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Jugendliche gestalten die Zukunft

Ideenwerkstatt zu Migration, Digitalisierung, Bionik und Grundeinkommen

Klimakrise, Digitalisierung und Migration: Die junge Generation muss globale Herausforderungen meistern. In der Ideenwerkstatt "Zehn für Zukunft" haben sich Schülerinnen und Schüler aus Oberbayern mit diesen Themen beschäftigt und Lösungsansätze diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 27.10.2020

Von: Jonas Detering / Foto: Jonas Detering

Programm: Tutzinger Schülerforum: Ideenwerkstatt "Zehn für Zukunft - Gesellschaftliche Veränderungen wahrnehmen und gestalten"

Schülerforum: Ideenwerkstatt "Zehn für Zukunft

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Tatsächlich täuscht der Titel "Zehn für Zukunft" in diesem Jahr: Da der eigentliche Veranstaltungstermin aufgrund der Corona-Pandemie ins neue Schuljahr verschoben wurde, besuchen die Jugendlichen nicht mehr die zehnte, sondern die elfte Klasse. "Es ist toll, dass diese Veranstaltung trotzdem stattfinden konnte, wenn auch anders als geplant", sagte Susanne Raab von der Dienststelle der Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Oberbayern-West. Eigentlich war vorgesehen, dass die vier Gruppen von Jugendlichen jeweils einen Workshop planen und diesen mit anderen Jugendlichen durchführen. Aufgrund der der Kontaktbeschränkung stellten sie ihre Workshops nun den anderen Teams vor. Auch hier zeigten sich die Jugendlichen kreativ, denn sie mussten ihre Workshops, die eigentlich für zwei Tage gedacht waren, auf zwei Stunden reduzieren.

Bedingungsloses Grundeinkommen - Sozialistisch oder neoliberal?

Die Gymnasiasten aus Moosach (München) widmeten ihren Workshop der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Viele Teilnehmenden sehen dies als Mittel für höhere Entscheidungsfreiheit und gegen soziale Ungleichheit, zeigten sich aber in einem anfänglichen Stimmungsbarometer als eher unentschlossen. Anschließend beschäftigten sich die Jugendlichen mit den vielseitigen Aspekten des bedingungslosen Grundeinkommens. Senkt es die Bereitschaft zur Arbeit oder erhöht es die Motivation? Initiiert es Wachstum oder zerstört es die Wirtschaft? Und hilft es gegen soziale Ungleichheit oder verstärkt es sie? Auf all diese Fragen konnten auch die Teilnehmenden keine abschließenden Antworten finden und hielten fest, dass die Effekte eines bedingungslosen Grundeinkommens noch im Ungewissen liegen. Trotzdem polarisierte der Workshop: Waren die Teilnehmenden anfangs noch unentschlossen, zeigte sich die Mehrheit zum Abschluss skeptischer.

Bionik – Beitrag gegen die Klimakrise oder Marketing-Gag?

Mit einem technischen Blick auf die Natur, der Bionik, beschäftigten sich die Schülerinnen des Descartes-Gymnasiums Neuburg an der Donau. Bionik ist die Übertragung von natürlichen Phänomenen auf die Technik. Die Schülerinnen überraschten ihre Teilnehmenden mit einer Reihe von Technologien, die der Mensch sich von der Natur abgeschaut hat, wie dem von der Klette inspirierten Klettverschluss. Auch die Klimakrise und der hohe Ressourcenverbrauch des globalen Nordens sowie die Rolle von Bionik in der Lösung dieser Problemfelder wurde thematisiert. Die Gruppe zeigte, wie die Stromlinienform von Fischen in der Industrie genutzt wird, um Autos effizienter zu machen. Viele Teilnehmenden waren sich einig: Bionik kann einen Betrag im Kampf gegen die Umweltkrisen leisten, wenn politischer Wille da ist.

Wandel der Arbeitswelt durch Digitalisierung

Die Gruppe des Gymnasiums Tutzing führte einen Workshop zu den Auswirkungen der Digitalisierung und Automatisierung auf die Arbeitswelt durch. Dabei konnten die Teilnehmenden ihre persönlichen Erfahrungen mit der rapiden Digitalisierung des Schulbetriebs aufgrund der Pandemie einbringen. Auch in der Schule wird die Trennung von Arbeit und Freizeit deutlich schwieriger, wenn Schüler immer erreichbar sind. Die Jugendlichen stellten fest, dass schon heute die technischen Möglichkeiten bestehen, viele Berufe zumindest teilweise durch Robotik oder Künstliche Intelligenz zu ersetzen. Die Bereiche Industrie, Pflege und Medizin wurden dabei besonders unter die Lupe genommen. Hier kamen die Teilnehmenden zu dem Schluss, dass die Digitalisierung zwar viel Potential hat, aber auch mit sehr großen Herausforderungen verbunden ist. Können und sollen menschliche Arbeitskräfte ersetzt werden? Welche Auswirkungen hat das auf den sozialen Zusammenhalt? Generell schauten die Schülerinnen und Schüler optimistisch, aber nicht naiv, in die Zukunft.

Gesellschaftlicher Wandel durch Migration in Deutschland

Mit dem Einfluss von Migration auf die Bundesrepublik beschäftigte sich die Gruppe des Gymnasiums Olching. Sie zeigte, wie Migration schon immer zur menschlichen Existenz dazugehörte, von der Verbreitung der Gattung Homo über den Kolonialismus bis zur Migration innerhalb der Europäischen Union (EU). Eine Schülerin erzählte aus ihrer Familiengeschichte, denn ihr Großvater kam als sogenannter Gastarbeiter von Konya in der Türkei nach Oberbayern. Auch die derzeitigen Migrationsbewegungen behandelte der Workshop. Insbesondere die Situation von Geflüchteten im Lager Moria auf der Insel Lesbos entrüstete viele Jugendliche. Des Weiteren standen die gesamtgesellschaftlichen Chancen und Herausforderungen im Fokus. Wie können Vorurteile abgebaut werden? Welche Auswirkungen hat Migration auf das Herkunftsland? Auch hier waren die Jugendlichen optimistisch, dass Schwierigkeiten gemeistert werden können.

Schülerinnen und Schüler diskutieren mit Landtagsabgeordneten

Abschließend hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, die neugewonnenen Eindrücke mit drei Landtagsabgeordneten zu diskutieren. "Wann kommt endlich die europäische Lösung für Moria?", fragte ein Schüler. Diana Stachowitz (SPD) verdeutlichte, dass Kompromisslösungen eingegangen werden müssten, und verwies auf die Opposition von Regierungen wie der Viktor Orbáns in Ungarn. Es sei ein "Albtraum wie dieser Mensch über andere Menschen redet". Matthias Enghuber (CSU) sagte aber, dass es besser sei "mit solchen Kräften zu reden - auch wenn es oftmals wenig bringt". Die Europäische Union sei, trotz ihrer Mängel, das beste Friedenskonzept, das es gebe. Daraufhin plädierten einige Jugendliche für einen deutschen Sonderweg. Es könne nicht sein, dass Menschen, darunter auch Kinder, mit Tränengas beschossen werden, wenn es in Deutschland viele Kommunen gäbe, welche bereit seien, mehr Menschen aufzunehmen.

In Bezug auf die Klimakrise und soziale Gerechtigkeit kamen die Diskutierenden auf das Thema Lebensmittelverschwendung. Enghuber hielt fest, dass es einen parteiübergreifenden Konsens gäbe, dass dies verwerflich sei. Allerdings halte er die Freiheit der Unternehmen für wichtig und wollte ihnen keine übergreifenden Gesetze vorschreiben. Viele Unternehmen hätten schon jetzt gute Lösungen gefunden. Benjamin Adjei (Grüne) widersprach dem und bemängelte die Strafbarkeit des Containerns, also der Praxis, nicht-verdorbene Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten zu entwenden. Ob die unternehmerische Freiheit denn wichtiger sei, als Lebensmittelverschwendung vorzubeugen, fragte auch eine Schülerin.

Die Debatte zwischen Jugendlichen und Abgeordneten zeigte erneut die Problemstellungen, die aus dem politischen Prozess entstehen. Verschiedene Güter müssen abgewogen und differenziert betrachtet werden – eine Erkenntnis, die sich durch die gesamte Veranstaltung zog. Auch wenn dies abschreckend wirken kann, die Jugendlichen zeigten sich umso engagierter, anstehende Herausforderungen zu meistern.

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