Zehntklässler gestalten die Zukunft
Ideenwerkstatt zu Populismus, Propaganda, Plastik und Datensicherheit
Fridays For Future, der Protest gegen die Urheberrechtsreform der EU, das Video des YouTubers Rezo: Die Themen des öffentlichen Diskurses werden jünger. Eine Generation von "Digital Natives", von denen manche vermutet hatten, sie würden sich ausschließlich für das eigene Instagram-Profil interessieren, politisiert sich. In der Ideenwerkstatt "Zehn für Zukunft" erarbeiten Zehntklässler Lösungsansätze für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen.
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 03.06.2019
Von: Jakob Irler / Foto: Beate Winterer
Programm: Tutzinger Schülerforum: Ideenwerkstatt "Zehn für Zukunft"
YouTube-Video
Schon der Titel des Schülerforums "Zehn für Zukunft" erinnere sofort an die Fridays for Future, sagt Susanne Raab von der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Oberbayern-West, die das Schülerforum zusammen mit der Akademie für Politische Bildung und dem Gymnasium Tutzing veranstaltet. Der Name der Ideenwerkstatt stand zwar schon vor dem Klimastreik fest. Doch auch hier steht die Mitbestimmung und Gestaltung der eigenen Zukunft im Mittelpunkt. Deshalb nehmen die Zehntklässler die Organisation der Tagung selbst in die Hand. Vier Vorbereitungsteams hatten Workshops für die Teilnehmer erarbeitet.
Datensicherheit im Netz - Risiken und Präventionsmöglichkeiten
Mit Datensicherheit im Internet beschäftigte sich die Gruppe des Gymnasiums Tutzing: Gleich zu Beginn wurde den Teilnehmern Bögen mit äußerst privaten Fragen vorgelegt. Später bekamen die Schülerinnen und Schüler anhand der daraus entstandenen Persönlichkeitsprofile personalisierte Werbeangebote. Viele stellten erst im Nachhinein fest, wie freigiebig sie mit persönlichen Informationen umgegangen waren. Welche Macht das Sammeln von Daten im Internet hat, zeigte außerdem Kriminalhauptmeister Paul Sepp von der Kripo Fürstenfeldbruck, der als IT-Forensiker durch digitale Spurensuche Verbrechen aufklärt.
Der Einfluss von Propaganda im 20. Jahrhundert und heute
Die Gymnasiasten aus Starnberg betrachteten Propagandaformen im 20. Jahrhundert und verglichen sie mit Phänomenen des Internets. Johannes Uschalt von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit lieferte mit dem "Zerstörungsvideo" des YouTubers Rezo gegen die CDU ein Anschauungsobjekt, anhand dessen die Grenzen von Meinungsäußerung und Propaganda kontrovers diskutiert wurden. Die Schüler schufen schließlich die Skulptur einer personifizierten Propaganda, die die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht bringt und die Individualität des einzelnen zunichtemacht. Das Kunstwerk wandert in den kommenden Wochen von der Akademie für Politische Bildung an die Gymnasien in Tutzing und Starnberg.
Populismus und die Rolle der Sozialen Medien
Populismus war das Thema des Workshop des Gymnasiums Markt Indersdorf. Das Vorbereitungsteam hatte die beiden Redakteurinnen Maraike Mirau und Janina Zillekens zu Gast. Zum Abschluss durften die Schüler auf deren Instagram-Kanal jamsnews_ selbst Inhalte zum Thema veröffentlichen.
Umweltverschmutzung durch Plastikmüll
Beim Workshop der Gruppe des Feodor-Lynen-Gymnasiums Planegg drehte sich alles um das Problemthema Plastikmüll. Die Schülerinnen hatten die Autorin Manuela Gaßner eingeladen, die als Zero-Waste-Aktivistin für Abfallvermeidung eintritt. Neben der Frage, wie jeder für sich Plastikkonsum reduzieren kann, beschäftigte sich die Gruppe mit den politischen Zusammenhängen: So erarbeiteten die Schüler ein Manifest mit Forderungen wie dem Aufstellen von Trinkwasserspendern, das sie vor Landtagsabgeordneten verlasen.
Podiumsdiskussion mit Landtagsabgeordneten
Diese nahmen die Wünsche der Schüler positiv auf. Florian Ritter (SPD) trat dafür ein, beim Mikroplastik „auch einmal den Weg des Verbots zu gehen". Weniger einig waren sich die Politiker, als die Schüler bei der Podiumsdiskussion nachhakten, warum dennoch gerade auf dem Gebiet des Umweltschutzes so wenig Fortschritt zu erkennen sei. Während Susann Enders (Freie Wähler) auf die Notwendigkeit zum Kompromiss in einer Koalition hinwies, forderte Ritter die Schüler auf, durch den "Druck von der Straße" Veränderungen herbeizuführen. Christoph Henzler, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Oberbayern-West, bedauerte, dass die Schüler angesichts der Betreuungspflicht nicht für die Klimastreiks befreit werden könnten. Enders entgegnete jedoch, dass das Bildungsministerium die Entscheidungsgewalt den Schulen überlasse.
Auch über die Idee der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre wurde intensiv debattiert. Benjamin Adjei (Grüne) warf den Freien Wählern vor, einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu blockieren und sieht das Problem bei der älteren Generation: "Manche tun sich eben schwer damit, Macht abzugeben." Einigkeit herrschte unter den Abgeordneten dagegen im Lob auf die politisch interessierten Schüler. Enders forderte sie auf, sich weiterhin für die Gestaltung ihrer Zukunft zu engagieren: "Denn die über 60 haben's eh bald geschafft."