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Digitalisierung und digitale Bildung in der Region

Wie gelingt der digitale Wandel in bayerischen Kommunen?

Mit der Corona-Pandemie ging ein digitaler Ruck durch Deutschland. Sie zwang Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Homeoffice und Schulen in den Distanzunterricht. Von einer Digitalisierungsoase ist die Bundesrepublik aber auch zwei Jahre später weit entfernt. Mit welchen Herausforderungen wir in den nächsten Jahren konfrontiert werden und warum viel mehr digitale Bildung notwendig ist, hat die Veranstaltung "Von der Digitalisierungswüste zur Digitalisierungsoase" der Akademie für Politische Bildung und der gwt Starnberg GmbH thematisiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 27.07.2022

Von: Theresa Schell / Foto: Beate Winterer

Programm: Von der Digitalisierungswüste zur Digitalisierungsoase

Von der Digitalisie- rungswüste zur Digitalisierungsoase

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"Auf die Corona-Krise war die Bundesrepublik recht unvorbereitet", sagt Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb. Vor der Pandemie investierte der Staat zu wenig in die digitale Infrastruktur, Schulen und Hochschulen waren schlecht ausgestattet. Zudem spezialisierte sich die deutsche Industrie in den vergangenen Jahrzehnten weiter auf die Produktion nicht-digitaler Technik. Die Abendveranstaltung "Von der Digitalisierungswüste zur Digitalisierungsoase" der Akademie für Politische Bildung und der Regionalagentur gwt Starnberg GmbH hat den Stand der Digitalisierung und die Umsetzung digitaler Bildung beleuchtet. Dabei stand die Region StarnbergAmmersee im Fokus der Diskussion.

Digitalisierung in Deutschland und deren Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft

Yasmin Weiß von der Technischen Hochschule Nürnberg zeigte, welche Chancenpotentiale die Digitalisierung hat. Zu ihren Visionen für 2030 zählt, dass neue Technologien als "Game Changer" akzeptiert und anerkannt werden. Europa soll als internationaler Talentmagnet fungieren und junge, gut ausgebildete und innovative Menschen aus aller Welt anziehen. Die Digitalisierung müsse genutzt werden, um den Wirtschaftsstandort Europa attraktiver zu machen als die USA und China.

Dietmar Harhoff betont, dass die Digitalisierung Auswirkungen auf Nachhaltigkeit und Produktivität hat. Er zeigte den Zuhörerinnen und Zuhörern, wo Deutschland im Hinblick auf die Digitalisierung steht. Durch die Corona-Pandemie fand in Deutschland eine unfreiwillige Digitalisierung statt, denn Institutionen und Privathaushalte hatten keine andere Wahl, als auf digitale Angebote auszuweichen. Homeoffice, digitale Lehre, Internethandel und bargeldlose Bezahlung etablierten sich. Diese Umstellung verlief jedoch nicht ohne Probleme. Fehlende Hardware und Software, fehlendes Know-how, eine mangelnde Nutzerorientierung im Umgang mit der digitalen Technik und konservative Verhaltensmuster in Organisationen bremsen den Ausbau digitaler Angebote bis heute. Deshalb bezeichnet Dietmar Harhoff Deutschland im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung als "E-Government-Entwicklungsland". Die Bundesrepublik habe die Chancen der Digitalisierung noch nicht erkannt oder nicht ausreichend umgesetzt, mangele an Digitalkompetenz und es fehle der Wissenstransfer zur digitalen Arbeit.

Digitale Bildung in der öffentlichen Verwaltung

Dominik Golle von Bayern Innovativ meint: "Die Umsetzung von Digitalisierung in der Verwaltung wird eine lange Aufgabe, aber in Deutschland eine der entscheidenden." Benjamin Adjei, digitalpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, fordert eine Grundausbildung für die IT in Behörden. Diese soll den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Angst vor der Digitalisierung nehmen. Als ein zentrales Problem sieht er, dass Kommunen je nach Standort und Größe mehr oder weniger Geld und Personal zur Verfügung stehen. Während die Landeshauptstadt München ein ganzes IT-Referat unterhält, haben kleinere Gemeinde nicht mal eine Vollzeitstelle für das Aufgabengebiet.

Eine weitere Hürde in der Umsetzung einer digitalen Verwaltung seien nicht klar zugewiesene Zuständigkeiten, ergänzt Akademiedirektorin Ursula Münch. Während Bund und Länder E-Government predigen, fällt die Umsetzung in den Kommunen schwer. Alleine die unterschiedliche Softwarenutzung von Bundesland zu Bundesland stellt eine große Hürde dar. Ursula Münch appelliert, die Kommunen zu entlasten. Sie bekommen immer mehr Arbeit hinzu, aber keiner nimmt ihnen Aufgaben ab. Der Starnberger Landrat Stefan Frey beklagt zudem den bürokratischen Aufwand. Es müsse viel weniger Vorschriften geben, die den digitalen Wandel bremsen.

Die Bedeutung digitaler Bildung

Nicht nur die Verwaltung braucht Nachhilfe in Sachen Digitalisierung. Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen digital geschult werden. Digitale Bildung beinhalte alles, was man braucht, um im digitalen Alltag erfolgreich und bewusst agieren zu können, sagt Yasmin Weiß. Menschen benötigen im Technologiezeitalter Sozialkompetenz, um sich von Künstlicher Intelligenz abzugrenzen, Selbstkompetenz, um sich eigener Werte, Stärken und Schwächen bewusst zu sein, sowie das Wissen und die Fähigkeit, die eigene Identität im Netz zu schützen. Der erste Schritt zum Verständnis der digitalen Welt ist für Yasmin Weiß die Akzeptanz der Digitalisierung. Deshalb müssen Megatrends besser erklärt werden und ein Grundverständnis von IT und neuen Schlüsseltechnologien in der Bildung verankert werden.

Christian Tabernig von der Lobster DATA GmbH in Tutzing ist der Meinung, dass man zunächst mehrere kleine Schritte in Richtung Digitalisierung gehen muss, um Erfolg zu haben und den digitalen Wandel voranzutreiben. Für Dominik Golle, der bei Bayern Innovativ auch für den Digitalplan 2030 zuständig ist, ist die Verbesserung der digitalen Infrastruktur im gesamten Bildungsbereich ausschlaggebend. Dafür sind Stellen notwendig, die bei der Umsetzung unterstützen. Es gibt zahlreiche außerschulische Bildungsprojekte, die der breiten Bevölkerung unbekannt sind. Dominik Golle appelliert an die Politik, solche Projekte langfristig zu finanzieren, denn Digitalisierung birgt auch Potential für den Klimaschutz und den Umweltschutz. Dazu benötigt es jedoch mehr Kooperation zwischen Staat, Gesellschaft und Organisationen.

Digitale Bildung an bayerischen Schulen

Wer also soll die digitale Bildung übernehmen? Yasmin Weiß glaubt, dass sich das Bildungssystem gar nicht so schnell an die Digitalisierung anpassen kann. Ihrer Meinung nach ist auch die Familie eine wichtige Institution für digitale Bildung, in der Wissen weitergegeben wird. Es müsse nicht alles auf die Schule abgewälzt werden. Dem widerspricht Benjamin Adjei. Er ist der Meinung, dass digitale Bildung in der Familie eine soziale Frage darstelle. Wenn die Aufgabe auf die Familie übertragen wird, wird ein Teil der Schülerinnen und Schüler abgehängt. Durch die Schule jedoch erreiche man alle, auch wenn der Wandel hin zur Digitalisierung langsamer vorangeht. Dietmar Harhoff appelliert: "Die Familie darf nicht als Ausgleich für schlechte staatliche Leistung gelten!"

Für die digitale Schule sind drei Akteure verantwortlich: Kommunen, Länder und Bund. Auch nach dem Digitalpakt bleiben die Zuständigkeiten schwierig. Zwar darf der Bund seit 2018 den Ausbau digitaler Angebote in der Bildungspolitik der einzelnen Bundesländer fördern, entscheiden, in welche Projekte das Geld fließt, kann er aber nicht. Außerdem mangelt es den meisten Schulen nicht nur an der technischen Ausstattung, sondern auch am Personal, um diese zu verwalten. Aktuell rechnet der Freistaat Bayern einer Lehrkraft pro Schule zwei Wochenstunden für die Betreuung der gesamten IT an. Ab 2026 übernimmt der Freistaat zumindest die Hälfte der Kosten für IT-Personal an Schulen, den Rest zahlt die Kommune. Benjamin Adjei fordert deshalb flächendeckend IT-Personal für Schulen, das vom Bundesland bezahlt wird. Nur so könne digitale Bildung gewährleistet werden.

Digitalisierung in der Region Starnberg

Im Landkreis gibt es neben digitaler Bildung an Schulen seit einigen Monaten auch das BayernLab Starnberg. Landrat Stefan Frey lobt das Schulungszentrum, an dem jungen Menschen Innovationen näher gebracht werden. Er sieht den Landkreis auf einem guten Weg in Richtung Digitalisierung. Es gebe zwar noch Funklöcher, aber in Schulen und deren Ausstattung investiere man viel Geld, um neue Formate des Unterrichtens zu schaffen.

Akademiedirektorin Ursula Münch findet, dass der Landkreis im bundesweiten Vergleich nicht schlecht dasteht. Die gwt Starnberg hat zum Beispiel gerade das Projekt "Fit for Future" ins Leben gerufen, das Unternehmen vor Ort bei Digitalisierungsprojekten berät. Natürlich gebe es aber immer noch einiges zu tun, findet Ursula Münch. Für sie ist die Region StarnbergAmmersee deshalb beides: Digitalisierungswüste und Digitalisierungsoase.

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