Die Jagd nach Stimmen
Wie digitale Kampagnen und eine Vertrauenskrise den Wahlausgang prägten
Die jüngste Bundestagswahl fand mit ihrem vorgezogenen Zeitpunkt unter besonderen Umständen statt. Der kurze Wahlkampf im Winter wurde vorwiegend in den Medien ausgetragen, wobei die Parteien die Möglichkeiten von Social Media unterschiedlich nutzten. Im Fernsehen wiederum reihten sich Wahlarenen, Duelle und Quadrelle, Kandidatenportraits und ähnliche Formate dicht aneinander, ohne dem Wahlkampf richtungsweisende Impulse zu verleihen. Erst auf der Zielgeraden entfaltete sich eine gewisse Dynamik, die auch dazu beitrug, dass die Wahlbeteiligung zum vierten Mal in Folge stieg und die Volatilität des Stimmverhaltens neue Hochstände erreichte. Welche Strategien und Themen wurden im diesjährigen Bundestagswahlkampf verfolgt? Wie verlief der digitale Wahlkampf? Und welche Auswirkungen hatte dies auf die Wahl? Diesen und vielen weiteren Fragen widmete sich die Tagung "Die Bundestagswahl 2025: Bewährungsprobe für die parlamentarische Demokratie" der Akademie für Politische Bildung in Kooperation mit der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e.V..
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 28.07.2025
Von: Franziska Steinich / Foto: Franziska Steinich
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"50 Prozent von Politik sind Kommunikation. Warum beherrschen es dann so wenige Prozent der Politikerinnen und Politiker?" Diese Frage stellt Raphael Brinkert von brinkertlück GmbH, der 2021 den Bundestagswahlkampf der SPD leitete. Die Ausgangsbedingungen und auch das Ergebnis der Bundestagswahl zeigten, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Politikerinnen und Politiker zutiefst erschüttert sei. Auch die Beliebtheitsrankings spiegelten dies eindeutig wieder. Einer von vielen Gründen, die zu diesem Vertrauensverlust geführt haben, sei mangelhafte, inkonsistente und lückenhafte Kommunikation. Sowohl die Analyse der Kommunikation als auch der Strategien, Themen und Wirkungen des diesjährigen Wahlkampfes, sowie dessen dezidiert digitale Aspekte war einer von mehreren Themenblöcken der Tagung "Die Bundestagswahl 2025: Bewährungsprobe für die parlamentarische Demokratie" der Akademie für Politische Bildung in Kooperation mit der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e.V..
Ausgangsbedingungen für den Wahlkampf
Bevor man in eine tiefere Analyse des Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2025 einsteigt, lohnt es sich, einen Blick auf die herausfordernden Bedingungen für die diesjährige Wahl zu werfen. Die angegangenen Reformen der Ampel-Regierung, Trumps Präsidentschaft in den USA und der Angriffskrieg Russlands veränderten die Rahmenbedingungen für die Wahl, hebt Brinkert hervor. Die Lage, Voraussetzungen und Protagonisten der Ampel-Regierung waren nicht gut und beeinflussten die Wahl vermutlich am meisten, bemerkt er rückblickend. Beliebtheitsrankings für Politikerinnen und Politiker zeigten, dass es Habeck, Lindner und Scholz zwar an Bekanntheit nicht mangelte, es jedoch wenig Sympathie und kein Vertrauen innerhalb der Bevölkerung für sie gab. Auch der diskutierte Haushalt für 2025 stellte laut Brinkert eine unüberbrückbare Situation für die damalige Regierung dar. Und kurz vor der Wahl kam dann noch der Tabubruch durch die Abstimmung der Union mit der AfD dazu. Unter diesen denkbar schlechten Bedingungen sei die Gesellschaft in den Wahlkampf und später in die Wahlkabine gegangen.
Erfolgreicher Wahlkampf
Brinkert postuliert zwei Grundzutaten als Basis für einen erfolgreichen Wahlkampf: die Kandidatinnen und Kandidaten sowie das Herausarbeiten zentraler Themen. Diese Grundvoraussetzungen müssten vor dem Beginn des Wahlkampfes etabliert werden. Während des diesjährigen Wahlkampfes seien jedoch nur bei wenigen Parteien diese Voraussetzungen als Fundament da gewesen. Die Linke habe diese jedoch erfüllt und sei unter anderem deswegen so überraschend erfolgreich gewesen. Carsten Dannel, von BBGK Berliner Botschaft, organisierte und plante 2025 den Wahlkampf für Die Linke. Er reflektiert, dass die Ausgangsbedingungen nicht die Besten und überhaupt der Start eines Wahlkampfes in kurzer Zeit sportlich gewesen sei. Jedoch habe ein kurzer Wahlkampf auch einige Vorteile für eine kleine Partei, "die sich nochmal aufbäumen" möchte. Der Erfolg der Linken sei auch auf den Weggang von Sahra Wagenecht zurückzuführen, denn dieser habe einen reinigenden Prozess innerhalb der Partei angestoßen, erklärt Dannel.
Der Geschäftsführer der BBGK Berliner Botschaft betont, dass eine beschädigte Marke für einen Wahlkampf ein neues Profil brauche. Es müsse deutlich werden, wen die Menschen überhaupt wählen können und es brauche eine glaubhafte Erzählung, um ins Parlament zu kommen. Vor allem dürften die Wählerinnen und Wähler nicht das Gefühl bekommen, dass ihre Stimme eine verschenkte sei. Die Linke schaffte dies laut Dannel unter anderem, indem drei zentrale Themenkomplexe herausgearbeitet und nach außen getragen wurden:
- Teuerung & Inflation: Das Leben ist teurer geworden. Gerade Menschen mit geringem Einkommen bekommen dies stark zu spüren.
- Zusammenspiel von Macht und Geld: Donald Trump und weitere Millionäre kaufen sich Macht.
- Friedrich Merz: Es stand fest, dass Friedrich Merz Bundeskanzler wird. Die Linke ist die einzige Partei, die ein gemeinsames Regieren mit Merz ausschließt.
Aus dem Herausarbeiten dieser zentralen Themen folgte eine weitere thematische Fokussierung auf Mieten, Heizkosten und gesellschaftliche Umverteilung. Die Partei entschied sich, diese Themen nach vorne zu schieben, "komme, was wolle." Zu anderen Themen wurde eine klare Haltung entwickelt, jedoch wurde entschieden, hier nur eine reaktive Position einzunehmen.
Doch nicht nur eine thematische Fokussierung sei zentral für einen erfolgreichen Wahlkampf, sondern auch die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten, die die Themen in die Bevölkerung tragen. Aktuell seien Wahlkämpfe tendenziell auf eine Person zugeschnitten und wenig auf das Team drumherum, stellt Jörg Siegmund von der Akademie für Politische Bildung fest. Heidi Reichinnek und Jan van Acken wiesen im Wahlkampf der Linken eine gute Arbeitsteilung auf und konnten so mehrere Themen bespielen. Es habe keine Eitelkeiten untereinander gegeben. Van Acken fokussierte sich aufs Brücken bauen, Themen vereinen und Auftritte in Talkshows. Seine Zielgruppe sei laut Dannel eher die bürgerliche Mitte gewesen. Heidi Reichinnek hingegen habe durch ihre Präsenz auf Social Media schon eine Fanbase und deren Sympathiepunkte als Grundlage gehabt. Sie spreche junge Menschen sowie Bürgerinnen und Bürger mit einer linken Grundhaltung an. Trotz der zwei prominenten Gesichter habe beim Wahlkampf der Linken auch das Team drumherum und viele einzelne Mitglieder eine wichtige Rolle gespielt, z.B. durch zahlreiche Infostände an Straßen und tausenden Haustürbesuchen, erklärt Brinkert.
Welche Rolle spielt Vertrauen in einem Wahlkampf?
Der Wahlkampf 2025 unterlag einer großen Vertrauenskrise, erklärt Steffen Dähne, Politischer Geschäftsführer der FDP. Zum einen habe sich die Bevölkerung nach spürbaren Reformen gesehnt, die zu Veränderungen in den einzelnen Leben führen - doch von den Verantwortlichen nicht umgesetzt worden seien. Die Wahl von Populisten zeuge von eben diesem Vertrauensbruch. Die Wählerinnen und Wähler erhofften sich, so Dähne, durch eine solche Stimmenvergabe endlich Veränderung herbeizuführen. Andererseits mangle es an kompetenter politischer Kommunikation. Dähne erkennt die Tendenz der Bevölkerung, die politisch Verantwortlichen, sowie deren Politik, für lebensfern zu halten. Um Vertrauen zwischen Verantwortlichen und Bevölkerung herzustellen, sollte man mehr den Mut haben, über Probleme und nicht nur über Lösungen zu sprechen, empfiehlt Dähne. Man müsse den Menschen das Gefühl geben, dass man ihre Probleme verstanden habe. Die Linke habe dies getan, die politische Mitte müsse genau das laut dem Ökonom noch lernen.

