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Planetary Health

So hängen Umwelt und Gesundheit zusammen

Luftverschmutzung, Artensterben, Flächenfraß: Über die Folgen des Klimawandels besteht weitgehend Konsens. Welche fatalen Folgen die menschengemachte Umweltzerstörung auf unsere eigene Gesundheit und Sicherheit hat, erahnen weitaus weniger Menschen. Das Konzept der "Planetary Health" regt dazu an, unsere bisherige Vorstellung von Umweltschutz zu überdenken. Die Umwelt ist zwar vom Menschen abhängig, doch der Mensch ist mindestens genauso abhängig von der Umwelt. In der Tagung "Planetary Health und internationale (Sicherheits-)Politik" haben Expertinnen und Experten über das Konzept der Planetaren Gesundheit und die Folgen des Klimawandels für die menschliche Gesundheit diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 30.09.2022

Von: Martina Maier / Foto: Martina Maier

Programm: Planetary Health und internationale (Sicherheits-)Politik

Planetary Health und internationale (Sicherheits-)Politik

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Die Lage ist ernst: Die Erde heizt sich auf, der Meeresspiegel steigt, die Umwelt leidet. Schuld ist der Mensch. "Wir befinden uns in einer planetaren Notfallsituation", diagnostiziert Sabine Gabrysch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Indem wir die Ökosysteme gefährden, bringen wir uns jedoch selbst in Gefahr. Bereits heute kämpfen Menschen in vielen Teilen der Welt - auch in Deutschland - mit den Folgen extremer Wetterereignisse, der raschen Verbreitung infektiöser Krankheiten und der Ernährungsunsicherheit. "Wenn die Erde krank ist, kann der Mensch nicht gesund sein", besagt das Konzept der Planetaren Gesundheit. Die Tagung "Planetary Health und internationale (Sicherheits-)Politik" der Akademie für Politische Bildung ist diesem Konzept auf den Grund gegangen. Wie beeinflusst der Mensch den Klimawandel und welche Auswirkungen hat eine kranke Erde auf die menschliche Gesundheit?

Wie Klima und Gesundheit zusammenhängen

Der Gedanke, dass Klima und Gesundheit zusammenhängen, erscheint offensichtlich, doch Planetary Health stellt ein neuheitliches Konzept dar. Erstmalig im Jahr 2014 im Medizin-Journal "The Lancet" erschienen, beleuchtet dieses transdisziplinäre Forschungsfeld die "Zusammenhänge zwischen menschlicher Gesundheit und den natürlichen sowie den politischen, ökonomischen und sozialen Systemen der Erde, von denen die Existenz der menschlichen Zivilisation abhängt". Klima und Gesundheit sind zwei Seiten derselben Medaille: Menschliches Handeln hat gravierende Auswirkungen auf die Erde. Diese Auswirkungen wiederum gefährden die Gesundheit und die Sicherheit des Menschen. Der Kampf gegen Klimawandel ist der Kampf um das menschliche Überleben.

Damit leitet Planetary Health im öffentlichen Diskurs zum Klimaschutz eine Wende ein. Klima und Gesundheit sind voneinander untrennbar. Selbst der UN-Sicherheitsrat hat den Klimawandel zu einer der größten Herausforderungen für den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit erklärt. Sabine Gabrysch unterscheidet zwischen direkten und indirekten Folgen. Immer häufiger auftretende Stürme, Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürren gefährden uns direkt und bedrohen jährlich das Leben von Millionen Menschen. Der Blick auf die Flutkatastrophe im Ahrtal genügt, um sich ein Bild über das Ausmaß der Folgen zu machen.

Indirekt führen gerade diese ökologischen Veränderungen zu einer Reihe weiterer gesundheitsbezogener Probleme. Krankheiten, die es in Deutschland und andernorts bisher kaum oder überhaupt nicht gab, breiten sich aus. Das Coronavirus markiert wohl erst den Beginn einer Reihe von Pandemien. Hinsichtlich der überproportional wachsenden Weltbevölkerung steht zudem die globale Nahrungsmittelversorgung vor großen Herausforderungen. Von Ernährungssicherheit kann kaum noch die Rede sein; es herrscht längst Ernährungsunsicherheit. Die Corona-Pandemie und die durch den Ukraine-Krieg verursachte Lebensmittelknappheit in vielen Ländern sind ein Weckruf an die Welt.

Klimawandel und Fluchtbewegungen

In diesem Zusammenhang stehen auch umweltbedingte Fluchtbewegungen. Immer mehr Menschen sind schon heute gezwungen, ihre Heimat wegen der Folgen des Klimawandels zu verlassen. In Somalia hat die anhaltende Dürre seit dem vergangenen Jahr über eine Millionen Menschen vertrieben. Ernten fallen aus, Nahrungsmittel und Trinkwasser werden knapp; eine Hungersnot ist wahrscheinlich.

Besonders stark von Umweltschäden betroffen sind auch die pazifischen Inselstaaten. Das Grundwasser versalzt, Küsten erodieren und durch den Anstieg des Meeresspiegels drohen ganze Inseln unterzugehen. Doch die Flucht vor den katastrophalen Klimafolgen ist für viele Bewohnerinnen und Bewohner unbezahlbar. Ohne internationale Unterstützung könne die Sicherheit der Inselbevölkerung nicht garantiert werden, sagt Anne-Marie Schleich, ehemalige Deutsche Botschafterin in Neuseeland und zuständig für die südpazifischen Inselstaaten. Um auf ihre existenzielle Bedrohung aufmerksam zu machen und ihre Forderungen auf internationaler Ebene durchzusetzen, schließen sich die Inselstaaten zusammen und verbünden sich mit anderen Ländern. Die Alliances of Small Island States (AOSIS) besteht aus 52 kleinen Inselstaaten und gilt als eine der einflussreichsten Klimalobbys für Inselstaaten in den Vereinten Nationen. Trotz unzureichender Fortschritte, bleiben gerade solche Klimapartnerschaften, globale Umweltabkommen wie das Übereinkommen von Paris und NGOs für die Existenz der Inseln besonders wichtig, betont Schleich.

Der Mensch als Einflussfaktor auf das Klima

Schuld an den fatalen Veränderungen der Umwelt, ist nicht etwa die Natur. Der größte Einflussfaktor ist der Mensch selbst. Tatsächlich sprechen Forscherinnen und Forscher von einem neuen Erdzeitalter, dem Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen. Die Verantwortung für die Zukunft der Erde liegt bei uns. Nicht umsonst gelten die Pariser Klimaschutzziele als kritisch für einen Planeten, auf dem Leben möglich ist. Bei einem globalen Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad könnten erste Elemente des Ökosystems kippen. Die Folgen des Klimawandels werden dann unumkehrbar. Die Menge an CO2, die die Menschheit noch ausstoßen darf, um Pariser Klimaschutzziele einzuhalten, sinkt drastisch. Ohne ein schnelles Umdenken, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Kipppunkt erreicht wird.

Nichtsdestotrotz scheint dieser Warnruf bei vielen Menschen nicht anzukommen. Das liegt unter anderem daran, dass erst nachfolgende Generationen die Kosten unserer Zerstörung tragen und nicht wir selbst. Paradoxerweise ging der Klimawandel jahrelang sogar mit einer Verbesserung der Lebenssituation für den Großteil der Weltbevölkerung einher, sagt Gabrysch. Die Kindersterblichkeit ist weltweit beispielsweise auf vier Prozent gesunken und die Lebenserwartung auf 72 Jahre gestiegen. Doch auf alle Menschen trifft dies nicht zu: Rund 820 Millionen Menschen weltweit hungern aktuell. Gleichzeitig sind die reichsten zehn Prozent für die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich. Für die katastrophalen Folgen zahlen jedoch die Ärmsten den Preis. Sie leiden weiter. Es besteht ein enormes Gerechtigkeitsproblem. Das Konzept der Planetary Health beschäftigt sich deshalb auch mit Klimagerechtigkeit.

Die Planetary Health Diet

Als lösungsorientierter Ansatz setzt sich die Planetary-Health-Forschung ausgiebig mit der Suche nach konkreten Handlungsmaßnahmen auseinander, die sowohl unsere Gesundheit fördern als auch Klima und Umwelt schonen. Eine Win-win-Situation also. Ein Großteil dieser Lösungsmaßnahmen setzt auf der individuellen Ebene an.

Eine neu entwickelte Strategie ist die sogenannte Planetary Health Diet. Von der EAT-Lancet-Kommission erarbeitet, dient dieses Ernährungskonzept dem Wohle des Menschen, aber auch dem der Erde. Ziel ist es, im Jahr 2050 eine Weltbevölkerung von zehn Milliarden Menschen ernähren zu können. Der empfohlene Speiseplan beinhaltet größtenteils Gemüse, Obst, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte, schließt allerdings den Verzehr von Fleisch nicht aus. Neben Milchprodukten und Eiern, sollten Fisch und Fleisch nur in geringen Mengen konsumiert werden. Die Planetary Health Diet zeigt, dass eine Änderung unserer Essgewohnheiten die Gesundheit des Menschen und der Erde gleichermaßen schützt. Vor allem aber geht es um globale Gerechtigkeit: Durch eine nachhaltige Ernährungsweise und die Reduktion von Lebensmittelverschwendung, kann die gesamte Weltbevölkerung langfristig ernährt werden.

Unsere Beziehung zum Planeten Erde neu denken

Planetary Health regt dazu an, die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Planeten Erde neu zu erfinden und schafft einen Handlungsrahmen für kommende Herausforderungen. Dass wir ein Teil der Natur sind und unser Wohlergehen von ihr abhängt, müsse in der Gesellschaft endlich ankommen, mahnt Gabrysch. Ein grundlegender Wandel bedeute keinen Verzicht; vielmehr liege es nun an der Menschheit, das bisherige Niveau an Lebensqualität in der Zukunft zu erhalten. Gemeinsam müssen wir unser Wissen in Handeln umsetzen, realisierbare Lösungsansätze entwickeln und so unsere Gesundheit und die unserer Umwelt - also die Planetare Gesundheit - sichern. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft brauchen einen Systemwandel unter Bedienung eines neuen Narratives: Es gehört nämlich nicht die Erde zum Menschen, sondern der Mensch zur Erde.

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