Populismus im Aufwind
Herausforderungen für Demokratie und politische Bildung
Populismus ist laut Reinhard Heinisch von der Paris Lodron Universität Salzburg längst kein Randphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den politischen Diskurs in westlichen Demokratien. Bewegungen, die sich als Stimme des Volkes gegen eine vermeintlich abgehobene Elite inszenierten, gewännen an Zulauf - sowohl von rechts als auch von links. Diese Entwicklung stelle demokratische Gesellschaften vor neue Probleme, denn während Populismus einerseits die Unzufriedenheit vieler Menschen aufgreife, berge er gleichzeitig die Gefahr, pluralistische Grundprinzipien zu untergraben. Doch was treibt populistische Bewegungen an, und welche gesellschaftlichen Mechanismen begünstigen ihre Ausbreitung? Darüber haben Fachleute auf demoffenen Fachtag "Rechtsruck in Europa: Fragen an die politische Bildung" der Akademie für Politische Bildung und des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V. diskutiert.
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 01.04.2025
Von: Sophie-Marie Mühling / Foto: Sophie-Marie Mühling
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"Populistische Strömungen gewinnen in westlichen Demokratien zunehmend an Einfluss und stellen eine der größten politischen Herausforderungen der Gegenwart dar", sagt Reinhard Heinisch. Sie inszenierten Politik als Kampf gegen "die da oben", was zu einer wachsenden Polarisierung und einem steigenden Misstrauen in demokratische Institutionen führe. Diese Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft und die politische Bildung standen im Mittelpunkt des offenen Fachtags "Rechtsruck in Europa: Fragen an die politische Bildung" der Akademie für Politische Bildung und des Arbeitskreises deutscher Bildungsstätten e.V.
Die unterschätzte Gefahr des Populismus
Populismus werde häufig als "dünne Ideologie" beschrieben, da er kein eigenes geschlossenes Weltbild beinhalte, sondern sich flexibel an unterschiedliche gesellschaftliche Strömungen anpasse. Im Zentrum dieser politischen Strategie stehe eine scharfe Gegenüberstellung zweier vermeintlich homogener Gruppen: "das Volk" und "die Elite". Durch diese Dichotomie erzeugten populistische Akteure ein Narrativ, welches den Eindruck vermittle, sie seien die wahren Vertreter der Demokratie, während die bestehenden Institutionen als abgehoben und korrupt dargestellt werden. Indem der Populismus das politische System als Kampf zwischen diesen beiden Gruppen inszeniere, lehne er Pluralismus indirekt ab und fördere eine Polarisierung des öffentlichen Diskurses.
Trotz der strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen populistischen Bewegungen und Ähnlichkeiten zum Rechtsextremismus sei es erforderlich eine klare Abgrenzung zu diesem aufzuzeigen. Während Populismus an sich nicht zwangsläufig gewaltbereit oder antidemokratisch sei, zeichne sich der Rechtsextremismus durch eine explizite Ablehnung demokratischer Grundwerte und eine Offenheit für Gewalt als politisches Mittel aus. Populismus hingegen sei durch ideologische Flexibilität und Opportunismus geprägt. Seine Vertreter seien weniger von festen Prinzipien als vielmehr von Popularität geleitet und bedienten sich je nach Kontext sowohl linker als auch rechter Forderungen und Ideen. Lange Zeit herrschte die Annahme, dass etablierte Demokratien wie Deutschland, die USA oder Großbritannien weitgehend immun gegen populistische Tendenzen seien - eine grobe Fehleinschätzung laut Heinisch, denn heute zeige sich, dass ideologischer Populismus eine der größten aktuellen Herausforderungen für westliche Demokratien darstelle.
Populismus als Bedrohung für die Demokratie
Heinisch nennt zwei zentralen Bedrohungsszenarien, die aus populistischen Bewegungen hervorgehen können. Zum einen könne eine "illiberale Demokratie von unten" entstehen, die durch die Mobilisierung der Mehrheit demokratische Grundrechte zunehmend untergraben würde. Zum anderen könne es zu einer "autokratischen Demokratie von oben" kommen, bei der die Regierung die Opposition gezielt schwäche, die Gewaltenteilung aushöhle und Medien sowie Zivilgesellschaft unter Druck setze. In beiden Fällen führe die Erosion demokratischer Prinzipien zu einer politischen Landschaft, in der Polarisierung, gezielte Desinformation und die Diffamierung politischer Gegner zum Normalzustand würden.
Angebot und Nachfrage: Was treibt den Populismus an?
Um das Phänomen des Populismus umfassend zu verstehen, sei eine Unterscheidung zwischen den Akteuren und ihren Anhängern essenziell. Während sich das "Angebot" auf Parteien und politische Führungsfiguren beziehe, bestehe die "Nachfrage" aus den Wählern, die populistischen Strömungen folgten. Diese Menschen seien oft von einer grundlegenden Unzufriedenheit mit dem politischen System geprägt und suchten nach einfachen Antworten auf komplexe gesellschaftliche Fragen, so Heinisch. Populistische Parteien böten diese Antworten, indem sie klare Schuldzuweisungen formulieren und behaupten, die Welt könne wieder in eine idealisierte Vergangenheit zurückgeführt werden.
Typische Wähler populistischer Parteien seien laut dem Politikwissenschaftler häufig männlich, verfügten über ein niedriges bis mittleres Bildungsniveau und ein mittleres Einkommen. Sie stünden aktiv im Arbeitsleben, seien nicht religiös und fühlten sich von den etablierten Parteien nicht vertreten. Obwohl sie sich selbst ideologisch eher rechts verorten würden, unterstützten sie häufig soziale Sicherungssysteme, allerdings in einer exklusiven Form, die von Heinisch als "Wohlfahrtschauvinismus" beschrieben wird. Sie befürworteten zwar staatliche Sozialleistungen, jedoch nur für Mitglieder der eigenen Nation. Besonders ausgeprägt sei unter diesen Wählern auch der Glaube an Verschwörungstheorien, was die Anfälligkeit für populistische und extremistische Narrative weiter verstärke.
Herausforderungen für die Politische Bildung
Aber nicht nur die typische Wählergruppe wende sich dem Populismus zu - auch unter jungen Menschen seien veränderte politische Orientierungen zu beobachten, erklärt Manfred Zentner von der Universität für Weiterbildung Krems. Die politischen Erwartungen an Jugendliche seien verwirrend, so Zentner: Während Protestbewegungen und Forderungen teils als notwendiges Engagement gewürdigt werden, gelten sie andernorts als übertrieben radikal. Diese Ambivalenz trage dazu bei, dass insbesondere junge Menschen mit rechten Überzeugungen zunehmend das Vertrauen in die Demokratie und politische Institutionen verlieren. Verstärkt werde diese Entwicklung durch den Einfluss digitaler Medien, aus denen viele Jugendliche ihre politischen Informationen beziehen - ein Umstand, der sie anfälliger für Desinformation und einseitige Narrative mache.
All dies zeige, dass sich viele junge Menschen in einer zunehmend komplexen und unsicheren Welt nach Orientierung sehnen. Ihre Unsicherheit führe oft dazu, dass sie sich an vermeintlich stabilen, vergangenen Werten ausrichten – ein Phänomen, das Zentner als "Retrotopia" beschreibt. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, seien gezielte pädagogische Interventionen erforderlich, so der Jugendforscher. Diese sollten alternative Narrative zu extremistischen Ideologien anbieten und junge Menschen dazu befähigen, ihre politischen Positionen kritisch zu hinterfragen. Dabei müssten jedoch auch Lehrkräfte sowie Fachkräfte in der Jugendarbeit ihre eigene Haltung reflektieren. Eine unkritische Toleranzpädagogik könne problematische Ideologien eher verfestigen als auflösen. Stattdessen sei es wichtig, klare Wertehaltungen zu vermitteln und mit Jugendlichen über demokratische Prinzipien, Meinungsfreiheit und die Grenzen von Toleranz zu diskutieren. Gleichzeitig dürfe Neutralität nicht mit Zurückhaltung verwechselt werden – wer sich gegen demokratiefeindliche Ideologien nicht klar positioniere, könne dem Rechtsruck in der Jugend nicht wirksam entgegentreten.
Die Veranstaltung in den Medien
"Rechtsruck" als Herausforderung für internationale politische Bildungsarbeit - Bericht der AdB