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Die Energiewende in Deutschland und in der Region

So steht es um den Ausbau von Solarenergie und Windkraft

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat in den vergangenen Jahren zwar Fortschritte gemacht, doch Solaranlagen und Windräder können die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen noch nicht ersetzen. Das wäre aber ein entscheidender Schritt für den Klimaschutz. Deshalb ist es wichtig, die Energiewende in Deutschland weiter voranzubringen. Viele Aufgaben der Energiewende entfallen auf die Kommunen, doch denen fehlen Fachkräfte und Finanzmittel. Viele Bürgerinnen und Bürger sind mit der Energiewende überfordert und wenden sich von der Politik ab. Im Rahmen der Abendveranstaltung "Runter von der Bremse: Wie machen wir die Region zukunftsfit?" der Akademie für Politische Bildung und der gwt Starnberg haben Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft diskutiert, wie es um die Energiewende in Deutschland steht und wie sie sich über die Jahre entwickelt hat.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 20.11.2023

Von: Amelie Wimmer / Foto: Amelie Wimmer

Programm: "Runter von der Bremse"

"Runter von der Bremse": Wie machen wir die Region zukunftsfit?

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"Das Klima ändert sich vor unserer Haustür", sagt Bruno Burger vom Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems. Verheerende Überschwemmungen im Ahrtal 2021 und jeden Sommer neue Temperaturrekorde. Im Jahr 2022 verzeichnete das Robert Koch-Institut rund 4.500 Todesfälle im Zusammenhang mit zu großer Hitze. In Deutschland sind die Folgen der Erderwärmung und des Klimawandels bereits spürbar. Ein Weg, die Erderwärmung zu verlangsamen, ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Aus der Sicht der Wirtschaft eröffnen sie bis zu 400.000 Arbeitsplätze, sagt Robert Winkler, Abteilungsleiter Klimaschutz, Politik, Nachhaltigkeit beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. Aber Erneuerbare Energien bedeuten auch Klimaschutz und Unabhängigkeit von anderen Ländern. Über den Stand und die Zukunft der Energiewende in Deutschland haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft im Rahmen der Abendveranstaltung "Runter von der Bremse: Wie machen wir die Region zukunftsfit" der Akademie für Politische Bildung und der gwt Starnberg diskutiert.

Herausforderungen der Energiewende für die Kommunen

Für viele Aufgaben der Energiewende, beispielsweise den Netzausbau und Genehmigung neuer Windkraftwerke, sind die Kommunen zuständig. Diese stoßen in der Region Starnberg jedoch an ihre Grenzen, sagt Landrat Stefan Frey. Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien fehlt es den Kommunen an ausgebildeten Fachkräften. Außerdem verlieren sie Zeit in der Einhaltung der fachlichen und gesetzlichen Vorgaben der Energiewende. Zum Beispiel der 10-H-Regelung der Bayerischen Bauordnung, die erst vor einem Jahr gelockert wurde. Bis dahin durften Windkraftwerke nur im zehnfachen Abstand ihrer eigenen Höhe zu Wohnhäusern gebaut werden, was den Ausbau der Windenergie in Bayern enorm erschwert und um Jahre zurückgeworfen hat. Doch Windenergie ist für die Energiewende in Bayern wichtig, da Solarenergie alleine nicht ausreicht. Nachts produziert die Sonne keinen Strom und im Winter geht die Stromerzeugung ebenfalls zurück, sagt Robert Winkler.

Die Kommunen müssen abwägen, welche Interessen sie an erster Stelle berücksichtigen. Achten sie stärker auf den Artenschutz, kommt der Klimaschutz zu kurz. Aber Windkraftwerke bedeuten einen Eingriff in den Lebensraum von Vögeln und Fledermäusen und damit potenziell eine Gefährdung dieser Arten. Diese Balance zwischen den verschiedenen Interessen müssen die Kommunen immer wieder neu meistern. Eine weitere Herausforderung ist der nur langsam vorankommende Netzausbau. In der Region Starnberg mangelt es an geeigneten Stromtrassen und Speichermöglichkeiten. Insgesamt fehlt es den Kommunen zur Durchführung der Energiewende an den finanziellen Mitteln. Das macht sie langsam, sagt Frey. 

Überforderung der Bürgerinnen und Bürger mit der Energiewende

Der Klimaschutz und die Energiewende beschäftigen nicht nur die Kommunen, sondern auch die Gesellschaft. Manchen Bürgerinnen und Bürgern geht der Klimaschutz nicht weit genug, wie den Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation, die durch ihre Proteste schnellere Maßnahmen von der Regierung fordern. Andere Bürgerinnen und Bürger sind überfordert mit der Energiewende. Viele sind unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Regierung Klimaschutz umsetzt und mit den Kosten, die auf sie zukommen, zum Beispiel, wenn sie ihre Heizungen umrüsten müssen. Die Unzufriedenheit führt nicht nur zu Protest. Teile der Bevölkerung erleben eine Nachrichtenmüdigkeit und neigen dazu, sich von der Politik abzuwenden. Manche gelangen außerdem zu einem Trugschluss: Sie schließen vom Zustand der Infrastruktur, beispielsweise vom Mangel an Speichermöglichkeiten für Energie, auf die Qualität der Demokratie. Die Bewertung der Demokratie sei im Moment zu stark an ihren Ergebnissen orientiert, sagt Münch. Dabei sind die wesentlichen Züge der Demokratie, wie Freiheitsrechte und Minderheitenschutz, intakt.

Solarenergie und Windkraft in Deutschland und in der Region Starnberg

55 Prozent des in Deutschland erzeugten Stroms kommt 2023 aus Erneuerbaren Energien. In Tutzing gibt es beispielsweise fünf Windkraftwerke und knapp 6.000 Solarzellen, verrät die Website energy-charts.info. Sie ist eine der umfassendsten Datenbanken zur Stromerzeugung in Deutschland, betrieben vom Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems. Dort kann jeder nachschauen, wie viele Solaranlagen und Windräder in seiner Region vorhanden sind und welchen Anteil Erneuerbare Energien und fossile Brennstoffe bei der Stromerzeugung ausmachen. Die Daten sind über mehrere Jahre und für ganz Deutschland sowie einzelne Bundesländer und Kommunen abrufbar. Anhand der Energy Charts zeigt Bruno Burger, dass die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen seit 2002 langsam zurückgeht. Gleichzeitig steigt die Stromgewinnung aus Erneuerbaren Energien mit einigen Rückschlägen seit 2002 stetig. Doch erst seit 2019 gewinnt Deutschland mehr Strom aus Erneuerbaren Energien als aus Fossilen. Solarenergie und Windenergie werden das Rückgrat der Energiewende sein, sagt Burger.

Historie der Solarenergie in Deutschland

Doch der Weg dorthin ist nicht einfach. Vor 2002 hat Deutschland fast keinen Strom aus Solarenergie gewonnen. Langsam aber stetig wurden mehr Photovoltaikanlagen gebaut und in Betrieb genommen. 2012 lag die Leistung, der in diesem Jahr neu gebauten Solaranlagen, bei 7,6 Gigawatt. Dazu haben die Vereinbarungen zum Ausstieg aus der Kernenergie beigetragen. Doch der Fortschritt wurde gebremst, als der Bundestag 2011 auf Vorschlag des damaligen Umweltministers Peter Altmeier ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz samt Strompreisbremse verabschiedete. In der Folge ging die Zahl neuer Photovoltaikanlagen stark zurück, da die Gewinnung und der Verkauf von Solarenergie wirtschaftlich kaum noch attraktiv waren. Drei Jahre nach der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes lag der jährliche Zubau neuer Solaranlagen bei gerade einmal 1,2 Gigawatt, während es 2012 noch rund acht Gigawatt waren. Burger bewertet das Gesetz als politische Fehlentscheidung, die die deutsche Solaranlagenindustrie zerstört hat. Nach 2013 wurde sie zu einem großen Teil von China aufgekauft. In den folgenden Jahren war nur ein langsamer Anstieg der Stromerzeugung aus Solarenergie zu beobachten. Heute liegt der jährliche Zubau von Solarenergie bei 10,2 Gigawatt. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 und das Kohleausstiegsgesetz 2018 tragen ihren Anteil zu diesem Anstieg bei.

Erneuerbare Energien statt russischem Erdgas

Eine zweite Fehlentscheidung in der Energiepolitik sieht Burger in der Eröffnung von Nord Stream 1 im Jahr 2011. Die Pipeline transportiert Erdgas am Boden der Ostsee von Russland nach Deutschland. Das russische Erdgas dient in der Energiewende als Brücke, um die Stromerzeugung aus Kernenergie zu ersetzen. Allerdings hat die Regierung einen zu großen Fokus auf die Brücke statt auf das eigentliche Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren Energien gelegt, und drei weitere Pipelines in Auftrag gegeben. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist klar, dass Deutschland zu abhängig vom russischen Erdgas ist und Russland dieses Druckmittel nutzt. Unter anderem deshalb plant die Ampel-Koalition einen höheren Anteil der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien. Das geht aus dem Klimaschutzgesetz von 2022 hervor. Im Vergleich zu 2021 soll der Anteil aus Erneuerbaren Energien 2030 um 60 Prozent höher sein.

Vor einer weiteren Verzögerung der Energiewende und des Netzwerkausbaus und den Folgen für Bayern warnt auch Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der gwt Starnberg. Das Land riskiere eine Abwanderung von Unternehmen und den Verlust von Arbeitsplätzen. Die Industrie ist in Bayern insgesamt und auch im Landkreis Starnberg weiterhin ein wichtiges wirtschaftliches Standbein und die Abwanderung von Unternehmen an Standorte, die in den Unterhaltskosten und beim Lohn der Arbeitskräfte billiger sind, zieht potenziell mehr Umweltschäden nach sich. Denn im Ausland sind die Umweltauflagen teilweise weniger streng.

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