EU-Sanktionen gegen Russland
Warum sie russische Oligarchen oft nicht treffen
Auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert der Westen mit Sanktionen gegen den russischen Staat und russische Oligarchen. Das Problem an der Sanktionierung: Oligarchen lagern ihr Kapital oft im Ausland, um es zu schützen. Die EU-Staaten stehen vor einer großen Herausforderung. Denn es ist zum einen nicht immer nachvollziehbar, wem das Vermögen gehört. Zum anderen lassen sich Vermögen nicht so einfach einfrieren, wenn sie Offshore liegen. Im Rahmen der Tagung "Panama, Paradise, Pandora: Vom Steuerwettbewerb zur Steuerhinterziehung" an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing hat die Journalistin Scilla Alecci über die Probleme der Sanktionierung russischer Oligarchen berichtet und gezeigt, was Journalistinnen und Journalisten zur Lösung des Problems beitragen.
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 06.07.2022
Von: Theresa Schell / Foto: iStock/Danilo Belo Daniel
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Der Westen versucht, Russland durch Sanktionen zu einer Korrektur der Politik gegenüber der Ukraine zu bewegen. Seit 2014 wegen der Annexion der Halbinsel Krim, nun umso mehr wegen des Angriffskriegs auf den Rest des Landes. Russische Oligarchen wissen, dass sie von Sanktionen betroffen sein können. Deshalb sorgen sie vor und ergreifen Maßnahmen, die es Behörden erschweren, ihre Vermögen zuzuordnen. Oft transferieren sie ihr Vermögen auch nach Übersee in Länder wie Panama oder auf die Seychellen. Aber auch europäische Staaten wie Malta, die Niederlande oder gar Deutschland, was wegen seiner fehlenden Bargeldobergrenze international als Geldwäscheparadies gilt, bieten sich als sicherer Hafen für schmutziges Geld an. Eine Steueroase zeichnet sich durch ein intransparentes Finanzsystem aus, also eine minimale Finanzmarktregulierung und Finanzmarktaufsicht sowie ein hohes Maß an Vertraulichkeit. Die örtlichen Behörden geben keine Informationen über Finanztransaktionen und Eigentum weiter. In diesen Ländern werden nicht nur legal Steuern vermieden, sie dienen auch zur Steuerhinterziehung, Geldwäsche und dem Verschleiern von Eigentum. Die Gratwanderung zwischen Steuerwettbewerb und Steuerhinterziehung war Thema der Tagung "Panama, Paradise, Pandora" an der Akademie für Politische Bildung. Die Journalistin Scilla Alecci vom International Consortium of Investigative Journalists hat über ihre Recherchen zu den Pandora Papers berichtet und erklärt, warum Sanktionen gegen russische Oligarchen oft wirkungslos bleiben.
Die EU-Sanktionen gegenüber Russland seit der Annexion der Krim 2014
Als Folge der Krim-Annexion beschloss die EU 2014 Sanktionen gegen russische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie russische Organisationen. In diesem Zusammenhang sollte das Vermögen bestimmter Personen eingefroren und der Handel mit Gütern wie Rohren und Werkzeugen zur Energiegewinnung durch Öl und Gas eingeschränkt werden. Im Hinblick auf die aktuelle Sanktionierung Russlands stellt sich die Frage, wie wirksam die bisherigen Maßnahmen waren. Laut Frederik Obermaier und Jörg Schmitt von der Süddeutschen Zeitung setzte die EU die Sanktionen in der Vergangenheit nicht hart durch, sondern hoffte eher auf eine Signalwirkung. Eine naive Strategie, schlussfolgern die Journalisten im Podcast "Das Thema". Der russische Präsident Wladimir Putin zahlte sanktionierten Landsleuten Entschädigungen und gab Unternehmen Staatsaufträge, um die finanziellen Ausfälle auszugleichen.
Die aktuellen Sanktionen gegen Russland sind strenger und umfassender. Von den Sanktionen der EU ist die russische Wirtschaft deutlich betroffen. Putin scheint weniger finanziellen Spielraum zu haben, um Verluste auszugleichen wie bisher. Deutschland hat eine Taskforce im Bundeskanzleramt gegründet, um die Sanktionen zu koordinieren und durchzusetzen. Man will aus Fehlern lernen. Das Bundeskriminalamt, die Steuerfahndung und die Bundeszollverwaltung arbeiten zusammen und durchsuchen auch geleakte Daten ausländischer Finanzdienstleister nach den Namen sanktionierter Oligarchen, um deren Eigentum aufzuspüren. Bei den Informationen, die ihnen zur Verfügung stehen, handelt es sich um firmeninterne Unterlagen verschiedener Dienstleister im Finanzsektor, die legale und illegale Steuervermeidung belegen.
Journalistinnen und Journalisten kämpfen gegen Steuerhinterziehung
Scilla Alecci ist Journalistin und Mitglied des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), eines internationalen Netzwerks von Investigativjournalistinnen und -journalisten. Das ICIJ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung aufzudecken. Bekannt wurde das Netzwerk durch die Veröffentlichung von Unterlagen über Steueroasen und Briefkastenfirmen, darunter die Panama Papers, die Paradise Papers und die Pandora Papers. Mehr als 600 Journalistinnen und Journalisten haben an diesen Veröffentlichungen gearbeitet, unter anderem aus deutschen Medienhäusern wie dem NDR und dem WDR. Auch das Investigativteam der Süddeutschen Zeitung, das auch das berühmte Ibiza-Video mit dem damaligen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen an die Öffentlichkeit brachte, gehört zum Netzwerk. Weltweit waren etwa 150 verschiedene Medien wie die Washington Post, der Guardian oder die BBC beteiligt. Die Journalistinnen und Journalisten profitieren von ihrer Zusammenarbeit durch größere Ressourcen und mehr Wissen. Die Mitglieder des ICIJ überprüfen die Informationen, bereiten sie auf und veröffentlichen sie.
Erkenntnisse der Pandora Papers
Das neuste Projekt des ICIJ im Finanzsektor sind die Pandora Papers, veröffentlicht im Herbst 2021. Hierbei handelt es sich um interne Informationen von Finanzdienstleistern und Kanzleien - das heißt von Unternehmen, die ihren Kunden beim Gründen und Verwalten von Briefkastenfirmen helfen. Die Dokumente der Pandora Papers stammen aus 14 Leaks verschiedener Anbieter weltweit. Insgesamt handelt es sich um rund 11,9 Millionen Dokumente, die Hunderte Politikerinnen und Politiker belasten, mit Hilfe von Briefkastenfirmen ihr Vermögen zu verschleiern. Unter den Betroffenen sind allein 35 amtierende und ehemalige Staats- und Regierungschefs.
"Die Pandora Papers aus dem Jahr 2021 haben gezeigt, dass die Panama Papers von 2016 kein Einzelfall sind", betont Scilla Alecci. Die damaligen Veröffentlichungen beruhten auf Daten der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca. Die Pandora Papers zeigen, dass viele Briefkastenfirmen nicht geschlossen, sondern schlichtweg verlegt und von anderen Finanzdienstleistern betreut wurden. Das Netzwerk aus Journalistinnen und Journalisten hat durch die ihm zugespielten Daten herausgefunden, dass eine große Anzahl an Politikerinnen und Politikern immer noch Finanzsysteme im Ausland nutzt. Großbanken sind an der Organisation der Kapitalflüsse maßgeblich beteiligt. Dabei ist die Bezeichnung Offshore irreführend. Zwar sitzen die Briefkastenfirmen beziehungsweise deren Anschriften im Ausland, die meisten Menschen dahinter leben jedoch in großen Städten vieler Industrieländer. Die Süddeutsche Zeitung, die an der Veröffentlichung beteiligt ist, schreibt allerdings, dass vieles, was die Unterlagen belegen, zwar legal ist, aber nicht unbedingt legitim.
In den Pandora Papers tauchen - wie bereits in den Panama Papers 2016 - zahlreiche enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf. Der Pressesprecher der russischen Regierung erklärte, dass es sich dabei lediglich um eine Ansammlung unbewiesener Behauptungen handele. Daher sieht der Kreml keinen Anlass, Überprüfungen durchzuführen. Die Pandora Papers blieben in Russland zunächst weitestgehend unbeachtet. In den Fokus gerieten die Erkenntnisse des Datenleaks jedoch mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Seitdem sanktioniert die EU russische Oligarchen und friert deren Vermögen ein. Denn Oligarchen zeichnet nicht nur ihr Reichtum aus, sondern auch ihre politische Rolle.
Die Ineffektivität von Sanktionen gegen russische Oligarchen
Das Problem der Sanktionierung russischer Oligarchen ist ein grundlegendes, denn westliche Behörden können nur Vermögen einfrieren, von denen sie wissen. Deshalb müssen Regierungen auch Stellvertreterinnen und Stellvertreter sowie Briefkastenfirmen unter die Lupe nehmen, damit die Sanktionen wirken. Auch das ICIJ hat überprüft, welche russischen Politikerinnen, Politiker und Unternehmen in der Datenbank der Pandora Papers zu finden sind. Das Netzwerk veröffentlicht jedoch keine Rohdaten, sondern nur wesentliche Erkenntnisse daraus, denn es muss seine Quellen schützen. Offshore-Firmen und Offshore-Konten russischer Oligarchen sind für EU-Staaten nur schwer zu finden, da die Staaten, in denen sie liegen, keine Auskunft über die Finanzmittel geben. Außerdem kann Vermögen im Ausland nicht eingefroren werden.
Sergei Roldugin - der beste Freund Wladimir Putins
Der Cellist Sergei Roldugin ist zwar kein Oligarch oder Politiker, aber ein sehr enger Freund Putins. Sein Name taucht bereits in den Panama Papers auf. Und das, obwohl er behauptet, kein Geschäftsmann zu sein. Die Dokumente, die im Jahr 2016 veröffentlicht wurden, zeigen nicht nur Millionendeals. Roldugin ist auch Eigentümer, beziehungsweise Miteigentümer, dreier Briefkastenfirmen. Die Unternehmen besaßen Aktienoptionen für einige der wichtigsten Konzerne Russlands. Nachdem mehrere Dokumente offensichtlich Roldugins Unterschrift tragen, sind die Anschuldigungen nicht von der Hand zu weisen. Im Fall des Cellisten geht es bei der Nachverfolgung des Vermögens nicht nur um ihn selbst. Es stehen Spekulationen im Raum, dass es sich um Gelder Putins handelt, die sein Freund verwaltet. Diese Behauptung konnte bisher nicht verifiziert werden. Seit Februar 2022 steht Roldugin auf der Sanktionsliste der EU, ob die Sanktionen tatsächlich wirken ist - wie bei den meisten Oligarchen - unklar.