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Das Krisenszenario eines Blackouts

Wie sicher sind Stromversorgung und Gasversorgung in Deutschland?

Die Energiekrise war das Schreckgespenst des vergangenen Winters. Dreht Russland den Gashahn ab, gehen in Deutschland die Licher aus, so die Befürchtung. Die Gefahr eines Blackouts steigt aber auch durch Extremwetterereignisse, wie die Flut im Ahrtal gezeigt hat. Wie warscheinlich ein Blackout in Deutschland ist und wie er verhindert werden kann, haben Expertinnen und Experten in der Tagung "Blackout, Burnout, No Way out" der Akademie für Politische Bildung und der Deutschen Polizeigewerkschaft, Landesverband Bayern e.V. erklärt.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 21.03.2023

Von: Pauline Wanner / Foto: Pauline Wanner

Blackout, Burnout, No way out - Wie krisenfest sind Staat und Gesellschaft?

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Plötzlich geht das Licht aus. Das Telefon funktioniert nicht mehr. Die Uhr am Herd blinkt. Kleine Stromausfälle im eigenen Haushalt, meist verursacht durch einen Kurzschluss, bekommen wir schnell in den Griff. Einfach die Sicherung wieder in Betrieb setzen und das Licht geht an, wir können wieder telefonieren und die Uhr am Herd einstellen. Für den Fall, dass doch nicht nur die herausgesprungene Sicherung schuld ist, rufen wir mit unserem Smartphone den Notruf. Doch was passiert, wenn das Licht wirklich nicht mehr angeht? Wenn Stromversorgung und Gasversorgung ausfallen, unsere Smartphones kein Signal mehr empfangen? Und das nicht über Minuten, sondern über Tage oder sogar Wochen? Mit dem Krisenszenario eines Blackouts haben sich Expertinnen und Experten im Rahmen der Tagung "Blackout, Burnout, No Way out: Wie krisenfest sind Staat und Gesellschaft?" der Akademie für Politische Bildung und der Deutschen Polizeigewerkschaft, Landesverband Bayern e.V. beschäftigt.

Struktur der Stromversorgung und Gasversorgung in Deutschland

In Deutschland werden Strom und Gas über Leitungen verteilt. Insgesamt ist das Stromnetz und Gasnetz über zwei Millionen Kilometer lang. Die großen Stromleitungen verlaufen überirdisch über Masten. "Diese Leitungen können nicht flächendeckend, physisch geschützt werden", stellt Florian Bieberbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München, klar. Das erste Problem, wenn es um den Schutz der kritischen Infrastruktur geht. Ein weiteres entsteht, wenn kein Gas mehr geliefert wird. Wenn der Gashahn von einem Land abgedreht wird, muss es andere Länder geben, die weiter liefern können und wollen. Deutschlands Gasversorgung ist von Exportländern abhängig. Die meisten Erdgasimporte bezieht Deutschland von Ländern außerhalb der EU wie Russland und neuerdings Katar. Mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine steigen die Sorgen vor Engpässen. "Deutschland ist ein Knotenpunkt, wo verschiedene Leitungen aus den Importrouten zusammenkommen", sagt Florian Bieberbach. Dementsprechend ist nicht nur Deutschland am Schutz der Gasversorgung interessiert, sondern auch viele Länder der EU.

Als Weg aus der Abhängigkeit und zudem klimafreundliche Alternative gelten erneuerbare Energien. Allerdings kann die Stromproduktion ausfallen, beispielsweise wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. Für Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach ist die Möglichkeit, auf konventionelle Kraftwerke zurückzugreifen, sehr wichtig, um Versorgungsengpässe auszuschließen. Zur Mittagszeit ist in Deutschland der Stromverbrauch am höchsten, meistens kann die Produktion allerdings durch erneuerbare Energien bewältigt werden. Wenn der Strom nicht reicht, springen konventionelle Stromerzeuger ein, die für eine gesicherte Leistung zur Verfügung stehen. In Zukunft wird noch mehr Strom benötigt, da Verbrenner abgeschafft und durch Elektromobilität ersetzt werden sollen. Wärmepumpen gelten als Alternative zu den herkömmlichen Heizungen. "Wenn es nicht gelingt Gaskraftwerke und Wasserstoffkraftwerke zu bauen, wird Kohle de facto länger verbrannt", glaubt Florian Bieberbach.

Ausfälle der Energieversorgung

Diversifizierte Versorgungsrouten schützen Deutschland vor fehlendem Strom. "Bei fehlender Stromerzeugung zum Beispiel durch den Ausfall eines Kraftwerks ist in den kommenden Jahren laut der Bundesnetzagentur kein Versorgungsengpass zu erwarten, da die Speicher gut gefüllt sind", sagt Florian Bieberbach. Große Kraftwerke können gut geschützt werden und bei technischen Problemen und dem unerwarteten Ausfall eines Kraftwerks, hilft der europäische Verbund aus. Um flächendeckende Stromausfälle und Versorgungsengpässe gänzlich zu vermeiden, gilt es außerdem, die kritische Infrastruktur zu schützen. Auch dafür liegen den Sicherheitsbehörden entsprechende Pläne vor. Das klingt nicht nach einer Versorgungskrise.

Dennoch gibt es Gefahren wie Extremwetterereignisse und darauffolgende Blackouts, die nicht mit in die Rechnung aufgenommen wurden. Auf manche Krisen kann man sich vorbereiten, auf die Klimakrise nur bedingt. Die größte Herausforderung bei Extremwetter sind lokale Störungen, die vermehrt auftreten und einen Blackout auslösen können. Systematischer Schutz ist allerdings schwierig, da meistens kleine Gebiete betroffen sind. In Deutschland ist ein Vorteil, dass viele Stromleitungen und Gasleitungen unterirdisch verlaufen und deshalb bei Starkregen oder Orkanböen nicht betroffen sind. Bei einem Blackout fallen allerdings auch diese aus, da sie ohne Energie nicht mehr betrieben werden können. Blackouts kommen aber nicht ausschließlich durch lokale Extremwetterereignissen wie der Flut im Ahrtal zustande. Auch eine Überlastung des Netzes, weil beispielsweise Kraftwerke ausfallen oder die erneuerbaren Energien zu wenig Strom produzieren, kann zu einem Blackout führen.

Die sogenannte Inselnetzbildung sorgt dann zumindest vorrübergehend für Versorgungssicherheit. Die Verbindung zum Übertragungsnetz, in dem der Blackout stattfindet, wird gekappt. Es entsteht eine sichere Insel, die unabhängig von den ausgefallenen Netzen weiterhin ihren eigenen Strom produziert. Diese Inselnetzfähigkeit ist nützlich, da die Stromversorgung und Wärmeversorgung der Insel bestehen bleibt und die anliegenden Netze am Strom bleiben. Allerdings gewährleistet die Insel nur in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich eine sichere Stromversorgung. Die anliegenden Netze können nicht mitversorgt werden. Momentan werden Inselnetze noch mit Strom aus konventionellen Kraftwerken betrieben. In absehbarer Zeit ist das auch mit erneuerbaren Energien möglich. In Deutschland sind allerdings nur noch wenige Inselnetze vorhanden und der Ausbau von neuen Netzen wird staatlich nicht gefördert. Der Lösungsansatz für einen möglichen Blackout ist vorhanden, kann aber flächendeckend nicht angewendet werden.

Zusammenarbeit als Schlüssel im Fall eines Blackouts

Zum Schutz der noch bestehenden Inselnetze sollten sich Sicherheitsbehörden in der Nähe der Netze ansiedeln, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Durch Objektbegehungen von kritischer Infrastruktur erlangen Polizistinnen und Polizisten Kenntnisse über das Objekt und entwickeln in Absprache mit den Stromversorgern Maßnahmenkataloge für den Ernstfall. Ein zusätzlicher Austausch von Lagebildern auf lokaler und nationaler Ebene ermöglicht eine bessere Einschätzung. Außerdem können die Sicherheitsbehörden von Erfahrungen der Kolleginnen und Kollegen profitieren, die bereits einen Katastrophenfall wie die Flut im Ahrtal erlebt haben. Expertinnen und Experten beraten die Sicherheitsbehörden zum Schutz der kritischen Infrastruktur und geben entsprechende Handlungsanweisungen für den Ernstfall. Nach der Katastrophe im Ahrtal wurde zum Beispiel der Wiederaufbau des Sirenennetzes sowie eine bundesweite Warnstrategie beschlossen.

Für die Verwaltung und die Politik sollte der Schutz der versorgenden Infrastruktur ein gemeinschaftliches Ziel darstellen. Der Staat und die Wirtschaft sind im Ernstfall aufeinander angewiesen. Die Informationen zum aktuellen Stand der Lage müssen fließen, weswegen der Ablauf der Kommunikation geklärt werden muss. Dazu erarbeiten die sogenannten Player des Katastrophenschutzes, also Landkreise und Gemeinden Alarmierungsschemata, die im Ernstfall eingesetzt werden können. "Bisher gestaltet sich die Kommunikation bei einem Blackout, in dem Funk und Satelliten ausfallen, noch kompliziert", erklärt Roland Schwankhart, Fachkraft für Katastrophenschutzplanung im Landratsamt Starnberg. Für die Zukunft werden aber gemeinsame Lösungen auf nationaler und lokaler Ebene entwickelt.

Den gesamtgesellschaftlichen Ansatz, in dem auch die Bevölkerung eine große Rolle spielt, hat Andreas Hermens vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe im Blick. Da Bund, Länder und Kommunen im Ernstfall jeweils unterschiedliche Aufgabengebiete haben, ist es wichtig, dass die verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten. Andreas Hermens war von der Flutkatastrophe im Ahrtal persönlich betroffen und baute sein Haus mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern wieder auf. Die Lehren dieser Krise sind deshalb auch, dass es im Katastrophenfall auf den Zusammenhalt der Bevölkerung ankommt.


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DPolG-Video zur Tagung

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