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Gespräch über das Leben

Altdirektor Heinrich Oberreuter teilt Erinnerungen aus 80 Jahren

Mehr als 30 Jahre war Heinrich Oberreuter Universitätsprofessor, 18 Jahre leitete er die Akademie für Politische Bildung. Er hat eine immense Zahl wissenschaftlicher Schriften veröffentlicht, viele Politiker beraten, zahllose Interviews gegeben und ganze Fakultäten aufgebaut. Anlässlich seines 80. Geburtstags organisierte die Akademie für Politische Bildung ein Symposion mit Weggefährten aus Politik, Hochschule und Akademie. Daniela Philippi, ehemalige BR-Journalistin, Sprecherin der Bayerischen Staatsregierung und Kuratoriumsmitglied, führte mit dem Altdirektor ein Gespräch über das Leben.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 25.11.2022

Von: Martina Maier / Foto: Martina Maier

Programm: Die herausgeforderte Demokratie

Die herausgeforderte Demokratie

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Philippi: Gespräch über das Leben - da fragt man sich natürlich, wo fängt man bei einem an, dessen Lebenslauf leicht sechs Seiten umfasst. Ich habe mir gedacht, ich fange mit einigen privaten Fragen an, denn den Autor, den Wissenschaftler, den Universitätsprofessor, den kennt man. Den privaten Oberreuter dagegen vielleicht noch nicht. Sie sind bekannt, Sie sind populär, Sie haben viel erlebt, Sie haben viele Menschen kennengelernt: Haben Sie schon einmal daran gedacht, Ihre Memoiren zu schreiben?

Oberreuter: Das ist eine sehr indiskrete Frage, die mich auf dem Fuß erwischt, weil ich die letzten paar Tage mal darüber nachgedacht habe. Ich habe mich aber entschlossen, das zu lassen, weil ich mir keine Notizen von all dem gemacht habe, was interessant gewesen wäre. Es gibt ein paar Sachen, die man aus dem Gedächtnis schreiben könnte, aber ich glaube, ich werde meinem Lehrer Hans Maier an dieser Front nicht nacheifern.

Auf Hans Maier werden wir noch zu sprechen kommen. Zunächst aber ein paar Zuschreibungen, die es zu Ihnen gibt: das Orakel von Tutzing, Chefinterpret der bayerischen Politik, bayerischer Politikwissenschaftler mit internationalem Ruf, Haus- und Hofpolitologe der CSU und Doyen der Parlamentsforschung. Wie sind Sie mit diesen Bewertungen umgegangen? Hat Sie das ein wenig stolz gemacht?

Die Sache mit dem Doyen hat mir schon sehr gut gefallen. Was mich aber ärgert, sind diese Zuschreibungen zur CSU. Wohl niemand hat sich mehr über mich geärgert als CSU-Amtsträger, denn in den Medien habe ich immer kritisch und neutral agiert. Ich erinnere mich an einen sehr berühmten Politiker, der nach einer Talkshow auf mich zukam und sagte: "Von Ihnen hätte ich erwartet, dass Sie mich mehr unterstützen." Daraufhin antwortete ich ihm: "Ich bin hier nicht als Sympathisant der C-Parteien, ich bin hier als wissenschaftlicher Analytiker." Und wenn mich Leute in den Medien vorstellen mit dem Satz "selber Mitglied der CSU", kriege ich manchmal die Krise.

Hat es für Sie ein Leben neben der Politik, der Wissenschaft und dem Autor sein gegeben?

Da müssten Sie eigentlich meine Frau fragen...

Das wäre die nächste Frage gewesen. Wie sehr haben Sie die Familie vernachlässigt?

Ziemlich. Als ich meine Dissertation abgeliefert hatte, habe ich zu meiner Frau gesagt: "Das ist jetzt der Freifahrtschein in die Arbeitslosigkeit." Damals befanden wir uns in einer Situation, in der Politikwissenschaftler Outsider waren. Wir haben jede Chance wahrnehmen müssen. Eine gute war die Assistenz bei Professor Hans Maier, aber wenn Sie einmal in dem Gewerbe sind, streben Sie natürlich nach Fortgang. Als es dann am Otto-Suhr-Institut geklappt hat, ging es zwei Jahre nach Berlin, dann nach Passau, wo die Familie nachzuholen auch wieder zwei Jahre gedauert hat. Dann kamen die drei Jahre in Dresden und schließlich meine 18 Jahre in Tutzing. So ergeben sich in gewisser Weise zwei Lebensgeschichten, die man irgendwie zur Korrelation bringen muss. Meine Kinder frage ich lieber nicht, ob sie sich von mir ausreichend erzogen fühlen. Gelegentlich sage ich meiner Frau: "Wenn aus denen etwas geworden ist, bist du daran schuld."

Der Name Hans Maier ist mehrfach gefallen. Wie sehr ist er Ihnen zum Vorbild geworden?

Hemmungslos und permanent. Er ist eine ganz einzigartige Persönlichkeit, die ihre Autorität aus Menschlichkeit und Kompetenz gewinnt. Wahrscheinlich habe ich vieles von dem auch umgesetzt. Ich habe meine Leute nie gefragt, ob sie katholisch, evangelisch, mohammedanisch oder gar nichts sind; ob sie divers, trans oder normal sind; oder ob sie schwarz, grün, blau oder rot sind. Am Lehrstuhl Maier war ich vielleicht der Einzige, der wirklich katholisch und schwarz gewesen ist. Das war aber nicht wesentlich. Die Auswahl ging über Qualifikation und über Interesse an der Sache. Jeder Diskurs war ein offener. Man konnte sich auch als wissenschaftliche Hilfskraft frei und ungezwungen äußern. So eine Erfahrung ist für die persönliche Profilierung ziemlich wichtig.

Wie kam es überhaupt zur Politikwissenschaft? Sie sind geboren in Breslau als jüngstes von fünf Kindern, der Vater war Psychiater und Neurologe. Die Flucht haben Sie nicht bewusst miterlebt, wohl aber die Einschränkungen in der Nachkriegszeit. Wie sehr war das prägend für Ihre Studien- und Berufswahl?

Eine meiner ersten lebendigen Erinnerungen ist, wie mich mein Onkel in Bischofsheim in der Rhön im Amtsgericht aufs Fensterbrett gesetzt und mir eine Feuerglocke am Horizont gezeigt hat. Zu mir mit meinen zweieinhalb Jahren hat er dann gesagt: "Da hinten brennt Würzburg." Das war am 16. März 1945. In den Ruinen von Stift Haug, die da gebrannt hatten, habe ich später als Gymnasiast Fußball gespielt. Diese Noterfahrung gehörte dazu, eine schwierige Situation mit fünf Kindern und einem Vater, der in Kriegsgefangenschaft war. Ich war sieben und er war 50, als ich ihn kennengelernt habe. Die Fernwirkung dieser familiären Bindung war, dass ich nicht genau wusste, ob ich Medizin oder Politikwissenschaft studieren sollte. Ich saß im Lichthof der Münchner Universität und habe gemäß der keineswegs selbstverständlichen Zulassung Medizin angegeben. Als ich dann im Zug nach Regensburg saß, wurde mir klar: Politikwissenschaft wäre wahrscheinlich doch besser. Jetzt war ich zwei Jahre beim Barras, habe nichts Gescheites gelernt und soll wieder die lateinischen Ursprungsbezeichnungen von irgendwelchen Knöchelchen und Muskelfasern auswendig lernen. Daraufhin habe ich in der Studentenkanzlei angerufen, ob ich diese Entscheidung rückgängig machen kann. "Wir sind froh über jeden Mediziner, der nicht kommt", bekam ich als Antwort.

Es wäre auch schade, wenn Sie uns als Politikwissenschaftler fehlen würden. Ihre Laufbahn ist sehr stark verbunden mit der Universität Passau, der Sie trotz mehrerer Rufe 30 Jahre treu geblieben sind. Wie lässt sich das erklären, dass Sie nicht schwach geworden sind, an eine andere Universität zu wechseln?

Der Ruf auf einen Kommunikationslehrstuhl an der Universität Eichstätt war hoch interessant, aber die Situation erschien mir ein wenig problematisch. Der Ruf nach Dresden war viel interessanter, aber Hans Maier und Manfred Hättich hatten schon die Fühler ausgestreckt, dass ich nach Tutzing gehe. Eines Tages erhielt ich einen Anruf vom Kanzler der Universität Dresden, der sagte: "Wenn Sie jetzt bei uns Wissenschaftsminister werden, will ich Ihr Staatssekretär sein." Auf meine Frage, wie er auf die Idee käme, antwortete er: "Das steht bei uns in den Zeitungen." Ich antwortete: "Nachdem Milbradt Ministerpräsident geworden ist, dem ich in meiner Zeit als Gründungsdekan als säumigem Finanzminister mal das Fell über die Ohren gezogen habe, werde ich bei euch nie Minister." Insofern war es vernünftig, in Passau zu bleiben, speziell in Kombination mit Tutzing. Immerhin hatte ich davor eine Gastprofessur am berühmten, zur Ivy League gehörenden Dartmouth College, eine der ältesten Universitäten der USA, und danach eine, nun politikwissenschaftliche, in Eichstätt. Bei der Einbettung der Hochschule für Politik in die TU München war ich lehrend für den Bereich Recht und Politik verantwortlich. Und doziert habe ich unter anderem an Harvard, Columbia und Georgetown, an der Sorbonne, an Beda und Renmin in Peking, in Shanghai und Taipeh, in Warschau, Breslau und Lublin, in Kiew, Budapest und Sofia. Intensive auch institutionelle Beziehungen bestanden mit dem Europainstitut der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Es gibt also durchaus außerbayerische Akzente, zu denen vor dem Akademischen auch eine Tätigkeit im Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags gehört. Tutzing, Passau und der Rest der Welt ließen sich ganz gut vereinbaren.

Sie wurden 1991 Gründungsdekan an der TU Dresden. Es ist Ihnen gelungen, innerhalb von zwei Jahren zwei Fakultäten auf die Beine zu stellen. Können Sie ein bisschen aus dieser Zeit erzählen?

In Dresden fand ich eine geisteswissenschaftliche Einrichtung vor, wie sie an vielen Technischen Universitäten seit eh und je vorhanden war - mit ein bisschen Geschichte, ein bisschen Philosophie, ein bisschen Techniksoziologie und Gesellschaftslehre, unter ideologischer Einengung. Wir haben Lehrprogramme erarbeitet, wir haben die Bibliothek aufgebaut, wir haben Fakultätskonzepte erdacht. Der Wissenschaftsminister hat dann signalisiert, dass er maximal zwölf oder 15 Professuren für uns hätte - wir hatten aber zweimal 60 vorgesehen. Wolfgang Frühwald, Karl Dietrich Bracher aus der Gründungskommission und ich gingen also mit dem Minister Abendessen. Da haben wir drei ihm gesagt, dass wir nicht mehr in der Lage sind zu vertreten, dass diese mühsame Aufbauarbeit sich ins Nichts entwickelt. Am nächsten Tag hörte ich, dass der Minister im Ministerium beunruhigt gefragt hat, ob sie für den Oberreuter nicht noch ein paar Professuren hätten. Am Ende hatten wir 70, glaube ich, und als ich ging, waren fast alle berufen. Es war eine wunderbare und anstrengende Zeit, was die Effizienz der Hochschulgestaltung betraf. Wenn ich die Fakultäten jetzt ansehe, denke ich, man hätte etwas mehr daraus machen können.

Ich darf auf die Akademie für Politische Bildung zu sprechen kommen, der Sie genauso treu geblieben sind wie Passau, nämlich 18 Jahre, von 1993 bis 2011. Sie haben die Akademie aber nicht nur geleitet, sondern Sie haben sie auch mal buchstäblich gerettet. Was gab es denn für ein Ansinnen seitens der Staatsregierung?

Dieses Gelände hier gehört der Landesversicherungsanstalt Oberbayern. Die Liquiditätsprobleme der Rentenversicherung fingen an, sie beschworen einen Gesetzentwurf herauf, nach welchem sie ihre Latifundien verkaufen sollte, um liquide zu werden. Daraufhin konfrontierte mich der Freistaat Bayern mit der Ansicht, Nabburg wäre doch ein schönes Städtchen - was zweifelsfrei zutrifft, aber nicht für die Akademie. Dann war die nächste Idee Schloss Emmeram in Regensburg, eigentlich ein ganz attraktiver Ort. Ich hielt trotzdem nichts davon und ging zum Finanzminister [Erwin, Anm. d. Red.] Huber, der mir eine schöne Villa in Bogenhausen vorschlug. "Und die Teilnehmer?", fragte ich. "Die bringen wir dann in Hotels unter", sagte er. Eine Veranstaltung lebt nicht zuletzt auch von sozialen Kontakten. Aber vom Hotel aus geht der eine abends ins Konzert, der nächste ins Hofbräuhaus und wohin auch immer. Also fragte ich Herrn Huber: "Wo passiert denn, wenn die CSU sich trifft, das meiste oder Entscheidende?" - "Na, im Bierkeller!" Auf diese Weise ist die "Akademie für Politische Bildung in Nabburg" abgelehnt und der Standort Tutzing durch Erbpacht dauerhaft gesichert worden. Und den Neubau des schönen Hörsaals haben wir danach auch noch hingekriegt.

Sie sind seit gut zehn Jahre nicht mehr in Chefpositionen, sowohl hier als auch an der Uni Passau. Wie schwer haben Sie sich von den dazugehörigen Statussymbolen getrennt?

Das Einzige, was ich wirklich vermisse, ist ein Dienstfahrzeug. Da bin ich wie Churchill, der irgendwann mal gesagt hat, das Interessanteste am Amt sei die "transportation". Aber ansonsten hat mir das nicht wehgetan. Ich habe immer noch etwas gemacht, und da waren auch immer kluge Leute um mich herum.

Politiker haben sich immer gerne um Rat an Sie gewandt. Wie waren Ihre Erfahrungen mit den bayerischen Ministerpräsidenten?

Unter Goppel ist mir eine Stelle in der Staatskanzlei angeboten worden. Mit Strauß gab es Diskurse in Bonn. Weniger marginal! Stoiber war insofern ein hochinteressanter Gesprächspartner, weil er sachorientiert, innovationsfreundlich und diskussionsoffen gewesen ist. Er war jemand, der seine Leute aufgefordert hat, ihm zu widersprechen. Die haben tolle Konzepte entwickelt: Die ganze Privatisierung des Staatsbesitzes und solche Geschichten, die mitursächlich dafür sind, dass der Freistaat Bayern heute das Bundesland ist, das alle anderen über den Finanzausgleich unterstützt. Beckstein war sehr sachlich und offen orientiert. Mit Seehofer gab es keinen so intensiven Kontakt. Ich glaube, dass er mehr von seiner Position überzeugt war, als es Stoiber war, aber er hat durchaus auch auf andere gehört. Jedenfalls habe ich nach tiefem Dissens zwischen uns das Amerikahaus gerettet, das er ursprünglich der acatech übereignen wollte. Söder kenne ich aus den Zeiten, zu denen er noch nicht Ministerpräsident war, und da war es immer ein bisschen schwierig, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ich weiß, dass er zu denen gehört, die mit meinen Analysen nicht immer sehr einverstanden gewesen sind. Aber auch er hat mir zum Geburtstag gratuliert und drunter schreibt er: "Kommen Sie doch mal wieder zu einer Tasse Kaffee vorbei." Ich werde versuchen, das zu realisieren, und dann werde ich sehen, ob das Gespräch für zwei Tassen reicht.

Ein Projekt, das Sie bis jetzt beschäftigt hat und das Ihnen auch sehr wichtig war, ist die Herausgabe des Staatslexikons der Görres-Gesellschaft.

Die Tradition des Staatslexikons geht ins Jahr 1889 zurück. Sie gründet im Kulturkampf, im berechtigten Versuch der katholischen Intelligenz, ihrer Diffamierung entgegenzutreten. Man kann aber in den Auflagen seither sehr deutlich sehen, dass sich das immer mehr ins Wissenschaftliche normalisiert hat. Unsere Priorität bei der achten und vollkommen neu gestalteten Auflage ist die wissenschaftliche Unfehlbarkeit und Kompetenz gewesen. Zu meinen Erinnerungen gehört, dass ein sozialethischer Artikel von einem sehr konservativen Sozialwissenschaftler geschrieben worden war mit sehr einseitigen Formulierungen. Ich habe ein bisschen redigiert und präzisiert, ohne die Aussage zu verändern. Am Ende bedankte sich der Autor und fügte an, der Artikel habe durch meine Eingriffe gewonnen. Sehen Sie, das sind dann so Lebenserfahrungen. Ansonsten sieht man in der Fortsetzung des Werks, wie sich in diesen Auflagen die Zeitgeschichte spiegelt, wie neue Probleme, die auf ein politisches und gesellschaftliches System zukommen, wissenschaftliche Aussagen provozieren und auch verändern.

Diese achte Neuauflage ist jetzt an der Uni Passau zu einem guten Ende gekommen.

Das erinnert mich dran, dass ich den Artikel "Triage" 14 Tage vor Drucklegung noch bestellt und geliefert bekommen habe. Zeitumstände sind manchmal provozierend und man muss sich anstrengen, ihnen gerecht zu werden. Wir hätten den letzten Band schon Ende des letzten Jahres auf den Markt gebracht, sind aber an Corona gescheitert. Es gab nämlich keinen Pappendeckel, um den Schuber für das fertiggedruckte Werk zu produzieren.

Ihr Name ist auch verbunden mit der Journalistenausbildung, die Sie mit der Passauer Neuen Presse auf den Weg gebracht haben.

Ich habe ja selber mit dem Beruf des Journalisten geliebäugelt und hatte auch gleichzeitig mit der Bewerbung an die FU Berlin ein Angebot der FAZ. Später in Passau war Herr Diekmann [Axel Diekmann, Verleger der PNP, Anm. d. Red.] sehr offen für Neuerungen und hat gesehen, dass man im Journalismus nicht so weitermachen konnte wie bisher. Dann habe ich gemeinsam mit meinem damaligen Assistenten Schröder [Michael Schröder, später Dozent an der Akademie, Anm. d. Red.] einen Entwurf zur Gründung eines Instituts für Journalistenausbildung gemacht - vor gut 30 Jahren. Das Institut hätte ein bisschen theoretischer arbeiten sollen, als es das gegenwärtig tut. In einem relativ strengen Auswahlverfahren nehmen wir jährlich sechs bis sieben junge Leute unabhängig von ihrer Studienrichtung in dieses Stipendium auf. Während des Semesters studieren sie, und in den Semesterferien arbeiten sie in der Zeitung mit. Mittlerweile sind zwei von denen in der Chefredaktion angesiedelt und sehr viele sind bundesweit verstreut. Die Leute sind gut ausgebildet und gehen überall hin in gute Positionen. Am wenigsten von denen hat eigentlich die Passauer Neue Presse. Aber sie hält an dem Modell fest.

Wie halten Sie es eigentlich mit den Social Media?

Ich bewege mich nicht in Fake... in Facebook, nicht in TikTok, nicht in Twitter. Ich benutze mein Tablet, aber nicht als derartiges Kommunikationsinstrument. Vielleicht sollte man es tun, um zur Rationalität beizutragen. Wenn ich mir überlege, was ich gegenwärtig in der öffentlichen Meinung vorfinde, bin ich fast der Überzeugung, es ist uns über Jahrzehnte bestenfalls gelungen, durch politische Bildung eine Minderheit zu erreichen. Man kann dem Freistaat Bayern nur wünschen, dass er diese Akademie, eine einmalige Institution, erhält und einen Beitrag dazu leistet, dass diese Minderheit stabil bleibt - auch wenn diese Minderheit nicht mehr bereit ist, der CSU absolute Mehrheiten zu bescheren.

Unser Gespräch über das Leben geht allmählich zu Ende. Würden Sie Ihr Leben wieder so leben wollen, wie sie es gelebt haben?

Was ich etwas verändern sollte, wenn ich mein Leben neu starten würde: Mir wäre es wichtig, ein bisschen mehr Zeit für die Familie zu haben. Vielleicht hätte man die eine oder andere Entscheidung anders treffen können - auch in Dresden gab es schöne Wohnhäuser. Aber unser Sohn hat immer gesagt, geht ihr wohin ihr wollt, ich bleibe in Passau.

Gibt es noch etwas, was Sie gerne tun würden, was Sie noch nicht getan haben bisher?

Fußball-Profi wollte ich jetzt nicht mehr werden! In meinem Hirn laufen noch drei oder vier Bücher herum, von denen ich aber ziemlich sicher bin, dass ich bestenfalls noch eines schaffe.

Ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch, lieber Professor Oberreuter.

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