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Bedrohte Demokratien in Osteuropa

Was bedeutet das für Frauenrechte und Medienfreiheit?

Europa sieht sich mit dem Erstarken autoritärer Kräfte konfrontiert, sowohl innerhalb als auch außerhalb der eigenen Reihen - eine Gefahr für Demokratie und Frauenrechte. Auf der Tagung "Nach Osten blicken - Neues entdecken: Politik, Gesellschaft und die Rolle der Frauen in einer Schlüsselregion Europas" in Kooperation mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) Landesverband Bayern e.V. und den Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) haben sich Expertinnen und Experten mit der Situation und Rolle der Medien in Osteuropa, sowie der Darstellung von Frauen in Russland und der Ukraine beschäftigt.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 07.10.2025

Von: Yannick Hadré / Foto: Yannick Hadré

Programm: Nach Osten blicken - Neues entdecken!

Nach Osten blicken - Neues entdecken!

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Viele osteuropäische Länder erleben ein Erstarken autoritärer Kräfte. Serbien, Ungarn und Russland sind nur einige Vertreter einer langen Liste von Ländern, in denen die Demokratie akut gefährdet ist oder bereits durch ein autoritäres Regime ersetzt wurde. Auf der Tagung "Nach Osten blicken - Neues entdecken: Politik, Gesellschaft und die Rolle der Frauen in einer Schlüsselregion Europas" in Kooperation mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) Landesverband Bayern e.V. und den Evangelischen Frauen in Bayern (EFB) berichteten Expertinnen und Experten über Frauen als Akteurinnen in Gesellschaft und Medien in Osteuropa und erklärten, warum eine lebendige und engagierte Zivilbevölkerung so wichtig für eine funktionierende Demokratie ist.

Die Macht der Medien

Eine große Rolle in demokratischen Gesellschaften spielen die Medien. Sie dienen als Kontrollinstanz des Staatsapparats und sollen so Demokratien zusätzlich stabilisieren. Für Regierungen auf dem Weg in die Diktatur sind sie daher eines der ersten Angriffsziele, um den freien Fluss von Informationen an die Bevölkerung zu unterbinden. Doch nicht immer muss der Staat die Medien direkt kontrollieren. Marc Stegherr von der LMU München erklärt, dass obwohl zum Beispiel in Serbien etwa 80 Prozent der Medien als regierungshörig einzustufen sind, die meisten weiterhin offiziell zu privaten Firmen gehören: "Die großen Medienunternehmer versuchen durch eine regierungsnahe Berichterstattung bei den Präsidenten Punkte zu sammeln." Sie würden eine einseitige Berichterstattung auch ohne großen politischen Druck fortführen, um weiterhin gut im Geschäft bleiben zu können. Denn sollten sie sich klar gegen die Regierung positionieren, würde ihnen schnell die Lizenz entzogen, wie zum Beispiel auch in Ungarn der Tageszeitung Magyar Nemzet. "Viele Machthaber in Süd-Osteuropa meinen, sobald sie an der Macht sind, können sie sich alles erlauben", so Stegherr.

Die russischen Medien und das Frauenbild

Die Auswirkungen, die unfreie Medien haben können, sei momentan vor allem in Russland zu beobachten. So würden zum Beispiel Suchanfragen durch Algorithmen so verändert, dass kritischer Content deutlich seltener angezeigt wird, erklärt Florian Töpfl von der Universität Passau: "Man muss sich, um zu kritischen Beiträgen zu gelangen, zuerst durch eine Flut an Propaganda kämpfen", beschreibt der Professor für politische Kommunikation. Bei vielen regierungskritischen Menschen habe das zu einer Politikmüdigkeit geführt: "Irgendwann fehlt einem dann die Kraft sich tagtäglich damit zu beschäftigen." Doch nicht nur klassische Medien seien beeinflusst: auch Chatbots gäben inzwischen veränderte Antworten auf die Anfragen von Usern. Das zeige sich auch am Frauenbild, dass diese Bots reproduzieren: russische Frauen werden als sehr unterwürfig, auf ihr Äußeres bedacht und zufrieden mit der Rolle der Mutter beschrieben. Wie solche Narrativen dann auch in die Politik eingewoben werden, sei erschreckend, so Töpfl: "Die Ukraine wird als weiblich dargestellt, Russland hingegen als männlich. Deswegen hat Russland auch das Recht, mit der Ukraine zu machen, was es will."

Zensur durch Notmaßnahmen?

Doch auch die ukrainischen Medien haben sich seit Beginn des Krieges verändert. So wurden 2022 viele Rundfunkstationen und Zeitungen zu einem sogenannten Medienmarathon zusammengeschlossen und unter eine zentrale Leitung gestellt. Für viele Journalisten im Land fühlt sich dieses Vorgehen wie eine Form der Zensur an, berichtet Stegherr. Diese Veränderung mit den autoritären Methoden in Russland gleichzusetzen wäre jedoch weit gefehlt. "Nach dem Aufbau dieses Medienmarathons traten verschiedene Medienunternehmen aus dem Bündnis wieder aus - ganz ohne Konsequenzen. In Russland wäre das undenkbar."

Künstlerische Freiheit

Doch nicht nur die Medien sind ein möglicher Angriffspunkt für autoritäre Regime - auch die Kunst kann schnell zur Zielscheibe werden. Als die Statue eines Lippenstifts auf dem Schornstein der Izolyatsia Foundation in Donetsk installiert wurde, war von Krieg noch keine Rede. Alona Karavai von der Vereinigung Insha Osvita, wohnte selbst zur Zeit der Installation im Donbas: "Der Lippenstift repräsentierte die große Rolle, die Frauen beim Wiederaufbau des Donbas nach dem 2. Weltkrieg gespielt haben." Doch dann begann die erste Phase des Krieges im Donbas und der Ort wurde von pro-russischen Separatisten eingenommen. "2022 tauchen auf YouTube Videos auf, wie die Separatisten die Statue sprengen", erzählt sie. Für die Kuratorin ein klares Signal.

Ein langer Kampf

Doch trotz der dauerhaften Bedrohung durch den Krieg erlebt die Ukraine ein großes Maß an zivilem Engagement und mit ihr stehen Frauen in mehr einflussreichen Positionen als jemals zuvor. Laut Karavai waren die Orangene Revolution 2004 und die Euromaidan-Proteste 2013-2014 für eine Generation junger Künstlerinnen und Aktivistinnen prägend. Sie sprachen auf Demonstrationen, schufen Symbole und gründeten NGOs. Für sie sei ein Beitritt in die EU mehr als nur ein Symbol, berichtet Julia Teek von der Robert Bosch Stiftung: "Mit einem EU-Beitritt sind klare Equality-Regeln verbunden und diese werden unabhängig kontrolliert. Der Beitritt würde also ein Backsliding in patriarchalere Strukturen verhindern." Und tatsächlich sind aktuell politische Veränderungen zu beobachten: 2018 wurde ein Gesetz aufgehoben, das Frauen, unter dem Vorwand ihre reproduktive Gesundheit schützen zu wollen, den Zugang zu über 450 Berufen verbot. Außerdem wurde dieses Jahr mit Julija Swyrydenko erstmals eine Frau Premierministerin. Für Alona Karavai steht fest: "Das gibt uns Hoffnung, dass nach dem Krieg nicht alles wieder dahin zurückfällt, wo wir damals angefangen haben."

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