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Einwanderung und Zusammenhalt

Solidarität in der Münchner Stadtgesellschaft

Was fördert in einer von Zuwanderung geprägten Stadtgesellschaft den Zusammenhalt? Wie können möglichst viele Menschen eingebunden werden? Und was verhindert ein solidarisches Miteinander? Diese Fragen debattierten wir mit Bezug auf die Stadt München während unserer Tagung "Einwanderung und Zusammenhalt" in Kooperation mit dem Arbeitskreis interkulturelle Arbeit München (AKIA). 

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 19.11.2019

Von: Frederik Haug / Foto: Frederik Haug

Programm: Einwanderung und Zusammenhalt

Einwanderung und Zusammenhalt

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"Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer hätten wir den Zuzug vieler Geflüchteter in den Jahren 2015/2016 nicht bewältigen können", sagt Dorothee Schiwy, Sozialreferentin der Landeshauptstadt München. Solidarität im städtischen Rahmen bedeute für sie Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen und Gerechtigkeit für alle gesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen. Auf unserer Tagung "Einwanderung und Zusammenhalt" in Kooperation mit dem Arbeitskreis interkulturelle Arbeit München (AKIA)" ging es genau um die Frage, wie in einer von Migration geprägten Stadtgesellschaft sozialer Zusammenhalt und eine solidarische Lebensweise erreicht werden können. In Workshops und auf Podiumsdiskussionen wurden Vorschläge und Konzepte erarbeitet. Zu Gast waren auch Vertreter des Münchner Stadtrats.

Sozialer Zusammenhalt in München

"München steht wie kaum eine andere Stadt in Deutschland für Willkommenskultur", meint Katrin Habenschaden, Vorsitzende der Fraktion Die Grünen/RL im Münchner Stadtrat. Dieses Gut müsse allerdings jeden Tag verteidigt werden. Gerade vor dem Hintergrund der Kommunalwahlen im nächsten Jahr dürfe daran auch das erwartbare weitere Erstarken populistischer Kräfte im Stadtrat nichts ändern. Austausch und Kommunikation sind in einer solidarischen Stadtgesellschaft essentiell und müssten durch die Stadtpolitik ermöglicht werden. Erst dann wirke Solidarität gegen übermäßigen Individualismus. Vermittlung, Miteinander und Konsens erachtet auch Heike Kainz von der CSU-Fraktion als wichtig. In München werde, gerade in Neubauvierteln, auf die Münchner Mischung Wert gelegt, also die heterogene Zusammensetzung der Wohnviertel, entsprechend der städtischen Sozialstruktur. Wichtig für eine gelingende Integration seien auch zivilgesellschaftliche Initiativen, die von geförderten Projekten vorangetrieben würden. Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Christian Müller ist die Wohnungspolitik entscheidend für Zusammenhalt: "So lange es uns nicht gelingt, für alle bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wird dieses Thema nicht umgesetzt sein." Integration sei zudem keine Einbahnstraße. Einen Integrationswillen würden fast alle mitbringen, die Stadt müsse vielmehr auch ihren Beitrag leisten. Durch den hohen Sozialhaushalt wird deshalb vieles gefördert, von sprachlicher Bildung bis hin zur beruflichen Integration.

Solidarität in Form von Sozialgenossenschaften

Als eine Möglichkeit, wie sozialer Zusammenhalt in einer Stadt wie München konkret gestaltet werden kann, stellte Christian Stupka, Vorstand der Genossenschaftlichen Immobilienagentur München, das Beispiel der Sozialgenossenschaften vor. Bei diesen geht es um das gemeinsame Wirtschaften für einen sozialen Zweck. In München gibt es beispielsweise das Bellevue di Monaco oder das Quartiersmanagement im Prinz Eugen Park. Im zweiten Fall arbeitet eine Genossenschaft für Quartiersorganisation mit der Stadt München zusammen. Das Stadtviertel soll die Münchner Stadtgesellschaft in ihrer sozialen Zusammensetzung widerspiegeln. Neben Miet- und Eigentumswohnungen gibt es deshalb auch geförderte Wohnungen. Eine Charta der Quartiersvernetzung soll zudem die Eigeninitiative und Selbstorganisation der Bewohner fördern. Finanziert wird das auch von den Beiträgen der Genossenschaftsmitglieder, die in einer Versammlung über Vorstand und Aufsichtsrat mitentscheiden.

Integration durch Schulbildung

Welchen Beitrag Schulbildung zu einer gelingenden Integration leisten kann, erklärte der Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus Michael Piazolo. In Bayern gibt es verschiedene Klassenverbände und Angebote, um Integration zu fördern. In allen Schularten biete der Freistaat Unterricht für zugewanderte Kinder auch außerhalb der Regelklassen an. Hier werde in erster Linie Deutsch unterrichtet, aber auch Wertebildung, die den Ankommenden einen Eindruck von der Gesellschaft, in der sie künftig leben, vermittelt. Piazolo gesteht allerdings, dass viele Programme noch im Modellstadium sind, so zum Beispiel der Islam- und der Elternunterricht an Schulen in sozial schwierigen Lagen. Außerdem sollen Lehrerfortbildungen dem Schulpersonal den Umgang mit Zugewanderten erleichtern.

Alltagsrassismus hemmt Solidarität

Dennoch stehen Hindernisse einer solidarischen Stadtgesellschaft im Weg: "Rassismus ist in der Mitte der Gesellschaft zu finden, nicht nur unter Neonazis", rechtfertigt Astride Velho von der Internationalen Hochschule München die Verwendung des Begriffs Alltagsrassismus. Dieser trete in alltäglichen Interaktionen, Institutionen, Strukturen und auch medialen Diskursen auf. Verbunden mit Ängsten in Zeiten der strukturellen Ungleichheit verhindere er das Vermögen, sich solidarisch zusammenzuschließen. Bei den Betroffenen von rassistischen Äußerungen führt das nicht selten zu psychischen Belastungen und zu einem sozialen, ökonomischen und rechtlichen Ausschluss. Velho sieht es als große Herausforderung, ein Klima zu schaffen, das diese Verhältnisse ändert und dagegen ein inklusives Wir-Gefühl erzeugt.

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