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Bodenschutz und Landwirtschaft

Der scheinbare Konflikt zwischen Klimapolitik und Ernährungssicherheit

Böden gehören zu den größten Kohlenstoffspeichern der Welt. Ihr Schutz ist unerlässlich, um den Klimawandel zu stoppen. Doch Bodenschutz steht oft im Konflikt mit der Landwirtschaft, die Flächen düngt und entwässert, um möglichst viel aus ihnen herauszuholen. Warum Bodenschutz und Landwirtschaft kein Widerspruch sein müssen und wie wir unsere Klimaziele erreichen, war Thema der Tagung "Boden als Schlüssel zur ökologischen Nachhaltigkeit" der Akademie für Politische Bildung und der Petra-Kelly-Stiftung.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 12.04.2024

Von: Beate Winterer / Foto: Beate Winterer

Programm: Boden als Schlüssel zur ökologischen Nachhaltigkeit

Boden als Schlüssel zur ökologischen Nachhaltigkeit

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"Erfolgreiche Klimapolitik setzt Bodenschutz voraus", sagt Jes Weigelt von TMG Research. Böden sind nach den Ozeanen der größte Kohlenstoffspeicher der Welt. Sie nehmen mehr klimaschädliches CO2 auf als Wälder. Unter anderem durch Zwischenfrüchte, Agroforstsysteme und Grünlandmanagement lassen sich diese Speicherkapazitäten noch ausbauen. Doch Bodenschutz steht häufig im Konflikt mit der Landwirtschaft, die an einer möglichst effektiven Landnutzung interessiert ist. Über Lösungsmöglichkeiten für das Dilemma haben Expertinnen und Experten im Rahmen der Tagung "Boden als Schlüssel zur ökologischen Nachhaltigkeit" der Akademie für Politische Bildung und der Petra-Kelly-Stiftung diskutiert.

Effiziente Nutzung der begrenzten landwirtschaftlichen Fläche

"Nutzbares Land ist streng limitiert", sagt Weigelt. Nur 71 Prozent der globalen Landfläche ist für die Landwirtschaft verfügbar. Der Rest ist karg oder mit Eis bedeckt. Nach Abzug der bebauten Fläche bleiben noch 46 Prozent des weltweiten Bodens für die Landwirtschaft übrig. Davon ist allerdings bereits ein Drittel degradiert, also in seiner Funktionsfähigkeit eingeschränkt, beispielsweise durch Erosion, Versauerung, Versalzung, chemische Verunreinigung oder Versiegelung. In Afrika sind es sogar 65 Prozent. Nur 23 Prozent des landwirtschaftlichen Grunds weltweit werden für Ackerbau genutzt, die übrigen 77 Prozent für die Viehzucht. Eine fleischarme Ernährung macht also Flächen für andere Nutzungen frei und sichert die Ernährung der Zukunft.

Silke Bollmohr vom INKOTA-netzwerk empfiehlt, Mischkulturen zu pflanzen. Ein Klassiker sind "die drei Schwestern" Kürbis, Bohne und Mais. Bohnen geben dem Boden Stickstoff, die Kürbisblätter helfen gegen Verdunstung und Mais ist eine gute Rankhilfe. Tobias Witte vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kann sich für eine effiziente Bodennutzung auch sogenannte Agri-Photovoltaikanlagen vorstellen. Das sind Solarpanele zur Stromerzeugung, unter denen zum Beispiel Obst oder Reis angebaut werden. Die Anlagen spenden den Pflanzen Schatten und sammeln teilweise sogar Regenwasser zur Bewässerung. "Freiflächenphotovoltaikanlagen auf einem Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche reichen bereits aus, um die Energieziele zu erreichen", betont der Experte für Bodenschutz. Er schlägt vor, dafür besonders beanspruchte Flächen zu nutzen.

Maßnahmen gegen Bodenerosion und Bodenüberdüngung

Dem Problem der Bodenerosion will Witte unter anderem mit Hecken zwischen Äckern begegnen. Sie bremsen den Wind und hindern ihn daran, Bodenmaterial abzutragen. Gleichzeitig bieten sie Lebensraum für Tiere. Alois Heißenhuber, emeritierter Professor für Wirtschaftslehre des Landbaues an der Technischen Universität München-Weihenstephan, betont die externen Kosten, die mit der Wiederherstellung erodierter Böden verbunden sind und die die Allgemeinheit trägt. Würden sie internalisiert, also in die Lebensmittelpreise eingerechnet, würden diese extrem steigen. "Reparieren ist teurer als vermeiden", lautet deshalb sein Fazit.

Gegen die chemische Verunreinigung der Böden durch Überdüngung helfen laut Witte vor allem zielgerichtete Subventionen, die Bodenschutz attraktiver machen. Denn der Getreideertrag ist seit den 1990er-Jahren kaum gestiegen, während sich der Düngemitteleinsatz mehr als verdoppelt hat. "Manche Böden reagieren kaum noch auf Dünger", sagt Agrarökonom Weigelt. Der Hunger in der Welt lasse sich so nicht bekämpfen, betont Silke Bollmohr. Durch andere Fruchtfolgen und ein sinnvolles Düngemittelmanagement könnten effizientere Erträge erzielt werden. Herstellung und Ausbringung der Düngemittel ist zudem sehr energieintensiv. Die Düngemittelpreise wiederum treiben die Nahrungsmittelpreise nach oben und belasten die Staatshaushalte im globalen Süden, die die Subventionen für Düngemittel tragen. "Wir können nicht unendlich lange Mineraldünger auf den Boden schmeißen und hoffen, dass es so geht", ist Tobias Witte überzeugt. Er wünscht sich, dass die Europäische Union den Umweltschutz in ihrer Gemeinsamen Agrarpolitik fördert. "Die Verantwortung darf nicht beim guten Willen einzelner Landwirte liegen."

Moore als größte Kohlenstoffspeicher Deutschlands

Dasselbe gilt für den Schutz der Moore. Inka Dewitz von der Heinrich-Böll-Stiftung sieht in der Förderung von Ackerbau auf entwässerten Mooren falsche Anreize. Denn Moore bestehen zu einem großen Teil aus Kohlenstoff. Auf kleinem Raum speichern sie viel mehr davon als Wälder. Entwässerte Moore sind wiederum regelrechte CO2-Schleudern und verursachen in Deutschland etwa sieben Prozent der Treibhausgase. Produkte, die darauf angebaut werden, hinterlassen einen großen CO2-Fußabdruck. Mit diesen Klimafolgekosten beschäftigen sich Politik und Gesellschaft laut Dewitz noch zu wenig. In Deutschland nehmen Moore etwa fünf Prozent der Landfläche ein und wären theoretisch die größten Kohlenstoffspeicher, die unser Land besitzt. Ein Großteil der Moore ist allerdings nur noch an den Entwässerungsgräben erkennbar. Hier will Dewitz ansetzen. "Wiedervernässen ist technisch nicht kompliziert. Oft reicht ein einmaliger Rückbau der Entwässerungsstrukturen", sagt sie. Deutschlands gesetzte Klimaziele seien kaum anders zu erreichen, als alle entwässerten Flächen wiederzuvernässen. Pro Jahr müsste die Landwirtschaft etwa 50.000 Hektar Moorlandschaft renaturieren, umgerechnet 70 Fußballfelder.

Investitionen in Naturkapital

Auch Martin R. Stuchtey von der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck hält es für unumgänglich, neue Kohlenstoffspeicher zu finden, um den Klimawandel zu stoppen. Er beobachtet seit den 1980er-Jahren ein Missverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Wachstum und der Entwicklung des humanen Wohlstands. "Wir wachsen uns arm", fasst er zusammen. Das liege daran, dass unser derzeitiges Wirtschaftssystem die natürliche Welt marginalisiere. Täglich werde "Naturkapital", wie Stuchtey es nennt, abgebaut. "Die Mutter aller Marktversagen ist, wie wir Landnutzung betreiben. Die Natur ist die einzige Infrastrukturkategorie, in die wir nicht reinvestieren", sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Geologe.

Deshalb hat er mit seiner Frau Sonja das Startup The Landbanking Group gegründet, ein "Nature Think Tank", wie er sagt. Das Unternehmen hat sich auf Sustainable Finance spezialisiert und will Naturkapital wie Boden oder Wasser investierbar machen und somit Kapitalströme in die Erhaltung der Natur umleiten. In Zukunft sollen Landwirtinnen und Landwirte sowie Landbesitzerinnen und Landbesitzer Naturkapital anbieten und Unternehmen in dieses Naturkapital investieren. "Naturkapital ist eigentlich mehr wert als Gold", sagt Stuchtey. Langfristig träumt er von ökologischen Personalausweisen, naturbasierten Währungen und Naturkapitalkonten. Die Bodenqualität könnte dann eine große Rolle spielen. Denn je gesünder ein Stück Erde auf so einem Konto ist, desto höher ist sein Wert.

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