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Digitales Lernen und Lehren in der Corona-Krise

Wie die Digitalisierung die Bildung verändert

Die Corona-Krise hat die Bildung verändert: Im ersten Lockdown wechselten Schulen und Universitäten innerhalb kürzester Zeit in den Distanzunterricht - oft ohne ausreichende technische Ausstattung und Medienkompetenz auf beiden Seiten. Wie sich die digitale Bildung für Lernende und Lehrende seitdem entwickelt hat, haben Expertinnen und Experten aus Theorie und Praxis auf der Tagung "Digitales Lernen und Lehren in der Corona-Krise" diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 30.03.2021

Von: / Foto: iStock/sam thomas

Programm: Digitales Lernen und Lehren in der Corona-Krise

Digitales Lernen und Lehren in der Corona-Krise

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Die Corona-Krise hat Bildungsstätten von der Kita bis zur Universität über Nacht in die digitale Transformation geworfen. Für Lehrenden und Lernenden kam die neue Situation unvorbereitet. Sie mussten von heute auf morgen - oft mit völlig unzureichender technischer Ausstattung - neue Formate des Lernens und Lehrens erproben. Ein Jahr nach dem Corona-Lockdown gibt es Zwischenergebnisse dieses Prozesses - auch aus ersten Forschungen. In der Tagung "Digitales Lernen und Lehren in der Corona-Krise" haben wir zusammen mit der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM) im Deutschen Evangelischen Frauenbund Landesverband Bayern e.V. und Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Bildungspraxis eine erste Bilanz gezogen: Wie hat die Digitalisierung die Bildung verändert?

Social Media verändert private und gesellschaftliche Kommunikation

Franz Josef Röll, Emeritus für Neue Medien und Medienpädagogik an der Hochschule Darmstadt, ging das Thema - jenseits der aktuellen Corona-Situation - sehr grundsätzlich an. Die aktuelle private und gesellschaftliche Kommunikation sei gekennzeichnet durch "Gegenwartsschrumpfung, Verkürzung der Zeiträume und eine Steigerung der Verfallsraten". Seit 2003 - dem Beginn der "Social-Media-Kultur - sei alles viel schneller und kurzlebiger geworden. Es drohe ein Kontrollverlust: "Wer nicht mitmacht, ist draußen." Oder auch: "Ich poste, also bin ich." Wir seien abhängig von den Algorithmen der Internetkonzerne, "die wir aber nicht verstehen."

Die Person des Lehrenden ändere sich: Das Lernen der Zukunft sei ein gegenseitiges Lernen mit Selbststeuerung. Dazu brauche es auch ein neues Design der Räume. Die Schule müsse "kollaborative Klassenräume" bekommen mit einer "hybriden Lernumgebung", die zwischen digitalen und analogen Formaten wechseln.

Corona-Krise zeigt Probleme beim digitalen Lernen

Neueste Forschungsergebnisse zum digitalen Lernen, die auch bereits den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 einbeziehen, präsentierte der Münchner Bildungsforscher Karsten Stegmann. Bayerische Lehrkräfte gaben 2019 noch an, 53 Prozent ihres Unterrichts mit digitalen Medien zu gestalten. Schülerinnen und Schüler sahen das übrigens anders: Sie meinten, dass nur 26 Prozent des Unterrichts mit digitalen Medien stattfanden. Im Lockdown im Frühjahr 2020 fanden dann wegen der geschlossenen Schulen 100 Prozent des Unterrichts digital statt. Digitale Medien verändern die Lernsituation; das Lernmaterial und die Lernaktivitäten werden beeinflusst. Stegmann bemängelte aktuell eine mangelnde Vernetzung von Fakten sowie eine geringe Anwendbarkeit des Gelernten. Die Folge sei ein zunehmender "Interessensverfall" über die Jahrgangsstufen hinweg. Schule müsse von der Konzeptorientierung zur Vermittlung von vernetztem Wissen kommen. Digitale Medien könnten - richtig eingesetzt - das Lernen von Schülerinnen und Schülern fördern. Die Pandemie habe die Vernachlässigung der Kompetenzen zum selbstgesteuerten Lernen deutlich sichtbar gemacht.

Digitale Bildung in Schulen und Kitas

Praxisberichte für digitale Bildung aus verschiedenen Bildungseinrichtungen und Altersstufen ergänzten das Programm. Claudia Weiß, Fachdienstleiterin für Kindertageseinrichtungen der Caritas in der Erzdiözese München und Freising, hob hervor, dass es das Ziel sei, Kinder zu befähigen, digitale Kompetenzen zu erwerben, um sich später reflektiert und kritisch mit den Themen auseinandersetzen zu können. Digitale Medien müssten pädagogisch sinnvoll eingesetzt und die Eltern informiert und einbezogen werden.

Christa Gmeiner, Medienpädagogin an der staatlichen Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen, bot eine Bestandsaufnahme digitaler Bildung an bayerischen Schulen. Nach den ersten Schulschließungen im März 2020 gingen Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler ohne Vorwarnung und Vorbereitungszeit in einen vollständigen Distanzunterricht. Dabei gab es große Unterschiede zwischen den Schulen. Vor allem in Grund- und Mittelschulen hatten die Schülerinnen und Schüler oft keine digitalen Endgeräte (zwischen zwölf und 16 Prozent). Dazu kamen häufig Probleme mit den Internetverbindungen. "Manche Schülerinnen und Schüler tauchten regelrecht ab", sagte die Dillinger Medienpädagogin. Schwierigkeiten der ohnehin Benachteiligten verschärften sich. Im Lauf des Jahres 2020 wurde die Technik weiterentwickelt: Schülerleihgeräte wurden etappenweise angeschafft und nach sozialen Kriterien verteilt. Mebis wurde und wird ausgebaut, ist aber als asynchrone Lernplattform für synchronen Unterricht allein nicht ausreichend. Inzwischen gibt es Ergänzungen zu Mebis. Lehrerdienstgeräte sind jetzt für etwa 20 Prozent der Lehrkräfte vorhanden, weitere 85.000 Geräte sind beantragt.

Digitale Bildungsangebote für alle Altersgruppen

Das Infocafe ist eine medienpädagogische Jugendeinrichtung der Stadt Neu-Isenburg. Sozialarbeiter Stephan Schölzel umriss das Konzept: "Wir geben Orientierung in virtuellen Welten. Ziel ist es, Medienkompetenz zu vermitteln." Kinder und Jugendliche zwischen neun und 21 Jahren bekommen dort die Gelegenheit, Medien und deren Inhalte entsprechend den eigenen Zielen und Bedürfnissen effizient zu nutzen, aktiv zu gestalten und so ein verantwortungsbewusstes Verständnis für sie zu entwickeln. Die Pädagogen sind Ansprechpartner und achten auf die Einhaltung des Jugendmedienschutzes. Die Auseinandersetzung mit Computerspielen und dem kreativen Herausarbeiten von neuen Inhalten soll präventiv einem exzessiven Medienkonsum vorbeugen. Gewalt in Computerspielen ist ebenfalls ein Thema der medienpädagogischen Arbeit.

Ingrid Martin von der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb) sprach über den bereits seit 20 Jahren bestehenden gemeinsamen virtuellen Campus von 32 bayerischen Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Es gibt drei Formate: In Classic vhb stehen 580 Kurse mit Leistungsnachweis und Betreuung durch Tutoren. Für Studierende werden komplette Online-Lehrveranstaltungen bereitgestellt mit zwei bis vier Semesterwochenstunden. In Smart vhb stehen rund 1.200 Lerneinheiten, 700 sind in der Entwicklung. Sie sind flexibel einsetzbar und in sich geschlossen. In Open vhb gibt es 70 Angebote, die für alle Interessierten frei und kostenlos zugänglich sind.

Die Medienpädagogin und Kommunikationsforscherin Sabine Jörk von der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM) stellte das Projekt "Digital Kompass" vor. 2015 startete es mit der Entwicklung einer Website speziell für Senioren, die 2016 online ging. Sie beinhaltet kostenfreie Angebote rund um das Internet: Materialien, aber auch digitale Stammtische. Sie können online oder in einem hybriden Format stattfinden. Im Angebot sind: Erfahrungsaustausch, Schulungen, Sprechstunden, Materialien, Vorträge, Kurse und Workshops. Pro Quartal werden Schwerpunktthemen präsentiert wie zum Beispiel Gesundheit, Geld oder Mobilität.

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