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Die nächste industrielle Revolution

Chancen und Risiken der Digitalisierung für Arbeitsmarkt und Sozialsysteme

Die Digitalisierung könnte die nächste industrielle Revolution auslösen. Ihre Folgen: kaum absehbar. Gehen Arbeitsplätze verloren? Steigt die Produktivität? Was wird aus den Sozialsystemen? Gemeinsam mit Sozialwissenschaftlern und Vertretern der Wirtschaft und der Politik haben wir diese Fragen diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 08.04.2019

Von: Beate Winterer, Johanna Lennhoff

Programm: Arbeitsmarkt und Sozialsysteme im digitalen Wandel

Flickr APB Tutzing

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

Selbstfahrende Autos, menschenleere Fabriken, vollautomatisierte Logistik: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt grundlegend. Jürgen Helmes, Hauptgeschäftsführer der IHK Regensburg für Oberpfalz/Kelheim, spricht sogar von "der Schicksalsfrage für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Einen disruptiven Wandel erwartet Hartmut Hirsch-Kreinsen von der TU Dortmund jedoch nicht. "Vor allem der Mittelstand ist neuen Technologien gegenüber oft skeptisch, will unkalkulierbare Risiken verhindern und langlebige Investitionsgüter nicht vorzeitig austauschen", erklärt er. Die sogenannte Industrie 4.0, die Vernetzung von Produktionsanlagen und modernster Informations- und Kommunikationstechnologie, beginnt deshalb mit dem Einbau digitaler Technologien in bereits bestehende Strukturen.

Nicht weniger, aber andere Arbeitsplätze

Viele unserer heutigen Berufe werden aber nach und nach verschwinden - und damit auch Arbeitsplätze. An einen Beschäftigungseinbruch glaubt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg dennoch nicht. "Die Bilanz ist natürlich negativ, wenn man nur die eine Seite betrachtet. Aber man darf nicht übersehen, was auf der anderen Seite entsteht: neue Produkte und Dienstleistungen, höhere Anforderungen an den Datenschutz und Möglichkeiten, individuellere Kundenwünsche zu erfüllen. Das alles schafft Arbeitsplätze", sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Allerdings entstehen neue Jobs nicht unbedingt auf der gleichen Qualifikationsstufe, auf der die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet. Holger Bonin vom IZA Institute of Labor Economics in Bonn spricht von einem "qualifikatorischen Mismatch". Vor allem unter Facharbeitern könnte die Arbeitslosigkeit steigen - außer sie bilden sich rechtzeitig weiter.

Was wird aus dem Sozialstaat?

Steigende Arbeitslosigkeit, aber auch das Verschwimmen von Länder- und Betriebsgrenzen in der digitalen Welt haben Einfluss auf den Sozialstaat, da seine Finanzierungsgrundlage wegbricht oder nicht mehr nachvollziehbar ist. Zwar leben laut Hans J. Pongratz von der LMU München noch kaum Deutsche von Crowdworking auf Online-Plattformen wie Upwork oder Clickworker, ihre Zahl könnte in den kommenden Jahren aber steigen. "So könnte aus prekärer Beschäftigung prekäre Selbstständigkeit werden - und zwar ohne soziale Absicherung", sagt Bonin. Dennoch birgt die Digitalisierung auch Chancen für den Sozialstaat: eine Verlängerung des Erwerbslebens durch geringere Gesundheitsrisiken und neue Jobs für Menschen mit Behinderung, die nicht mehr zwangsläufig mobil sein müssen. Und auch Martina Heßler von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg sieht in der aktuellen industriellen Revolution einen Vorteil gegenüber früheren Umbrüchen: Es gibt bereits ein soziales Sicherungssystem und dieses lasse sich gestalten. Markus Müller vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales betont, das Ministerium arbeite daran, die Gesetzgebung auf die Arbeitsformen der Zukunft anzupassen.

Smart Cities als Zukunft von Wohnen, Arbeiten und Verwalten

Wie Wohnviertel, Arbeitsplätze und Stadtverwaltung einmal aussehen könnten, stellten Peter Jakubowski vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt-und Raumforschung in Bonn und Steffen Braun vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart unter der Überschrift "Smart Cities" vor.

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