Der Mensch im Zeitalter der Digitalisierung
Welche Folgen haben KI, Big Data und Robotik für uns?
Big Data, Künstliche Intelligenz und Robotik bergen Potenziale, die unser bisheriges Verständnis von Wahrhaftigkeit, Körperlichkeit und physischen Grenzen der Leistungsfähigkeit – kurz: von Humanität – infrage stellen. In unserer Tagung "Das 'humanum' im Zeitalter der Digitalisierung" haben wir über die Auswirkungen der technischen Entwicklung auf den Menschen gesprochen, von der Arbeit bis zur Liebe.
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 16.09.2019
Von: Beate Winterer / Foto: Natalie Weise
Ursula Münch
Digitale Transformation: Mehr als eine Herausforderung – eine Gestaltungsaufgabe
Akademie-Kurzanalysen, Tutzing, 2019
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"Wahrscheinlich wird es in 200 Jahren nicht die Roboter und uns geben, sondern irgendwas dazwischen", glaubt Alin Albu-Schäffer. Der Direktor des Instituts für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen erwartet beispielsweise Pflegeroboter, die Menschen mit Behinderung Wasser an den Mund reichen oder sie nachts ab- und zudecken - und von den Patienten selbst angeleitet werden. "Die Horrorvision ist eine Pflege wie in der Waschstraße, durch die man geschoben und geschrubbt wird. Patienten akzeptieren Technologien nur, wenn sie mit dem eigenen Willen steuerbar sind", erklärt Albu-Schäffer.
Er diskutierte auf der Tagung "Das 'humanum' im Zeitalter der Digitalisierung", die die Akademie für Politische Bildung mit der Gesellschaft für Informatik und der Initiative D21 veranstaltete, mit Informatikern, Philosophen und Ingenieuren, welche Auswirkungen technische Entwicklungen wie Robotik, Big Data und Künstliche Intelligenz auf den Menschen haben.
Künstliche Intelligenzen mit menschlichen Fähigkeiten
Karl Teille, Leiter des Instituts für Informatik an der AutoUni der Volkswagen AG, geht davon aus, "dass wir in Zukunft in scharf umrissenen Kontexten Rechner bauen werden, die an die Fähigkeiten des Menschen heranreichen. Das ist eine große Chance". Digitalen Assistenten werden in der Lage sein, menschliches Verhalten zu simulieren - allerdings nur in einem begrenzten Aufgabengebiet. "Wenn der Kontext wechselt, kann sich eine Künstliche Intelligenz nicht anpassen", sagt Teille. So könne ein guter menschlicher Schachspieler sein Wissen in kurzer Zeit auf das Spiel Go anwenden. Der beste Schachcomputer der Welt sei jedoch nicht in der Lage, Go zu lernen.
Wer haftet für das autonome Auto?
Dass bald autonome Autos über Deutschlands Straßen rollen könnten, ist ein sehr konkretes Zukunftsszenario. "Komplett autonomes Fahren wird es aber auf lange Zeit nicht geben", sagt Ina Ebert, Juristin beim Rückversicherer Munich Re und Podiumsgast beim Akademiegespräch am See. Stattdessen erwartet sie einen Mischverkehr aus autonomen Fahrzeugen, älteren und günstigen Autos, die weiterhin von Menschen gesteuert werden, Fußgängern und Fahrrädern. "Ein großes Problem ist, dass autonome Autos nicht mit menschlichen Verkehrsteilnehmern kommunizieren können. Ein erfahrener Autofahrer kann viel besser einschätzen, wie sich ein Fußgänger verhalten wird", erklärt Ebert. Unfälle werde es auch deshalb weiterhin geben. "Dann stellt sich die Frage: Wer haftet? Fahrer, Halter, Hersteller, Software-Provider? Und welcher Versicherungsbedarf entsteht dadurch", sagt Ebert. Sie erwartet in den kommenden Jahren ein einheitliches Haftungsrecht für Unfälle mit autonomen Autos in der EU. Weltweit verbindliche Regeln seien jedoch unmöglich durchsetzbar.
Neues Menschenbild durch Big Data?
Im Bereich Big Data sieht Christina B. Class von der Ernst-Abbe-Hochschule vor allem die Möglichkeiten des Social Screenings kritisch. Durch das Sammeln von Informationen aus den sozialen Medien seien Nachteile bei Jobbewerbungen und Visaanträgen zu erwarten. In Kombination mit Gesichtserkennungssoftware weitet sich die Überwachung auf die reale Welt aus - und verändert das Menschenbild. "Der Algorithmus kann Menschen noch Jahre später beispielsweise im Job schaden. Diese Brisanz wird bisher nicht erkannt", sagt Class.
Self-Tracking und Online-Dating
Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen befürchtet durch die - oftmals freiwillige - Überwachung in Form von Apps eine Entsolidarisierung der Gesellschaft. Wer krank werde, sei öfter mit der Frage nach der Schuld konfrontiert. "Der Pranger kommt praktisch zurück", sagt Selke. Auch die Liebe verändert sich durch die Digitalisierung. Hannes-Vincent Krause, der am Weizenbaum-Institut zu Online-Dating forscht, beobachtet, dass Menschen die Verantwortung für ihre Beziehungen zunehmend an Plattformen wie Tinder oder Lovoo abgeben. "Dabei haben diese Unternehmen kein wirtschaftliches Interesse an langlebigen Beziehungen", erklärt der Psychologe.
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"Wir müssen das #Steuersystem aus der analogen für die digitale Welt anpassen. Die Frage ist, wie wir den Mehrwert besteuern, der durch #Daten entsteht." - Johannes Wallacher von der @hfph_muc bei #humanum19 #Digitalisierung
— APB Tutzing (@APBTutzing) September 13, 2019