Thomas Mann - Lehrer der Deutschen
Neue Publikation aus der Reihe Tutzinger Studien zur Politik
Wie kaum ein anderer trat Thomas Mann in öffentliche Opposition zu Adolf Hitler und den Nationalsozialisten. Der Schriftsteller hat einen weiten Weg hinter sich gebracht, vom antidemokratischen Kriegsenthusiasten zum überzeugten Demokraten im amerikanischen Exil. Der neueste Band der Tutzinger Studien zur Politik "Praeceptor Germaniae - Thomas Mann und die politische Kultur der Deutschen" zeichnet seine Entwicklung nach und geht auf die Rezeption seines Werks im Nachkriegsdeutschland ein.
Tutzing / Publikation / Online seit: 04.12.2019
Von: Frederik Haug / Foto: Thomas Mann in Bern im Juni 1949 (Quelle: Thomas-Mann-Archiv der ETH-Bibliothek Zürich, Fotograf: Walter Nydegger, CC BY-SA 4.0)
Heinrich Oberreuter (Hrsg.)
Praeceptor Germaniae
Thomas Mann und die politische Kultur der Deutschen
Tutzinger Studien zur Politik, Baden-Baden, 2019
Der Sammelband "Praeceptor Germaniae - Thomas Mann und die politische Kultur der Deutschen" beschreibt den Thomas Manns Werdegang als politischer Akteur. Er geht auf seine Lernprozesse während des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik genauso ein wie auf seine Exiljahre in den USA und die Auseinandersetzung sowohl mit dem Nationalsozialismus als auch mit Nachkriegsdeutschland.
Ein Humanist in unterschiedlichem Gewand
Für Heinrich Oberreuter, Herausgeber des Sammelbandes und ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung, ist Thomas Manns radikaler Gesinnungswandel in erster Linie einer Veränderung der politischen Umgebung nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet, vor allem, was die zunehmende Radikalisierung national-konservativer Milieus während der Weimarer Republik anbelangt. Im Grunde sei Mann immer ein Vertreter humanistischer Ideen gewesen, der zur Einsicht kam, dass sich Demokratie und Humanität gleichsetzen lassen. Zuvor stand er republikanischen Vorstellungen ablehnend gegenüber, da er sie für zu radikal hielt und mit seiner Vorstellung von Humanität unvereinbar.
Helmut Koopmann stellt in seinem Beitrag Manns Metamorphose vom Monarchisten zum Demokraten dar. Er beschreibt sie als langwierige Neuinszenierung in der Zwischenkriegszeit. Einen Vergleich dieses Wandlungsprozesses mit den ähnlich verlaufenden Biographien von Friedrich Meinecke und Gustav Stresemann nimmt Host Möller vor. Thomas Manns Entwicklung wird hier als widersprüchlich erkannt.
Eine der bekanntesten Stimmen der Exildeutschen
Mann war stets ein Patriot, der allerdings den Versuch unternahm, in seinem Schaffen eine kosmopolitische Perspektive einzunehmen, bei gleichzeitiger Wahrung der deutschen Kultur. Foglich lehnte er die radikal-völkische Ideologie der Nationalsozialisten von Beginn an ab. Spätestens nach der Emigration in die USA im Jahr 1938 wurde Manns Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus schonungslos. Er wurde zu einer der bekanntesten Stimmen der Exildeutschen, die versuchten, der deutschen Bevölkerung zum Beispiel über ausländische Radiokanäle die eigenen Verbrechen zu verdeutlichen. Nicht nur deshalb passt auf Mann die Bezeichnung " Praeceptor Germaniae" - Lehrer der Deutschen.
Sein Faible für Richard Wagner teilte Thomas Mann mit Adolf Hilter. Hans Wißkirchen verdeutlicht, wie ihm dies nicht nur die Analyse des Erfolgs von Hitlers Agitation ermöglichte, sondern auch die eigene Inszenierung als deutscher Gegenspieler zu Hitler erleichterte. Julia Schöll wagt daran anschließend einen poststrukturalistisch inspirierten Blick auf die Exilbiografie von Thomas Mann.
Manns schwieriges Verhältnis zum Nachkriegsdeutschland
Die Hoffnung, dass sich eine menschenwürdige politische Kultur in Deutschland wiedergewinnen lasse, gab Thomas Mann nie auf. Dennoch stand er dem Neuaufbau im Nachkriegsdeutschland skeptisch gegenüber, was vor allem an der zögerlichen Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer Schuld lag. Gerade der Bundesrepublik stand er kritisch und misstrauisch gegenüber, da er fürchtete, es könne zu einer Renazifizierung im Schatten des Kalten Krieges kommen, wie Manfred Görtemaker beschreibt.
Über die Mann-Rezeption im Nachkriegsdeutschland schreibt Hans-Rudolf Vaget, dass das Werk des Exilanten nicht nur wohlwollend angenommen wurde, was wiederum in Mann das Bedürfnis stärkte, zur Bundesrepublik Distanz zu wahren. Ebenso ambivalent zeigt sich auch die Rezeption in der DDR, auf die Georg Wenzel eingeht. Diese reichte von Ablehnung über Annäherung bis zur Vereinnahmung. Seinen Abschluss findet das Buch in einer näheren Betrachtung der Rezeption von Manns Werk "Doktor Faustus" sowie einer gesonderten Darstellung von Manns Vorstellung einer deutschen Kultur.
Die Schriftenreihe Tutzinger Studien zur Politik will mit wissenschaftlichem Anspruch, didaktisch fundiert und in allgemeinverständlicher Form Veränderungen in der politischen und gesellschaftlichen Ordnung analysieren und für einschlägige Reformideen sensibilisieren. Ihr Fokus gilt den sich wandelnden inneren Funktionsbedingungen von Demokratien und den Konstellationen einer sich neu ausrichtenden globalen Ordnung. Die Studien sollen dazu befähigen, politische Zusammenhänge besser zu verstehen und aktiv an der Mitgestaltung unserer Gesellschaft und politischen Ordnung teilzuhaben.