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Die Wiederkehr des Autoritarismus

So wirkt die Erosion der Demokratie auf die Geopolitik

Autoritäre Regime erfahren seit einigen Jahren eine Widerbelebung, während das "Ende der Geschichte" und das Credo vom "Wandel durch Handel" in weite Ferne gerückt sind. Autokratische Länder gewinnen zunehmend an wirtschaftlicher Kraft und beeinflussen dadurch die internationale Politik. Über die weltweiten Herausforderungen für die Demokratie haben Fachleute beim 24. Passauer Tetralog der Akademie für Politische Bildung im Rahmen der Europäischen Wochen unter dem Titel "Imperialismus kontra Demokratie: die eigentliche Zeitenwende?" gesprochen.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 21.07.2023

Von: Almagul Shamyrbekova / Foto: Almagul Shamyrbekova

Programm: 24. Passauer Tetralog: Imperialismus kontra Demokratie: die eigentliche Zeitenwende?

24. Passauer Tetralog

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

1989 verkündete der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama das "Ende der Geschichte". Der Kommunismus sei tot und die Demokratie habe endgültig gesiegt, erklärt er. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine beendet die Zeit des Friedens in Europa und verändert die geopolitische Situation. Die Welt erlebt eine Zeitenwende, in der autoritäre Systeme eine Wiederbelebung erfahren. Nicht-demokratische Länder gewinnen an wirtschaftlicher und politischer Stärke, was die globale politische Landschaft grundlegend beeinflusst. Das "Ende der Geschichte" ist auf unbestimmte Zeit vertagt. Beim 24. Passauer Tetralog der Akademie für Politische Bildung im Rahmen der Europäischen Wochen haben Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler unter dem Titel "Imperialismus kontra Demokratie: die eigentliche Zeitenwende?" über wirtschaftliche Entwicklungen, zunehmende Autokratie weltweit sowie die Herausforderungen für die Demokratie gesprochen.

Wirtschaftliche Entwicklung und Demokratie

Der Traum, dass alle Länder eines Tages den westlichen Führungsmächten folgen und freiheitliche Demokratien werden, hat sich als falsch erwiesen, sagt Heinrich Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung. Die Geschichte der modernen Welt seit den Transformationen der frühen 1990er-Jahre verdeutlicht, wie schwierig es ist, den Prozess der wirtschaftlichen Modernisierung zu durchlaufen und gleichzeitig eine stabile Demokratie zu etablieren. Ellen Bos, Professorin an der Andrássy Universität Budapest, weist darauf hin, dass in den ehemaligen sozialistischen Staaten das erhoffte Wirtschaftswunder, wie es in Deutschland geschehen ist, ausblieb. In den Nachkriegsjahren erlebte Deutschland eine wirtschaftliche Erholung und Entwicklung, die es ermöglichte, die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen und gleichzeitig die demokratischen Institutionen zu stärken. Obwohl die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland die Demokratie gestärkt hat, existiert kein pauschaler Kausalzusammenhang zwischen wirtschaftlichem Aufschwung und demokratischem Fortschritt. Das neoliberale Credo vom "Wandel durch Handel" hat sich als falsch erwiesen. Es gibt ebenso Länder, in denen eine starke Wirtschaft mit einem autokratischen Regime verbunden ist, zum Beispiel China.

China: erfolgreiche Wirtschaft und autoritäre Politik

Die Reform- und Öffnungspolitik ist ein politisches Schlagwort, das die wirtschaftlichen Reformen und die Öffnung der Volksrepublik China gegenüber der Welt, insbesondere dem Westen, beschreibt. Die Kommunistische Partei führte diesen Kurs in den späten 1970er-Jahren ein und er trug dazu bei, den Lebensstandard der Menschen zu verbessern, die Armut zu verringern und das Pro-Kopf-Einkommen zu steigern. Die Reform- und Öffnungspolitik machte China zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA und gab dem Westen die Hoffnung, dass das Land aufgrund seiner Marktwirtschaft und offener Grenzen zwangsläufig demokratisch werde. Dies war ein Irrglaube, denn Chinas Weg führte in die entgegengesetzte Richtung, hin zu einer Autokratie. "Die Fehleinschätzung des Westens war, dass die aufstrebende Wirtschaftsmacht China sich für internationale Normen und in internationalen Organisationen engagieren würde. Stattdessen hat es nationalistische, patriotische, xenophobe und rassistische Kampagnen gefördert, sagt Saskia Hieber, Dozentin für Internationale Politik mit Schwerpunkt Asien-Pazifik an der Akademie für Politische Bildung. China steht wegen seiner Menschenrechtsverletzungen, Zensur und Einschränkungen der Meinungsfreiheit in der internationalen Kritik. Die Regierung kontrolliert strikt das Internet und die Medien, um unliebsame Informationen und kritische Stimmen zu unterdrücken. Damit verfolgt das Land einen eigenen Weg, der nicht den demokratischen Prinzipien des Westens entspricht, sagt Hieber.

Ungarns Politik als Herausforderung für die Europäische Union

Doch nicht nur China hat Schwierigkeiten mit diesen Prinzipien, sondern auch die EU-Mitglieg Ungarn. Das Europäische Parlament bezeichnet das Land als ein "hybrides System der Wahlautokratie". Die Regierung kontrolliert Medien und Justiz immer stärker, während sie die Rechte von Minderheiten beschneidet. In Bezug auf die außenpolitische Ausrichtung gefährdet Ungarns Politik die Europäische Union, erklärt Bos. Seit dem Amtsantritt von Viktor Orban öffnet sich Ungarn verstärkt in Richtung Osten, nach Russland und China. Diese Öffnung prägen vor allem wirtschaftliche Interessen. Trotz der Ereignisse in Russland und des Krieges in der Ukraine besteht keine Bereitschaft, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu überdenken. Ungarn unterstützt China und Russland auch innerhalb der EU. Orban erklärt offen, dass er die Zukunft nicht in westlichen Demokratien, sondern in Staaten wie Russland und China sieht. Dies wirft Fragen zur Solidarität innerhalb der EU auf und erschwert die Entwicklung einer gemeinsamen außenpolitischen Strategie, sagt Bos.

Die Erosion der Demokratie in den USA

Auch in den USA hat die Demokratie als Leitbild in den vergangenen Jahren infolge populistischer Tendenzen an Bindekraft verloren, sagt Jackson Janes, Politikwissenschaftler am American Institute for Contemporary German Studies. Der gewaltsame Sturm von Trump-Anhängern auf das US-Kapitol erschütterte 2021 die USA und die Welt. Die Bilder und Berichte von aufgebrachten Demonstrantinnen und Demonstranten haben eine Weile der Empörung und Besorgnis ausgelöst. Dieser Vorfall hat nicht nur die Sicherheit der Regierung und ihrer Vertreterinnen und Vertreter in Frage gestellt, sondern auch an den Grundfesten der amerikanischen Demokratie gerüttelt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte diesen "Sturm auf das Herz der Demokratie". Die Erosion der US-amerikanischen Demokratie hat ein Vakuum geschaffen, das von Akteuren wie China und Russland genutzt wird, ihre eigene globale Führungsrolle voranzutreiben und ihre politischen, wirtschaftlichen und strategischen Interessen in Regionen auszuweiten, in denen die USA ihre bisherige Führungsposition nicht mehr in gleichem Maße wahrnehmen. "Wir stehen vor einer sicherheitspolitischen Herausforderung, die unsere Aufmerksamkeit und entschlossenes Handeln erfordert. Es ist an der Zeit, die Demokratie entschlossen zu verteidigen, um den globalen Autoritarismus einzudämmen und die Werte, auf denen westliche Gesellschaften aufgebaut sind, zu bewahren", fordert Oberreuter.

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