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Medienschaffende diskutieren über Journalismus im digitalen Zeitalter / Von Ausbildung bis Best Practice
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 18.06.2016
Von: Sebastian Haas
# Medien, Digitalisierung
Die Digitalisierung stellt journalistische Arbeitsweisen – wenn nicht sogar das journalistische Selbstverständnis – in Frage. Ein Journalist soll immer mehr Themen in immer weniger Zeit bearbeiten können, am besten gleichzeitig in Print-, Audio- und Videoformaten. Dabei soll er tiefer bohren als die Konkurrenten, schneller und öffentlichkeitswirksamer sein. Unmöglich?! In der Akademie für Politische Bildung haben mehr als 50 Journalistinnen, Journalisten und Medienwissenschaftler über das Sichern journalistischer Qualität in Zeiten von Beschleunigung, Nachrichtenflut und Pushbaiting, über Recherche im Web und den Schutz von Informanten sowie über die Folgen der Digitalisierung für die Journalistenausbildung diskutiert. Außerdem haben sie erörtert, wie sich Print, Online und Soziale Medien sinnvoll ergänzen können - am Beispiel ausgezeichneter Projekte.
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Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing
Professor Ralf Hohlfeld, Inhaber des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Passau, wartete mit drei Thesen auf: 1.) Journalismus hat ein Qualitätsproblem. 2.) Journalismus hat ein Qualitätssicherungsproblem. 3.) Journalismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Im Anschluss diskutierten die Medienjournalistin Petra Sorge (CICERO) und Joachim Braun, Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse, mit Hohlfeld über dessen Thesen. Die Richtung der Diskussion bestimmte Joachim Braun mit seinem Einstiegsstatement: „Wenn der Journalismus kein Qualitätsprobleme hätte, wäre das wirtschaftliche Problem kleiner. Die Menschen zahlen doch für Geschichten, die sie berühren und die sie weiterbringen – sie erkennen journalistische Leistung an.“
Aufs Podium der Akademie traten außerdem: Holger Schellkopf, stellvertretender Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung und zugleich verantwortlich für deren Onlineportal, und Tobias Köhler, Leiter Strategie und Innovation bei der Südwestdeutschen Medienholding. Sie diskutierten über die Entwicklung und Organisation der (Online-)Redaktionen, über die Ausbildung junger Redakteure und die Erwartungen des Publikums. Drei Gewinner des Deutschen Lokaljournalistenpreis bzw. des Grimme Online Awards stellten sich und ihre Projekte vor:
- die Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung mit ihrem Geothermie-Infopaket „Zerreißprobe“
- der Newsletter „Checkpoint“ des Tagesspiegel
- die ehrenamtlich produzierte Online-Zeitschrift neukoellner.net
Konsequenzen für die Journalistenausbildung
Wie die Volontärsausbildung vor allem im Digitalen funktionieren kann, erläuterte Christine Schröpf, Leitende Redakteurin für Landespolitik und Ausbildung bei der Mittelbayerischen Zeitung. Ihre Conclusio ist so einfach wie wahr: „Digitale Ausbildung funktioniert nur in Häusern mit digitalem Gesamtkonzept“ – und sie muss im Berufsalltag stattfinden, Schwierigkeiten in der Bedienung und mit der Umsetzung müssen erlaubt sein, die Ideen und Erfahrungen der Jungen sollten gehört werden. Auch Clemens Finzer, Leiter der Ausbildungsredaktion des Bayerischen Rundfunks, weiß: die Anforderungen und Erwartungen an die Volontäre werden nicht geringer. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, Technik zu erlernen und einzusetzen oder sich in arbeitsreichen Projekten einzubinden. Andreas Wolfers, Leiter der Henri-Nannen-Journalistenschulein Hamburg, setzt einen ähnlichen Schwerpunkt: Klassisches Handwerk – Recherche, Verifikation, Selektion, Einordnung, Text, Arbeitsteilung – steht bei ihm weiter im Zentrum der Ausbildung, ohne das Digitale zu vernachlässigen. Entscheidend für journalistisches Handeln bleiben: Schnelligkeit, Genauigkeit und Originalität.
Digitalisierung, Recherche und Kommunikation
Vanessa Wormer aus dem Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung ist eine ausgewiesene Expertin für Datenjournalismus und war an den Recherchen rund um die Panama Papers beteiligt. Sie diskutierte mit dem Investigativjournalisten Daniel Moßbrucker (er hat mit einer Story für Aufsehen gesorgt über die Unmengen von Daten, die er im Zuge einer Recherche verursacht hat) über das komplizierte Geflecht von digitaler Recherche, Daten und Informantenschutz.
Die ungeprüfte Übernahme von Quellen für die Berichterstattung kann für immense Probleme sorgen – wenn sich die Fotos oder Videos als gefälscht, sinnentstellt oder in falsche Zusammenhänge eingebettet herausstellen. Gudrun Riedl, stellvertretende Leiterin von BR24 (Bayerischer Rundfunk), und der Leiter des ARD-aktuell Content Centers Michael Wegener, erklärtenden Gästen in der Akademie, wie sie mit ihren Teams die Verifikation digitaler Quellen bewerkstelligen können. Zum Abschluss tauschten sich Regina Lechner von neukoellner.net und Kerstin Dolde, Leseranwältin der Frankenpost, darüber aus, dass Kommunikation nicht nur ein äußerst gewinnbringender, sondern in Zeiten der „Lügenpresse“ auch ein äußerst anstrengender Prozess sein kann.
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