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Konflikte um Rohstoffe am Mittelmeer

Kann die Region Erdöl und Ergas aus Russland ersetzen?

Der Mittelmeerraum ist geprägt durch ein großes Erdölvorkommen und Erdgasvorkommen, ist aber auch für grünen Wasserstoff von Relevanz. Durch Grenzstreitigkeiten bleibt allerdings häufig offen, wer ein Anrecht auf diese Rohstoffe hat. Daraus resultieren immer wieder schwere diplomatische und militärische Krisen. Die aktuellen Konflikte und Tendenzen haben Expertinnen und Experten im Rahmen der Tagung "Interessenskonflikte und Rivalitäten am Mittelmeer" der Akademie für Politische Bildung und der Technischen Universität Kaiserslautern diskutiert

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 11.01.2023

Von: Sara Ritterbach Ciuró / Foto: Sara Ritterbach Ciuró

Programm: Interessenskonflikte und Rivalitäten am Mittelmeer

Interessenskonflikte und Rivalitäten am Mittelmeer

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Ausgelöst durch den Krieg gegen die Ukraine interessiert sich Europa zunehmend für fossile Energieträger, die außerhalb Russlands gefördert werden. Dadurch steigt das Interesse am Mittelmeer, wo große Ölvorkommen und Erdgasvorkommen liegen. Wer diese Rohstoffe ausbeuten und vermarkten darf, ist allerdings nicht immer klar. Mehrere Länder beanspruchen dieselben Gebiete für sich. Die aktuellen Entwicklungen in der Region waren Thema der Tagung "Interessenskonflikte und Rivalitäten am Mittelmeer" der Akademie für Politische Bildung und der Technischen Universität Kaiserslautern. 

Streit um Erdgas im östlichen Mittelmeer

Im Mittelmeerraum führen die Streitigkeiten über die fossilen Energieträger unter See immer wieder zu diplomatischen Verwerfungen und auch aggressiven militärischen Spannungen. Dabei geht es neben ökonomischen Überlegungen auch um Bündnispolitik, meint Wolfgang Mühlberger von der Middle East and International Research Group in Wien.

Den Hauptkonflikt tragen dabei die Türkei, Griechenland und Zypern aus. Die Länder beanspruchen dieselben Gebiete für sich und streiten sich darum, wer in den Zonen nach Erdgas bohren und dieses vermarkten darf. Die Türkei steht mit ihren Forderungen in der Region zunehmend alleine da. Das hängt unter anderem mit dem Arabischen Frühling zusammen, in dem sie andere Interessen verfolgte als Ägypten und die Vereinigten Arabische Emirate. Griechenland und Zypern hingegen haben in den vergangenen Jahren aus geopolitischem Interesse die Nähe zu diesen Ländern sowie zu Israel gesucht. Dadurch hat sich eine Art "gegen die Türkei gerichtete Allianz" gegründet, sagt Hakan Akbulut von der Technischen Universität Kaiserslautern.

Israel: Erdgas-Export nach Europa

Zur Stärkung der eigenen Energiesicherheit hat Israel in den vergangenen Jahren viel Geld in die Förderung der Gasfelder Tamar und Leviathan investiert. Jetzt hat das Land das Potenzial, Erdgas zu exportieren. Aus geopolitischen Gründen hat Israel sich dazu entschieden, die regionalen Kooperationen mit Jordanien und Ägypten auszubauen. Die Europäische Union unterstützt weitere Kooperationen mit Ägypten und hat sich mit den Ländern auf ein Abkommen geeinigt. Demnach soll Gas von Israel nach Ägypten gebracht, dort verflüssigt und dann weiter in die EU exportiert werden. Zukünftig wäre auch denkbar, israelisches Gas über die Türkei in die EU zu liefern. Steffen Hagemann von der Technischen Universität Kaiserslautern hält dieses Szenario aufgrund verschiedener Konflikte zwischen Israel und der Türkei aber für unwahrscheinlich.

Neben den Beziehungen zur Türkei ist auch das israelische Verhältnis zum Libanon angespannt. Beide Länder haben "unterschiedliche Vorstellungen davon, wo die Seegrenze verlaufen soll und wer Anspruch auf die Wirtschaftszone hat und die Gasvorkommen ausbeuten darf", sagt Steffen Hagemann. Unter amerikanischer Vermittlung konnte eine historische Einigung über die Abgrenzung der Seegrenze erzielt werden. Ein Friedensabkommen ist dies jedoch nicht. "Die Länder sind technisch in einem Kriegszustand", betont Wolfgang Mühlberger. Die Implementierung des Abkommens ist für ihn ungewiss. Der Libanon befindet sich in der schwersten Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs. Es gibt keinen Präsidentennachfolger, nur eine Übergangsregierung und durch die Inflation steigt die Armut im Land rapide.

Grüner Wasserstoff aus Marokko

Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur dafür gesorgt, dass Europa von Russland unabhängig sein will. Er hat auch die Bemühungen um eine Diversifizierung von Bezugsquellen verstärkt. Grüner Wasserstoff ist als klimafreundliche Gasalternative im Fokus vieler europäischer Länder, die der European Green Deal zum nachhaltigen Wirtschaften anhält, darunter auch Deutschland. Denn der Bedarf an Wasserstoff liegt hier über dem, was das Land selbst herstellen kann. Das heißt, "wir sind abhängig von Importen", betont Anja Hoffmann von der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabat. Marokko ist ein Land, das dafür infrage kommt. Es liegt sehr nah an Europa und es besteht bereits ein Gasnetz, das von Algerien durch Marokko nach Spanien führt.

Marokko verfolgt bereits seit 2021 eine Wasserstoffstrategie, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft zu dekarbonisieren. Bis 2028 will das Land mit der Produktion von grünem Wasserstoff beginnen und diesen ab 2030 auch exportieren. Allerdings importiert Marokko momentan selbst 90 Prozent seiner Energie und ist somit weit davon entfernt, autark zu sein. Außerdem ist das Land eines der wasserärmsten der Welt, was für die Wasserstoffherstellung nachteilig ist. Denn Wasserstoff ist ein chemisches Element, das auf der Erde kaum in Reinform vorkommt, sondern insbesondere in Wasser gebunden ist und daraus gelöst werden muss. Dieser Prozess ist sehr energieaufwendig. Wird für die Herstellung Ökostrom verwendet, handelt es sich um grünen Wasserstoff. Ein vollständiger Ersatz für fossile Brennstoffe kann dieser aber nicht sein, da Wasserstoff aus technischen Gründen nur begrenzt zur Verfügung stehen wird, sagt Anja Hoffmann. Dennoch kann er dabei helfen, emissionsreiche Anwendungen emissionsärmer zu machen. 

Für eine deutsch-marokkanische Zusammenarbeit ist die entscheidende Frage, wie stabil und vertrauenswürdig der nordafrikanische Partner ist. Marokko hat einen sehr hohen Gini-Koeffizienten, die Schere zwischen Arm und Reich ist also sehr groß. Ein Großteil der Bevölkerung hat keinen Zugang zu einer guten Gesundheitsversorgung oder Bildung. Alltägliche Korruption ist ein großes Problem. Zudem werden die Räume, in denen sich die Bürgerinnen und Bürger frei äußern sowie zivilgesellschaftlich organisieren können, immer weiter geschlossen. Eine freie Presse existiert kaum noch."So eine Konstellation ist nie stabil", warnt Anja Hoffmann. In den vergangenen Jahren war Marokko außerdem wegen der Annexion der Westsahara in einer diplomatischen Krise mit Deutschland. Zwar wurde diese Mitte 2022 beigelegt, dennoch sei die Diplomatie von Marokko laut Anja Hoffmann durch "maximale Eskalation" gekennzeichnet.

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