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Auf den Spuren deutscher Teilung und Einheit

Studienfahrt nach Hof und Plauen 30 Jahre nach der Grenzöffnung

Vor 30 Jahren fiel in Berlin die Mauer und mit den anschließenden Grenzöffnungen begann ein unaufhaltsamer Prozess hin zur Deutschen Einheit. Bei unserer historisch-politischen Studienfahrt von Hof entlang der früheren innerdeutschen Grenze nach Plauen und Gesprächen mit Zeitzeugen in Ost und West haben wir an diese Ereignisse erinnert.

Hof/Plauen / Tagungsbericht / Online seit: 21.11.2019

Von: / Foto: Dr. Michael Schröder

Auf den Spuren der deutschen Einheit und Teilung

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Jens Hase war im Sommer 1989 gerade 19 Jahre alt, als seinen kranken Eltern die Ausreise in die Bundesrepublik erlaubt wurde. Er erzählt seine Geschichte der Studienreisegruppe der Akademie für Politische Bildung am Hofer Hauptbahnhof, wo er vor 30 Jahren zum ersten Mal westdeutschen Boden betrat. Nach der Ausreise seiner Eltern blieb er gegen seinen Willen allein in der DDR zurück und stand fortan unter Beobachtung der Staatssicherheit. Er widerstand allen ihren Anwerbeversuchen. Die Stasi versprach ihm Erleichterungen, wenn er bereit war, für sie als Spitzel zu arbeiten und seine Kollegen auszuhorchen. Sein einziger Gedanke: "Nur weg hier und zu meinen Eltern im Westen." Er entschloss sich im Sommer 1989 in die Tschechoslowakei auszureisen, um in Prag in die westdeutsche Botschaft zu fliehen, in der sich damals schon mehrere Tausend Flüchtlinge befanden.

"Die Angst war greifbar"

Dort wurde er am 30. September Zeuge der berühmten Balkon-Rede von Hans-Dietrich Genscher, mit der der damalige Außenminister rund 4500 DDR-Bürgern die Ausreise in die Bundesrepublik ankündigte. Der Wermutstropfen: Die Züge mussten über das Gebiet der DDR fahren. Jens Hase: "Wir hatten Angst, dass die DDR im letzten Augenblick die Züge anhalten, uns rausholen und verhaften würde. Aber Genscher sagte: "Vertrauen Sie mir.'" Ein Abschiedsgeschenk der DDR gab es noch: "Es war eiskalt in den Zügen und sie hatten die Heizungen abgedreht." Die Angst war greifbar: "Bei jedem Halt brach Panik aus. Es war der Horror", sagt Hase. Umso unbeschreiblicher der Jubel bei der Überquerung der Grenze in die Freiheit. "Wenn ich hier heute am Hofer Hauptbahnhof stehe, überwältigen mich immer noch die Gefühle." Die Angestellten der Bahnhofsmission halfen ihm dann, in kürzester Zeit seine Eltern ausfindig zu machen.

Volksfest wird zur Demonstration

Detlef Braun und Gerd Naumann waren am 7. Oktober 1989 in Plauen dabei, als Tausende DDR-Bürger den als Volks- und Kinderfest geplanten 40. Jahrestag der DDR-Gründung zu einer Demonstration für Reformen umfunktionierten. Der bewaffneten Staatsführung entglitt die Macht, zwei Tage bevor in Leipzig 70.000 Menschen für Demokratie und Freiheit auf die Straße gingen. Zusammen mit den Teilnehmern der Studienfahrt gingen Naumann und Braun noch einmal den "Weg des Aufbruchs" durch die Plauener Innenstadt hin zur Alten Feuerwache. Dort steht noch heute ein Feuerwehrauto, das damals zum Wasserwerfer umfunktioniert wurde. "Es fiel kein Schuss, weil die Männer der bewaffneten Betriebskampfgruppen unter den Demonstranten ihnen gegenüber auch ihre Frauen und Kinder erkannten." Dem Hobbyfilmer Detlev Braun gelang es damals, mit seiner über 20 Jahre alten Schmalfilmkamera einzigartige Dokumentaraufnahmen dieses Aufmarsches zu machen - natürlich illegal. Er filmte auch die aus Prag kommenden Züge mit den "Botschaftsflüchtlingen".

Die Mauer in "Little Berlin"

Alfred Eiber war seit 1963 bei der Bayerischen Grenzpolizei und im Herbst 1989 an der bayerisch-thüringischen Grenze tätig. Bei einer Busfahrt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zeigte er den Teilnehmern seine damaligen Einsatzorte entlang des Todesstreifens. Im bis 1990 geteilten Dorf Mödlareuth ("Little Berlin") nördlich von Hof wurde an den Resten der ehemaligen Mauer, die direkt durchs Dorf verlief, Geschichte wieder lebendig. Eiber erzählte von spektakulären und auch kuriosen Fluchtversuchen, die zum Teil gelangen, zu einem großen Teil aber auch tödlich oder mit der Verhaftung der Flüchtlinge endeten. So die berühmt gewordene Flucht mit einem Heißluftballon, in dem im September 1979 zwei Familien mit vier Erwachsenen und vier Kindern von Thüringen nach Bayern kamen. Oder die Flucht über das Dach von Kleinbussen, durch Abwasserrohre oder über die Ladefläche von Anhängern. Eiber sagte: "Mit jeder gelungenen Flucht wurde das Grenzsicherungssystem perfekter und unüberwindbarer." Heute ist an diesen Orten, an denen meist nur noch Gedenktafeln an die furchtbare Grenze erinnern, kaum noch vorstellbar, unter welchen Umständen die Menschen in dieser Region lebten.

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