Parteien, Wahlen und Parlamentarismus
Parteien, Wahlen und Parlamentarismus sind Grundpfeiler einer repräsentativen Demokratie. Sie gehören deshalb zu den Kernthemen der politischen Bildung, mit denen sich auch die Akademie für Politische Bildung auf vielfältige Weise auseinandersetzt.
Die Entwicklung der modernen Demokratien ist auf das Engste mit der Entstehung funktionsfähiger Parteien und Wahlen verbunden. Indem Parteien die Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen aufnehmen, zu einem kohärenten Programm verdichten und in den politischen Entscheidungsprozess einbringen, schaffen sie eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Volk politisch handlungsfähig wird. Parteien tragen somit dazu bei, dass alle Staatsgewalt tatsächlich vom Volke ausgehen kann.
Natürlich gibt es in einer Demokratie neben den Parteien noch andere Akteure und Verfahren, die Einflussmöglichkeiten auf die Politik eröffnen - etwa direktdemokratische Beteiligungsformen, aber auch Interessengruppen und Verbände -, und doch nehmen Parteien nicht nur durch ihre Aufnahme in das Grundgesetz eine Sonderstellung ein. Durch ihre Beteiligung an Wahlen streben sie nach Mandaten und Ämtern. Sie rekrutieren damit diejenigen, die Verantwortung in der Politik übernehmen, und sorgen aufgrund ihrer umfassenden Programmatik zugleich dafür, dass politisches Handeln nicht in eine Vielzahl unverbundener Einzelentscheidungen zerfällt. Kurzum: Parteien werden zu Recht als Rückgrat unseres Parlamentarismus charakterisiert.
Richtig ist aber auch, dass sich die Parteien und die Parteienlandschaft insgesamt in einem Wandel befinden. Während einerseits neue Parteien auf die politische Bühne treten und das Parteienspektrum damit vielfältiger wird, nimmt andererseits die Anzahl der Menschen, die sich in Parteien engagieren, seit Längerem deutlich ab. Diese Entwicklung ist Ausdruck der nachlassenden Bindekraft politischer Parteien und schlägt sich auch bei den Wahlen nieder. Durch das Abschmelzen der früheren Stammwählerschaft vieler Parteien sind Wahlergebnisse volatiler geworden - Wählerinnen und Wähler geben bei aufeinanderfolgenden Wahlen ihre Stimmen häufig unterschiedlichen Parteien; das führt zu mitunter hohen Gewinnen der einen und herben Verlusten der anderen Parteien. Gleichzeitig gelingt es heute deutlich mehr Parteien als früher, bei den Wahlen die Sperrhürden zu überwinden und in die Parlamente einzuziehen.
Die Veränderungen der Parteien, des Wahlverhaltens sowie des Parteiensystems führen damit auch zu einem Wandel des Parlamentarismus und der gesamten Politik. So erschwert die fragmentierte Parteienlandschaft nicht nur die Mehrheitsbildung in unserem parlamentarischen Regierungssystem, sondern stellt auch die Arbeitsfähigkeit der Parlamente insgesamt auf die Probe. Hinzu kommt, dass die zunehmende Komplexität politischer Herausforderungen zu einer Machtverschiebung von den Parlamenten hin zu den Regierungen und der Ministerialbürokratie führt; dieser Prozess ließ sich auch beim Umgang mit der Corona-Pandemie beobachten.
Die Akademie für Politische Bildung analysiert und debattiert diese Phänomene und Veränderungen in zahlreichen Tagungen, deren Ergebnisse häufig auch in Publikationen ihren Niederschlag finden. Der Blick richtet sich dabei nicht nur auf Parteien, Wahlen und Parlamentarismus in der Bundesrepublik Deutschland, sondern bezieht andere Länder in vergleichender Perspektive ein. Dabei arbeitet die Akademie eng mit renommierten Kooperationspartnern wie der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen oder dem Arbeitskreis Parteienforschung der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft zusammen. Zu den Aspekten des Themengebietes Parteien, Wahlen und Parlamentarismus, die dabei untersucht werden, gehören:
- Der Wandel der Parteienlandschaft, wobei sowohl einzelne Parteien als auch das Parteiensystem insgesamt analysiert werden.
- Das Verhältnis von Parteien und anderen intermediären Akteuren, insbesondere den neuen sozialen (Protest-)Bewegungen
- Der Parteienwettbewerb und die Parteiprogramme, also die prozessuale und die inhaltliche Dimension von Politik
- Wahlkämpfe und Wahlkampfkommunikation im analogen und digitalen Raum
- Erklärungsansätze für das Wahlverhalten und dessen Wandel, einschließlich der Rolle der Demoskopie und der Auswirkungen von Umfragen
- Die Funktionsweise verschiedener Wahlsysteme, deren Auswirkungen und Reformoptionen
- Fragen des Wahlrechts, unter anderem mit Blick auf ein Wahlrecht für Kinder und Jugendliche oder Einheimische ohne deutsche Staatsbürgerschaft
- Die Legitimation und Kontrolle politischer Macht
- Erklärungsansätze und Formen der Koalitionsbildung
- Das Verhältnis von Legislative und Exekutive im parlamentarischen Regierungssystem
- Die parlamentarische Gestaltungsmacht im Bund und in den Ländern
- Parlamente und Politikgestaltung in der Mediendemokratie
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Prof. Dr. Ursula Münch
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