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Digitale Revolution?

Wie KI unsere Lebenswirklichkeit verändert

Was gestern noch Science-Fiction war, ist heute Realität - und was heute modern wirkt, ist morgen schon veraltet. Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Welt nicht nur rasant, sondern tiefgreifend: Bildung, Arbeitswelt, Beziehungen, Politik - nichts bleibt unberührt. Warum wir am Anfang einer Revolution stehen, die weit über Technologie hinausgeht und was es heißt, Mensch im digitalen Zeitalter zu sein, darüber haben KI-Expertinnen und Experten im Rahmen der Tagung "Algorithmen, Big Data, Künstliche Intelligenz: Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit" der Akademie für Politische Bildung diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 30.04.2025

Von: Sophie-Marie Mühling / Foto: Sophie-Marie Mühling

Programm: Algorithmen, Big Data, Künstliche Intelligenz

Algorithmen, Big Data, Künstliche Intelligenz: Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"KI und synthetische Netzwerke werden das Crack unserer Schulhöfe sein" - mit dieser eindringlichen Warnung beschreibt Journalist Richard Gutjahr die verführerische, aber auch gefährliche Kraft künstlicher Intelligenz im Alltag junger Menschen. KI ist längst keine ferne Zukunftsvision mehr, sondern prägt bereits große Bereiche unseres Lebens. Diese Realität verlangt nach Orientierung: Wie verändern KI-Systeme unser Denken, Lernen und Zusammenleben? Welche Kompetenzen brauchen wir in einer Welt, in der künstliche Inhalte täuschend echt wirken und Entscheidungen zunehmend automatisiert getroffen werden? Und vor allem: Wie soll die Zukunft mit Technologie aussehen? - Und wer darf sie mitgestalten? Über diese und andere Fragen rund um Künstliche Intelligenz haben Fachleute bei der Tagung "Algorithmen, Big Data, Künstliche Intelligenz: Auswirkungen auf die Lebenswirklichkeit" der Akademie für Politische Bildung diskutiert.

Stunde Null der Künstlichen Intelligenz

In den 1980er Jahren war das Mobiltelefon so groß wie ein Ziegelstein, erinnert sich Richard Gutjahr - und heute passt ein Hochleistungscomputer in unsere Hosentasche. Was damals als Science-Fiction galt, sei heute Alltag. Und was heute als hochmodern gilt, werde in zehn Jahren wie die klobige Tastatur in Retro-Filmen wirken. Diese Entwicklung verlaufe jedoch nicht linear, sondern exponentiell und genau das sei der Schlüssel: Technologie verändere sich nicht nur, sie beschleunige sich. Und mit ihr verändere sich unser gesamtes Leben.

Wir stünden an der "Stunde Null" der KI - einem Beta-Stadium mit revolutionärem Potenzial. Gutjahr fast die aktuelle Situation als "Die KI von heute ist die schlechteste, mit der wir je gearbeitet haben werden" zusammen und verdeutlicht, wie sehr uns die kommenden Jahre noch überraschen könnten. Vergleiche mit früheren Technologien wie dem Smartphone zeigten: Was zunächst wie Spielerei wirkt, könnte ganze Gesellschaften verändern. Laut Gutjahr zeige ein Blick nach China bereits heute, wie KI zur Verhaltenskontrolle eingesetzt werden kann - etwa durch Gesichtserkennung und Kundenanalyse in Cafés. Künstliche Intelligenz könne sogar eigenständig wirtschaftliche Vorschläge generieren. In Unternehmen wie auch in Bürojobs zeigen Studien: KI erhöht Effizienz drastisch - mit bis zu 66 % Zeitersparnis.

Doch dieser rasante Fortschritt bringe auch Unbehagen. Der Hollywood-Streik 2024 - der größte seiner Geschichte - mache sichtbar, dass nicht nur standardisierte Jobs zuerst verschwinden würden, sondern auch kreative: Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler, sogar Juristinnen und Juristen. Hochbegabte Studierende würden an der Relevanz ihrer Ausbildung zweifeln - was sie heute lernen, kann eine KI morgen besser. Doch Gutjahr warnt: "Nicht die KI nimmt dir den Job weg, sondern jemand, der sie nutzt."

Fake wird Fakt

Doch der Einfluss von KI endet nicht im Job oder in der Ausbildung - er greift längst in unseren Alltag, unsere Beziehungen und unsere digitale Identität ein. Ein Beispiel dafür sei künstlicher Social Media Content: Viele Inhalte auf Instagram oder YouTube stammten bereits heute von KI. Plattformen setzten verstärkt auf virtuelle Zwillinge von Prominenten - etwa eine empathische KI-Version von Taylor Swift, die Jugendliche in emotionalen Phasen begleitet. Was zunächst harmlos klingt, berge jedoch große Risiken: Kinder könnten sich an synthetische Beziehungen gewöhnen - eine emotionale Suchtgefahr, die Gutjahr als "Crack unserer Schulhöfe" bezeichnet. Doch nicht nur auf Social Media wird künstliche Intelligenz Einzug halten: Zoom-Klone übernehmen Meetings, Avatare blinzeln in der Kamera, während ihre Besitzer längst etwas anderes tun. Die Zukunft heißt "Agentik" - spezialisierte KI-Agenten, die zusammenarbeiten, um komplexe Aufgaben zu erledigen, von Reiseplanung bis Pizza-Bestellung.

Die Zukunft beginnt im Klassenzimmer

Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich umso dringlicher die Frage, wie junge Menschen auf eine von KI geprägte Welt vorbereitet werden können - und erstaunlicherweise scheinen gerade Kinder den richtigen Zugang längst gefunden zu haben. Uta Hauck-Thum von der Fakultät für Psychologie und Pädagogik der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt ein Video von Drittklässlerinnen und Drittklässlern. In einem Ausschnitt antworten die Kinder auf die Frage, was man in Zukunft können müsse, erstaunlich differenziert: den Umgang mit Robotern, kritisches Denken, denn "Man darf Computern nicht alles glauben", und Empathie gegenüber Maschinen. Sie sprechen von Kreativität, von Zusammenarbeit und ethischem Bewusstsein - kurz: von Zukunftskompetenzen, die Erwachsene oft selbst noch lernen müssen.

Doch während Kinder schon die richtigen Fragen stellen, verharre laut Hauck-Thum das Bildungssystem noch in veralteten Strukturen. Schulen würden noch immer denen der 1950er-Jahre ähneln - frontal, standardisiert, prüfungsorientiert. Künstliche Intelligenz allein verändere daran wenig, wenn sich das zugrunde liegende Mindset nicht wandele. Hauck-Thum plädierte für eine Kultur der Digitalität, die nicht nur neue Tools, sondern neue Lernformen etabliere: kollaborativ, kreativ und ko-kreativ - auch gemeinsam mit KI. Sie warnt jedoch auch, dass die Digitalisierung die soziale Ungleichheit nicht weiter verstärken dürfe. Wer heute schon keinen Zugang zu digitalen Ressourcen oder KI-Kompetenz hat, laufe Gefahr endgültig abgehängt zu werden - eine weitere Kluft, die die Bildung noch ungerechter machen würde. Ihre Zukunftsvision daher: Schulen als lernende Gemeinschaften, unabhängig von Herkunft oder Ort, mit einem transformierten Verständnis von Lernen und Lehren.

Technikethik: Zwischen Mythos und Realität

Wo Hauck-Thum für einen verantwortungsvollen Einsatz von KI im Bildungsbereich plädiert, richtet Hennig den Blick auf die ethischen und gesellschaftlichen Herausforderungen - und warnt vor den Risiken, die mit einer unkritischen Technikbegeisterung einhergehen. Oft sei die Technologie mit Heilsversprechen überfrachtet, die eher an Science-Fiction als an nüchterne Wissenschaft erinnere. Besonders die Idee, mit Verstorbenen "sprechen" zu können, zeige die Sehnsucht nach Transzendenz im digitalen Zeitalter. Doch die Realität sei oft ernüchternd: KI kann keine Seele zurückholen, sondern lediglich statistisch plausible Aussagen auf Basis vorhandener Daten generieren.

Hennig warnt eindringlich vor der Vermenschlichung von KI - etwa durch weibliche Stimmen bei Sprachassistenten oder menschenähnliche Avatare, die stereotype Körperbilder reproduzieren. Auch die Diskussion um KI-Bewusstsein müsse klarer gefasst werden: Nur weil ein System kommuniziert, heiße das nicht, dass es auch versteht. Die Gefahr liege in der Täuschung - etwa wenn Deepfakes oder halluzinierte Inhalte von Chatbots zu real wirken. KI-Halluzinationen entstehen, wenn ein KI-Modell scheinbar plausible, aber faktisch falsche Informationen generiert, die keine reale Grundlage haben.

Gutjahr erkennt darin eine große Gefahr der Manipulation. Der Sturm aufs Kapitol sei durch Worte angeheizt worden - was also könnte passieren, wenn diese Worte künftig durch Deepfakes, also realistisch wirkende Medieninhalte wie Audio- oder Videoaufnahmen, die durch KI erzeugt wurden, oder manipulierte Bilder ergänzt würden? Selbst wenn man wisse, dass ein Video falsch sei - das Gehirn verarbeite es dennoch. Stimmen von Prominenten können schon heute täuschend echt geklont werden. Das Vertrauen in Medien, Justiz und Wissenschaft gerate dadurch zunehmend ins Wanken.

Zukunft gestalten - für wen eigentlich?

Bei dieser technologischen Transformation dürfe es aber nicht nur um das Wie, sondern vor allem um das Wofür gehen, betont Friederike von Franqué, Referentin EU und internationale Regelsetzung von Wikimedia Deutschland. "Für welches Gemeinwohl arbeiten wir, und wer profitiert von den Entwicklungen?", fragt von Franqué, das Publikum. KI dürfe nicht zu einem Instrument der Machtkonzentration oder gesellschaftlichen Spaltung werden. Stattdessen brauche es eine Gemeinwohlorientierung, wie sie auch in den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN angelegt sei.

Zentrale menschliche Kompetenzen - Kooperation, Kreativität, kritisches Denken – könnten nicht einfach durch KI ersetzt werden, sondern sollten durch sie ergänzt werden. Künstliche Intelligenz berge zwar ein großes Potenzial, etwa bei der Organisation von Wissen, Prozessoptimierung und Mustererkennung. Gleichzeitig bestünden Herausforderungen wie der hohe Ressourcenverbrauch, Intransparenz und Defizite bei Kreativität. Symbolische KI, also regelbasierte Systeme mit nachvollziehbaren Entscheidungswegen, könnten bei der Gemeinwohlorientierung eine wichtige Rolle spielen. Sie seien transparenter, nachhaltiger und in Bildungsprozesse besser integrierbar als die ressourcenhungrigen großen Sprachmodelle.

Wie sich der Einfluss Künstlicher Intelligenz auf unsere Lebenswirklichkeit langfristig gestalten wird, lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen - fest steht jedoch, dass bereits jetzt zentrale Weichen für die Zukunft gestellt werden.

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