Menu

Europa hat gewählt - Welche Wahl hat Europa?

22. Passauer Tetralog

Ursula von der Leyen soll neue EU-Kommissionspräsidentin werden, lautet die aktuelle Schlagzeile. Zur Überraschung vieler wurde keiner der Spitzenkandidaten vom Europäischen Rat nominiert, sondern die deutsche Verteidigungsministerin. Ein schlechter Kompromiss? Wie sind von der Leyens Chancen vom Europäischen Parlament gewählt zu werden? Über diese und weitere Fragen haben beim Passauer Tetralog unter anderem der Generalsekretär der Europäischen Kommission Martin Selmayr und der ehemalige Akademiedirektor Heinrich Oberreuter diskutiert.

Passau / Tagungsbericht / Online seit: 09.07.2019

Von: Pia Schäfer / Foto: Pia Schäfer

Programm: 22. Passauer Tetralog: Europa hat gewählt - welche Wahl hat Europa?

22. Passauer Tetralog

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Die große Frage beim Passauer Tetralog mit dem ehemaligen Akademiedirektor Heinrich Oberreuter: Ist der Vorschlag des Rates der Europäischen Union, Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin zu machen, ein guter Kompromiss oder zeigt er nur das Demokratiedefizit der EU?

"Europa ist kein Spiel, was einer gewinnt oder verliert", sagt Martin Selmayr, der Generalsekretär der Europäischen Kommission. Jeder Beschluss und jedes Spitzenamt basiert immer auf einem Kompromiss von 28 Staaten. Das Spitzenpersonalpaket, das der Europäische Rat beschlossen hat, sei ein guter Kompromiss, dem - mit einer Enthaltung - alle Staats- und Regierungschefs zugestimmt haben. Die Stärken sieht er darin, dass drei Frauen Spitzenpositionen übernehmen werden. Außerdem wird seit Walter Hallstein zum ersten Mal eine Deutsche Kommissionspräsidentin. Ebenso ist die gestiegene Wahlbeteiligung in ganz Europa ein gutes Zeichen. Elmar Brok langjähriger EU-Abgeordneter betont: "Europa ist für die Bürgerinnen und Bürger bedeutender geworden."

Hat die Europäische Union ein Demokratiedefizit?

Für viele Wählerinnen und Wähler hat die Nominierung von der Leyens als Kommissionspräsidenten aber den Beigeschmack eines Hinterzimmerdeals. Während des Wahlkampfes präsentierten sich Manfred Weber und Frans Timmermans als Kandidaten für das Kommissionspräsidentenamt. Dass letzten Endes keiner der beiden das Mandat erhielt, lag zum Teil am Parlament selbst. 2014 einigten sich die Spitzenkandidaten Juncker und Schulz nach der Wahl und das Parlament präsentierte dem Rat ihren favorisierten Kandidaten. Dieses Mal warteten die Kandidaten auf die Entscheidung des Rates.

Das Spitzenkandidatenprinzip ist in Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern sehr populär. Besonders in Frankreich sind die Exekutive und die Legislative stärker getrennt, betont die französische Historikerin Hélène Miard-Delacroix. Der Präsident wird anders als der deutsche Kanzler nicht vom Parlament bestimmt. Deshalb stand Frankreichs Präsident auch nicht hinter dem Spitzenkandidatenprinzip auf EU-Ebene.

Transnationale Listen - ein Ausweg aus dem Dilemma?

Oberreuter warf die Frage auf, wie man die Europäische Union demokratischer machen könne. Miard-Delacroix schlägt transnationale Listen vor, mit denen man in jedem Land den gleichen Spitzenkandidaten wählt. Brok plädiert für nationale Listen. Einig sind sich aber alle in dem Punkt, dass das Spitzenkandidatenprinzip ausgebaut werden soll.

Welche Lehren können aus dem Brexit gezogen werden?

Im Hinblick auf den nahenden Brexit betont der Politikwissenschaftler Anthony Glees, dass nicht alle Briten aus der Union austreten wollen. Besonders die Nordiren und Schotten haben für einen Verbleib in der EU gestimmt. In der Flüchtlingskrise und insbesondere in Angela Merkels Handeln, sieht er eine der Hauptursachen für den Brexit: "Das Sicherheitsbedürfnis der Briten nach innen und außen konnte von der EU nicht gedeckt werden." Dies habe den Populismus in Großbritannien und insbesondere in England und Wales befeuert. Er betont aber auch, dass die Briten nicht vor der europäischen Kultur weglaufen können und sich eingestehen müssen, dass die EU ein riesiges Friedensprojekt ist.

Kontakt
Weitere News

Das Thüringen-Projekt
Wie wehrhaft ist unsere Demokratie?


Wählen ab 16 oder ab Geburt?
Verfassungsrechtliche Spielräume für eine Wahlrechtsreform


Gemeinsinn in der Krise?
Diskussion über gesellschaftlichen Zusammenhalt in Demokratien


Wie umgehen mit Protestwahl?
Akademiegespräch im Landtag mit Michel Friedman, Thomas Petersen und Astrid Séville


Regionale Hochburgen der Parteien in Bayern
Episode 25 unseres Podcasts mit Jörg Siegmund


Das perfekte Wahlsystem
Was Wahlberechtigte sich für die Stimmabgabe wünschen