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Geopolitik und transatlantische Beziehungen

So steht es um die Zukunft der europäischen Außenpolitik

Das Superwahljahr 2024 steckt Europa in den Knochen, gleichzeitig beeinflussen uns globale Krisen auch auf europäischer und nationaler Ebene. Die Fragen rund um die geopolitische Rolle und strategische Autonomie der EU sind aktueller denn je. Die Tagung "Changing Times in Foreign Policy? Deutsche und Europäische Außenpolitik mit Blick auf die Wahlen in der EU und den USA" der Akademie für Politische Bildung und der International Association for the Study of German Politics beschäftigte sich mit den transatlantischen Beziehungen und der Rolle der EU als geopolitische Akteurin.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 05.11.2024

Von: Mirela Zagrean / Foto: Mirela Zagrean

Programm: Internationale Akademie: Changing Times in Foreign Policy?

Internationale Akademie: Changing Times in Foreign Policy? Deutsche und Europäische Außenpolitik mit Blick auf die Wahlen in der EU und den USA

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"Jetzt ist mal Zeitenwende angesagt!" sagt Johannes Lindner von der Hertie School. Die Wahlen in den USA stehen kurz vor der Tür und die EU hat Schwierigkeiten ihre Handlungsfähigkeit zu legitimieren. Ihre geopolitischen Instrumente sind eingeschränkt und die außenpolitischen Entscheidungen erfolgen nur bei Einstimmigkeit der 27 Mitgliedstaaten. Die Tagung "Changing Times in Foreign Policy? Deutsche und Europäische Außenpolitik mit Blick auf die Wahlen in der EU und den USA" der Akademie für Politische Bildung und der International Association for the Study of German Politics setzte sich mit der Zukunft der transatlantischen Partnerschaft und der europäischen Außenpolitik auseinander.

Die transatlantische Beziehung bröckelt: Trump 2.0. vs. Harris

Am 05. November entscheidet die US-amerikanische Bevölkerung, wer die Politik in ihrem Land als nächstes prägen wird. Für Europa ist diese Wahl ein wichtiger Faktor für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen: Was würde Europa erwarten, wenn entweder Kamala Harris zur Präsidentin gewählt wird, oder es zu einer zweiten Amtszeit von Donald Trump kommen würde?

Laut Aylin Matlé, Wissenschaftlerin am Zentrum für Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, müsse Europa im Falle von Trump 2.0. erneut mit der Sprunghaftigkeit, Unberechenbarkeit und Widersprüchlichkeit des früheren Präsidenten zurechtkommen. "The most predictable thing about Trump is that he is unpredicatable" hieße es oft. Trump verfolge offenkundig eine merkantilistische und transaktionale Politik, ganz im Sinne des America-First-Prinzips. Dabei solle die USA in den Vordergrund rücken, während internationalen Beziehungen, der NATO oder UN eine gewisse Skepsis entgegengebracht wird. Demgegenüber wäre bei Harris grundsätzlich eine Kontinuität von Bidens Politik zu erwarten. Multilateralismus, eine regelbasierte Weltordnung und die Zusammenarbeit mit Partnern stünden an erster Stelle. Ähnlich wie bei Biden, der als der letzte echte Transatlantiker gilt, würde der NATO unter Harris eine hohe Bedeutung zugemessen werden.

Hinsichtlich des Ukrainekriegs stehe Harris für die Fortführung der Unterstützung, doch weitere Blockaden seitens des Kongresses seien nicht auszuschließen. Der Rückhalt in der Bevölkerung schwinde und die Meinung, dass Europa die USA ausnutzt, nehme zu. Harris solidarische Einstellung folge demnach nicht mehr der Logik "As long as it takes", sondern "As long as we can". Trotzdem sei die Solidarität mit der Ukraine für Harris ein zentraler Punkt: "Security in Ukraine is an investment in our national security", lautet Harris Devise. Trump stelle sich, trotz vereinzelter Pro-Ukraine-Stimmen aus seinem engen Umfeld, gegen weitere Hilfen. Zum einen, weil diese seiner Meinung nach nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen würden und zum anderen, weil Trump durch Friedensverhandlungen den Krieg schnell zu beenden können glaubt: "I will end the war in 24 hours", hört man ihn sagen.

Beide Kandidaten sprechen sich für die seit Obamas Zeiten übliche Pro-Asia-Haltung. Laut Matlé hänge diese Ausrichtung der politischen Bemühungen in den indopazifischen Raum mit wirtschaftlichen Gründen, Sicherheitsbedenken und der globalen Machtverlagerung zusammen. Trump signalisiere weiterhin eine konfrontative Einstellung gegenüber China. Harris hingegen spreche sich für einen ausgewogenen Ansatz aus, bei dem beispielsweise die Kooperation im Bereich des Klimaschutzes vorangetrieben werden soll. Bei beiden bliebe Europa zwar noch ein wichtiger Partner, insbesondere im wirtschaftlichen und NATO-Bereich, doch es kommt deutlich zum Ausdruck, dass sich die Europäer intensiver und kohärenter um die eigene Sicherheit kümmern müssen. Die NATO gilt zwar weiterhin als Garant der europäischen Sicherheit, aber für die Europäer kristallisiere sich ein Dilemma der Abhängigkeiten heraus, welches eine tiefe außen- und sicherheitspolitische Verwundbarkeit offenlegt. Der Ausgang der Wahlen in den USA, egal ob mit Trump oder Harris an der Spitze, bedeutet laut Matlé für die EU, dass diese hohen Erwartungen im Sicherheitsbereich dringend angegangen werden müssen.

Wie geopolitisch kann die EU sein?

"Ohne die USA ist die EU nichts", sagt Berthold Rittberger vom Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft. Wenn die Frage "Wie geopolitisch kann die EU sein?" im Raum steht, spalten sich die Meinungen. Die Fähigkeiten der EU seien begrenzt, denn "geopolitisch hat die EU wenig Möglichkeiten" erklärt Rittberger. Es reiche dabei nicht aus in der Theorie geopolitisch fähig zu sein, es komme vielmehr darauf an, in der Lage zu sein, Maßnahmen durchzuführen und gleichzeitig strategisch an einem Strang zu ziehen. Doch die Europäischen Union besteht aus 27 Mitgliedstaaten, die Entscheidungen nach dem Einstimmigkeitsprinzip treffen und als Zusatz jeweils eigene nationale Interessen verfolgen. Amira von Call vom College of Europe legt die Kontroverse der geopolitischen Fähigkeiten anhand unterschiedlicher Identitäten innerhalb der EU dar: interventionistische treffen auf nicht-interventionistische Staaten, Rüstungslieferanten auf Rüstungskonsumenten, kleine auf große Staaten, Atlantiker auf Europäer. Dazwischen sei es nicht einfach sich auf eine gemeinsame Stimme zu einigen.

Ansätze zur Verschiebung des geopolitischen Narrativs

Anja Opitz von der Akademie für Politische Bildung und Johannes Lindner von der Hertie School plädieren für eine grundlegende Verschiebung des geopolitischen Narrativs. Opitz wirft die Frage auf, ob das aktuelle, eher pessimistisch konnotierte Narrativ vielleicht in die falsche Richtung geht. Durch die Emotionalisierung des Diskurses und die Vorwürfe an die EU geopolitisch handlungsunfähig zu sein, versperre man sich Räume zum Nachdenken und Anerkennen gelungener Ergebnisse. Lindner ist der Meinung, dass die Grundannahmen der Demokratie, des Wohlstands und des Friedens stärker operationalisiert werden sollen. Anhand von drei Szenarien zur Zukunft Europas macht der Politikwissenschaftler deutlich, dass die EU aktiver an ihrer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik arbeiten müsse. Das erste Szenario sieht die EU, aufgrund des Aufstiegs populistischer Kräfte, scheitern. Das zweite beschreibt die EU in Zeiten der Polykrisen anhand des sogenannten Muddling-Through-Ansatzes, womit sich die EU- Staaten von einer Krise zur nächsten durchwursteln, ohne strategische Reflexion zu betreiben. Drittens gäbe es die Möglichkeit einer Revision der EU, im Sinne einer kompletten Neuaufstellung, die geopolitische Fragen von Anfang an mitbedenkt. Aktuell befinde sich die EU im zweiten Szenario, es sei jedoch zentral, nicht darin verfangen zu bleiben.

Das wichtigste: die EU müsse die eigene Rolle ständig reflektieren und hinterfragen. "Die Notwendigkeit der Zeitenwende ist klar, aber wir wissen nicht wie wir damit umgehen sollen" präzisiert Christos Katsioulis, Experte für internationale Beziehungen. Sein Vorschlag lautet: Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der EU fördern, Veränderungen vorantreiben und auf solidarische Zusammenarbeit setzen, denn "zusammen ist die Hebelwirkung größer."

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