Landwirte - vielleicht wegen Hubert Aiwanger - die Freien Wähler bevorzugen. Aber ländliche Gegenden gibt es ja auch in anderen Regionen, zum Beispiel in Oberbayern. Da liegen die Freien Wähler zum Teil aber sehr deutlich unter zehn Prozent. Wie erklärst du dir das?

Jörg Siegmund: Zunächst einmal würde ich ein bisschen das Bild ein Stück weit infrage stellen, was du gerade gezeichnet hast. Das stimmt zwar, dass die Freien Wähler vor allen Dingen in Niederbayern und in der Oberpfalz sehr stark sind. Wenn man sich aber die Wahlergebnisse von 2018 anschaut, dann waren sie zum Beispiel auch in Oberbayern sehr stark und haben da auch zugelegt. In Neuburg-Schrobenhausen zum Beispiel sind sie auf über 20 Prozent gekommen. Auch in Freising - und das ist nun wirklich der Münchner Speckgürtel - lagen sie vergleichbar vom Ergebnis her den Gesamtstimmen. Also die Freien Wähler haben sich da doch bayernweit ein Stück weit ausgedehnt, würde ich sagen. Am stärksten zugelegt, wenn man sich das auf Ebene der Wahlkreise - also der Regierungsbezirk, wenn man so will - anschaut, haben sie in Schwaben. Gleichwohl, da hast du Recht, sind sie nicht so stark in Franken. Das hat sicherlich verschiedene Ursachen. Das mag was damit zu tun haben, dass Hubert Aiwanger - als nun wirklich der herausragende Exponent der Freien Wähler - zwar einerseits möglicherweise Landwirte in einer besonderen Weise anspricht, aber vielleicht eben auch von seiner regionalen Färbung her, dann wiederum eben in der Oberpfalz und in Niederbayern besonders erfolgreich ist, in Franken weniger. Das hat sicher aber auch was mit der Geschichte der Freien Wähler zu tun, die ja im Grunde vor einigen Jahrzehnten entstanden sind - auch in Abgrenzung zur CSU, Unzufriedenheit mit Gebietsreformen in Bayern - und da wurzeln die eben unterschiedlich stark auch in den verschiedenen Regionen. Also da liegen, glaube ich, verschiedene Ursachen dahinter, dass sie dann gerade in Franken nicht ganz so erfolgreich sind.

Beate Winterer: In den aktuellen Umfragen haben die Freien Wähler im Vergleich zu 2018 deutlich zugelegt. Ungefähr 17 Prozent trauen die Umfrageinstitute ihnen zu. Kommen diese zusätzlichen Stimmen dann eher aus den Hochburgen oder eben gerade nicht aus den Hochburgen, weil die Partei dort gar nicht mehr so groß wachsen kann?

Jörg Siegmund: Die Frage kann ich dir ehrlich gesagt nicht beantworten, weil diese Umfragewerte ja tatsächlich - soweit ich über sie verfügen kann - nur bayernweit ausgewiesen werden. Ich kann jetzt nicht sagen, ob die dann eben nochmal zugelegt haben in ihren Hochburgen oder nicht. Grundsätzlich ist die Vermutung plausibel, dass eine Partei in ihren Hochburgen vielleicht das Potenzial schon ausgereizt hat. Auch da kann man aber mit Blick auf das Wahlergebnis 2018 sagen, man kann auch in Hochburgen wachsen: Die Grünen zum Beispiel, um auf die nochmal zurückzukommen, die waren schon vorher in den Universitätsstädten sehr stark und haben dort aber auch nochmal überproportional zugelegt. Also man kann auch in Hochburgen durchaus wachsen. Wie das jetzt bei den Freien Wählern konkret aussieht, müssen wir mal abwarten. Am Wahlabend oder in den Tagen danach werden wir es genauer wissen.

Die Freien Wähler als Alternative zur AfD?

Beate Winterer: Was mir beim Blick auf die Wahlergebnisse von 2018 auch aufgefallen ist: Die AfD und die Freien Wähler hatten ein ähnliches Gesamtergebnis mit 10,2 bzw. 11,6 Prozent der Stimmen. Auch die Stimmkreise, in denen sie am erfolgreichsten waren, stimmen auffällig überein an vielen Stellen. Woran liegt das?

Jörg Siegmund: Das stimmt! Und da sind wir wieder bei Niederbayern und der Oberpfalz sozusagen gelandet. Da sind die beiden Parteien tatsächlich am stärksten verwurzelt und haben den stärksten Rückhalt in der Wählerschaft. Auch in Schwaben, da stimmen sie auch überein. Wenn man sich das mal auf einer Karte anschaut, dann könnte man vielleicht sagen, dass beide Parteien - und das gilt vor allen Dingen für die AfD, für die Freien Wähler dadurch, dass sie sich jetzt mehr auch Richtung Oberbayern ausgedehnt haben, nicht mehr ganz so - aber man könnte mal so über den Daumen gepeilt sagen, dass es vor allen Dingen die Peripherie Bayerns ist, in denen beide Parteien sehr stark sind. Das hat vielleicht damit zu tun, dass sie beide ja auch so ein bisschen den Anti-Establishment-Anspruch vertreten, so ein bisschen Wir gegen München. Das, was wir deutschlandweit haben: Bayern gegen den Rest der Bundesrepublik. Vielleicht so eine Attitüde spielt tatsächlich auch innerhalb Bayerns eine Rolle, also wir gegen die Landeshauptstadt. Was gerade bei den Freien Wählern natürlich sehr interessant ist, die nun seit fünf Jahren Mitglied der Staatsregierung sind, aber es trotzdem nach meiner Wahrnehmung immer wieder schaffen, diesen Anspruch, so ein bisschen rebellisch und gegen das Münchner Establishment zu agieren, aufrechtzuerhalten. Die AfD tut das natürlich auch und insofern sind die beide in der Peripherie vor allen Dingen erfolgreich.

Beate Winterer: Würdest du sagen, die Freien Wähler halten in Bayern die AfD auch ein Stück weit klein? Also jetzt ganz unabhängig von den Antisemitismusvorwürfen gegen Hubert Aiwanger, die es 2018 noch gar nicht gab.

Jörg Siegmund: Die Wahrnehmung kann ich durchaus teilen, denn die Freien Wähler sind ja tatsächlich im Parteienspektrum schon seit längerem eine Alternative zu den anderen Parteien. Sie sind in Bayern traditionell sehr stark bei den Landtagswahlen, auch bei Bundestagswahlen. Das zeigt eben, dass hier schon länger eine - ja ich wiederhole nochmal den Begriff - Alternative zu den anderen Parteien besteht, die manchen Wähler, der diese Alternative in anderen Ländern nicht findet und deswegen zur AfD geht, um Protest und Unzufriedenheit auszudrücken, dass die ein Stück weit in Bayern von den Freien Wählern absorbiert wird.

FDP: Geringe Wählerbasis in Bayern

Beate Winterer: Die FDP hast du schon mal erwähnt. Die könnte nach dem 8. Oktober ja ihre Sitze im Landtag verlieren, wenn sie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, wonach es in den neuesten Umfragen aussieht. Liegt das auch daran, dass die Partei vielleicht keine Hochburgen hat, die ihr Schub geben? Oder gibt es dafür ganz andere Gründe?

Jörg Siegmund: Also die FDP, die hat, wenn man das mal wiederum in historischer Perspektive so ein bisschen anschaut, in Bayern ja ein sozusagen konstantes Auf und Ab, also die konstante Nichtkonstanz, wenn man so will, in den Wahlen immer erreicht. 2008 ist sie in den Landtag eingezogen, bei der Wahl darauf wieder herausgeflogen, dann 2018 wieder der Einzug. Du hast es gesagt, aktuell sieht alles danach aus, dass sie dem nächsten Landtag möglicherweise nicht mehr angehören wird. Ich würde nicht sagen, dass das mit regionalen Hochburgen etwas zu tun hat. Die FDP ist durchaus stark, vor allen Dingen in Oberbayern. In München, da hat sie zum Teil in Stimmkreisen, in einem Stimmkreis auch ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Aber insgesamt ist die Wählerbasis der FDP in Bayern relativ schwach ausgeprägt. Dazu kommen aber dann auch jeweils situative, aktuelle Faktoren. Jetzt 2023 kann man sicher sagen, dass da bei vielen Wählerinnen und Wählern vielleicht auch der Frust auf die Ampel-Regierung im Bund eine wichtige Rolle spielt, der die FDP ja angehört. Da ist offensichtlich viel Unzufriedenheit da. Es ist für die FDP auch sehr schwer gewesen in den letzten fünf Jahren, als kleinste der Oppositionsparteien im Landtag, sich auf der landespolitischen Bühne ausreichend Gehör zu verschaffen und da mit ihren Vorschlägen, mit ihren Themen, wirklich durchzudringen. Also da gibt es langfristig sozusagen die fehlende Stammwählerschaft der FDP in Bayern, aber eben auch situative aktuelle Faktoren, die dazu beitragen, dass sie sehr zittern muss und nach Lage der Dinge aktuell den Wiedereinzug möglicherweise nicht schafft. Wobei auch da Wählerinnen und Wähler immer für Überraschungen gut sind. Warten wir mal ab was tatsächlich am 8. Oktober passiert.

Die starken Hochburgen der CSU

Beate Winterer: Über die größte Partei im Bayerischen Landtag haben wir noch gar nicht gesprochen: die CSU. Gewählt wird sie grundsätzlich im ganzen Freistaat. Und auch wenn sie aktuell etwas schwächelt, die neuesten Umfragen gehen davon aus, dass sie immer noch so bei 36 Prozent der Stimmen dann rausgehen könnte. Hat die CSU denn, obwohl sie im Freistaat insgesamt beliebt ist, auch ihre Hochburgen? Und wie hoch sind denn diese Hochburgen dann in dem Fall?

Jörg Siegmund: Auch die CSU hat Hochburgen, ganz klar. Sie ist vor allen Dingen stark - und das ist dann wiederum interessant, weil sich da eben auch im letzten Jahrzehnt einiges geändert hat - sie ist vor allen Dingen jetzt stark, bei der letzten Wahl stark gewesen, in Unterfranken, in Oberfranken, auch in der Oberpfalz, gar nicht mehr so sehr in Oberbayern. Wenn wir aber jetzt gerade mal auf Oberbayern zum Beispiel schauen - und die Stimmkreisergebnisse lassen sich beim Landesamt für Statistik tatsächlich grafisch in einer schönen Karte abrufen -, dann sieht man in Oberbayern einen dunkelblauen Fleck, nämlich den Stimmkreis Mühldorf am Inn.

Beate Winterer: Da komme ich her...

Jörg Siegmund: Da kommst du her, genau! Da hat die CSU tatsächlich fast 46 Prozent der Gesamtstimmen erreicht. Das kann man wirklich sagen, ist innerhalb Oberbayerns eine Hochburg. Das ist sicherlich dem Kandidaten geschuldet: Marcel Huber ist dort angetreten 2018, der eben als Umweltminister und Leiter der Bayerischen Staatskanzlei vielen Menschen bekannt war, populär war. Er hat da persönlich, aber eben dann auch für seine Partei insgesamt, ein sehr gutes Ergebnis eingefahren. Wenn wir in die Oberpfalz schauen, auch dort gibt es so ein, zwei wirklich stark CSU- - dunkelblau auf der Karte, von der ich sprach, eingefärbte - Stimmkreise, meinetwegen auch Neumarkt in der Oberpfalz. Dort war der Direktkandidat Albert Füracker, also der Finanzminister, der mit den Erststimmen tatsächlich sogar über 50 Prozent gekommen ist - jetzt beileibe keine Selbstverständlichkeit, wirklich ein Ausnahmefall - und damit aber auch seine Partei nach oben gezogen hat. Also da spielen Persönlichkeiten auch bei der CSU eine große Rolle und sie hat ihre Hochburgen, ja.

Wie stabil sind regionale Hochburgen?

Beate Winterer: Du hast es vorhin schon mal angesprochen. Über die vergangenen Jahrzehnte oder vielleicht gerade im letzten Jahrzehnt hat sich schon auch was geändert, was die Hochburgen betrifft. Grundsätzlich, wie stabil, würdest du denn sagen, sind solche regionalen Hochburgen? Können sich Parteien darauf verlassen, wenn sie sich einmal in einem Gebiet wirklich eine Stammwählerschaft aufgebaut haben, dass sie dann zumindest einige Jahrzehnte davon profitieren, oder ist es dann doch volatiler?

Jörg Siegmund: Das ist sehr volatil geworden. Das hat, wie gesagt, ganz stark was mit Persönlichkeiten zu tun. Wenn dann ein erfolgreicher Kandidat oder eine erfolgreiche Kandidatin nicht mehr antritt, dann muss die Partei schon wieder ackern, um tatsächlich hier gut abzuschneiden. Wir sehen insgesamt, dass die Stammwählerschaften der Parteien deutlich abschmelzen und dass im Gegenzug dazu der Anteil der Wählerinnen und Wähler deutlich zunimmt, die sagen: Ich kann mir vorstellen die Partei zu wählen, ich kann mir aber auch vorstellen eine andere Partei oder zwei, drei andere zu wählen. Das führt dazu, dass die weitesten Wählerkreise der Parteien, so nennt man das, deutlich größer werden. Selbst die Grünen haben inzwischen in Bayern einen weitesten Wählerkreis, der deutlich über 40 Prozent liegt. Das sind also die Wählerinnen und Wähler, die sagen: Ich wähle ganz sicher die Partei, oder ich kann mir zumindest vorstellen die Partei zu wählen. Also da haben die Parteien ihre weitesten Wählerkreise deutlich ausgebaut. Das Positive ist, sie haben damit ein großes Potenzial, das sie ausschöpfen könnten. Das Negative aus Sicht der Parteien ist, sie müssen ganz schön ackern, sie müssen ganz schön viel investieren. Das ist auch sehr unsicher, ob sie tatsächlich diese Wählerkreise oder dieses Potenzial, was dahintersteckt, ausschöpfen können. Ausruhen auf Hochburgen oder Ausruhen auf vergangenen Ergebnissen können die Parteien sich alle nicht mehr. Das sieht man auch. Die Volatilität, also der Wechsel, sozusagen das wechselnde Wahlverhalten zwischen zwei aufeinanderfolgenden Wahlen, hat deutlich zugenommen. Bayern liegt da voll im Bundestrend. Also man kann sich da nicht ausruhen. Was natürlich die Wahl wiederum spannend macht. Es wäre ja auch schade, wenn wir schon Wochen oder Monate vor der Wahl wüssten, wie es ausgeht. Das ist nicht der Fall und insofern können wir alle auch mit Spannung auf den 8. Oktober schauen und abwarten, welches Ergebnis sich letzten Endes dann einstellt.

Beate Winterer: Genau, da wird es im Nachgang bestimmt viel zu besprechen geben, auch wieder in unserem Podcast. Jörg, vielen Dank, dass du deine Zeit und dein Wissen mit uns geteilt hast. Natürlich auch vielen Dank euch, die ihr uns zuhört. Danke dafür! Wir haben in dieser Episode immer wieder von Wahlumfragen und Wahlprognosen gesprochen. Vielleicht habt ihr euch auch einmal schon gefragt, wie zuverlässig diese Vorhersagen der Umfrageinstitute eigentlich sind? Auch dazu haben wir eine Podcast-Folge von "Akademie fürs Ohr" produziert, die verlinken wir euch natürlich wieder in den Shownotes. Viel Spaß damit und bis zum nächsten Mal!

Jörg Siegmund: Ja, auch von meiner Seite viel Spaß damit. Geht alle wählen, das ist ganz wichtig für unsere Demokratie!

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