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Holger Paetz predigt in der Fastenzeit

Der Kabarettist zeigt sein Programm "Fürchtet Euch!" in Tutzing

Fastenzeit ist Kabarettzeit: Der Münchner Kabarettist Holger Paetz hat seine Fastenpredigt "Fürchtet Euch!" an der Akademie für Politische Bildung gehalten. Zu hören gab es von Pater Paetz nicht nur Gedichte und Orgelmusik, sondern vor allem bitterböse Spitzen in Richtung Politik und Kirche.

Tutzing / Kultur / Online seit: 04.04.2022

Von: Beate Winterer / Foto: Beate Winterer

Programm: Kultur am See: Fürchtet Euch!

Fürchtet Euch! Die Fastenpredigt von und mit Holger Paetz

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

In Zeiten, in denen wir uns jeden Morgen fürchten, wenn wir die Zeitung aufschlagen, wie es Akademiedirektorin Ursula Münch formuliert, sind es vor allem Kabarettisten, die unterhalten, ohne die Realität auszublenden. Im schwarzen Talar, begleitet von Orgelmusik, war Holger Paetz mit seiner Fastenpredigt "Fürchtet Euch!" zu Gast an der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Der Kabarettist und frühere Autor des Singspiels beim Starkbieranstich am Nockherberg hielt als Pater Paetz Kirche, Gesellschaft und Politik den Spiegel vor.

"Einmal nicht CSU wählen ist gar nicht so schlimm"

Für die Niederlage der Union bei der Bundestagswahl 2021 hat er eine plausible Erklärung: Corona ist Schuld! Wie an so vielen Dingen. "Der Wähler konnte sich die Partei nicht mehr schön saufen", erklärt Holger Paetz. Das habe sich schon im Ringen zwischen Markus Söder und Armin Laschet um die Kanzlerkandidatur gezeigt. Oder wie Paetz das Duell zusammenfasst: rheinischer Tropf vs. fränkische Dachlatte. Laschet, den Paetz eher im Elferrat als in der Politik sieht, sei seine Fröhlichkeit zum Verhängnis geworden. "Der lacht halt gerne, der lacht auch auf dem Friedhof", kommentiert Paetz den unrühmlichen Auftritt auf der Gedenkfeier für die Opfer des Hochwassers im Ahrtal.

Bei Markus Söder fallen Paetz grammatikalische Fehltritte auf. Eine Kostprobe gab der bayerische Ministerpräsident am Aschermittwoch, als er das Publikum mit den Worten "Herzlich willkommen, dass ihr da seid" begrüßte. Damit beeindruckt er nicht einmal seinen Amtsvorgänger Edmund Stoiber, der schon früh wusste, dass "der Vater des Wunsches der Gedankengang ist" und seine Zuhörinnen und Zuhörer verwirrte mit Aussagen wie "Geist und Grips sind unsere einzigen Rohstoffe, und Bayern ist ein rohstoffarmes Land". Paetz' Tipp an Söder ist deshalb klar: "Markus, versuch' nicht originell zu sein, du kannst es nicht." Sonst könnten sich Szenen wie vergangenen Herbst wiederholen. Der Wähler habe damals gemerkt, dass einmalig nicht CSU wählen gar nicht so schlimm sei. Bleibt abzuwarten, wie sich die Union mit der neuen Führung um Friedrich Merz entwickelt, einem "ganz normalen Mittelstandsmillionär mit gerade einmal zwei Privatflugzeugen".

Corona-Cabarett mit Virologen-Lied und Masken-Gedicht

Die Freien Wähler betrachtet Holger Paetz nicht als Konkurrenz - jedenfalls nicht, solange sie von Hubert Aiwanger geführt werden und der behauptet, Starkbier sei der natürliche Feind des Virus. "Da wirkt jeder, der neben ihm sitzt intelligent", findet Paetz. Die Corona-Pandemie hat aber zu anderen erstaunlichen Erkenntnissen geführt. Masken zum Beispiel mindern Bauchfett, erklärt Pater Paetz seiner Gemeinde und knüpft damit an sein Corona-Cabarett an. Oft stellt man erst vor dem Supermarkt oder an der Bushaltestelle fest, dass die Maske wieder daheim liegt - und bewegt sich durch die zusätzlichen Wege mehr als früher. Die Maske hat auch optische Vorteile. "Sie verleiht selbst einem Knollennasengesicht die Aura eines Chefarztes. Frauen bekommen etwas von 1000 und einer Nacht, selbst Markus Söder sieht erträglich aus mit seiner Rautenserviette - Modell Landgasthof", findet Holger Paetz.

Den bayerischen Kultusminister "Pizzajola" immitierte er reimend mit "Präsenzunterricht, Präsenzunterricht, ein Schulkind infiziert sich nicht". Eine bayerische Schule könne schließlich nicht zum Hotspot werden, das Virus scheue sich schon am Eingang. Und Schultoiletten gehören auch nicht renoviert, sondern samt Urinstein unter Denkmalschutz gestellt. Entspannter als für die Schulen empfand Paetz die Corona-Situation für die Kultur. Er spricht von einem "erfrischenden Gefühl" nichts zu verpassen, weil ohnehin nichts passiert.

Er selbst scheint die Pandemie auch musikalisch zu verarbeiten. Begleitet von sich selbst am Keyboard, singt er von zwei Virologen und lehrt seiner Gemeinde die Faustregel "Ein Experte steckt zwei weitere an", bevor er wieder zu den Gedichten übergeht: "Wie sieht es aus in der Charité? Gibt es Maskenverweigerer im OP?" Die Gegner der Corona-Maßnahmen schneiden in seiner Predigt generell nicht gut ab. "Niedlich finde ich ja querdenkende ImpfImpfgegner mit Reichskriegsflagge, die den Kaiser wiederhaben wollen. Die Impfpflicht wurde im Kaiserreich eingeführt", erklärt er dem Publikum. Er bedauert, dass es statt Impfdränglern nur noch Impfquengler gibt, die glauben, nach der Spritze wären kleine Roboter in ihren Körpern. "Ich wäre froh, denn dann wäre da endlich was los", findet Paetz.

Pater Paetz liest der Kirche die Leviten

Anders als der Titel Fastenpredigt vermuten lässt, kommt auch die katholische Kirche in der Version von Pater Paetz nicht ungeschoren davon. Mit näselnder Stimme parodiert dieser den emeritierten Papst Benedikt XVI., der nicht von Missbrauch sprechen will, "wenn ein Priester nur sein Ding rauszieht". Er erinnert daran, dass die Benutzung von Kondomen weiterhin nicht zulässig ist - "außer bei einem katholischen AIDS-kranken Prostituierten, damit er nicht schwanger wird" - verweist aber auch darauf, was die Kirche Gutes tut. Schließlich sei Europa seit dem Mittelalter hexenfrei. Und frei nach Angela Merkel, der Meisterin des Nullsatzes, lobt er: "Ich glaube, dass die katholische Kirche eine große Bedeutung hat, was die Religiosität betrifft." Nur um erneut einen Reim anzuschließen. "Ich fühle mich benebelt, weiß nicht mehr, wo ich bin, mein Hirn ist ausgehebelt, es sprach die Kanzlerin."

Die Frage des Abends: Wie heißt der Plural von Krokus?

Holger Paetz scherzt über die Homöopathie ("Da könnte man doch auch Münzen mit Wasser abspülen, das Wasser in der hohlen Hand auffangen und damit in der Apotheke bezahlen.") und Karl Lauterbach ("Saß mehr bei Lanz als Lanz selbst"). Dann blättert weiter in seinem schwarzen Buch, streift Kirchensteuer, Klimawandel und die Frisur von Anton Hofreiter, um schließlich beim russischen Präsidenten Wladimir Putin zu landen. Der halte sich bei allem, was er mache, an die russische Volksweisheit "Die Wahrheit ist ein kostbares Gut, man muss sparsam damit umgehen".

Zum Abschied gibt Pater Paetz seiner Gemeinde nicht nur eine Sammlung "sehr sehr schöner Frühlingsgedichte" mit auf den Heimweg, sondern auch die Frage, wie denn nun der Plural von Krokus heißt. Krokusse? Kroken? Kroki? Kroküsse? Darüber dachten sicher noch viele im Auto nach. Genau wie über Pater Paetz' guten Rat: "Fürchtet Euch vor der Furcht, denn sie könnte gefährlich werden!"

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