Die Zukunft des deutschen Sozialstaats
Forum Verfassungspolitik mit Hans-Jürgen Papier
Ist die Rente noch zukunftssicher? Welchen Einfluss hat die Rechtssprechung auf den Sozialstaat? Wie lassen sich in Zukunft Familie und Beruf vereinbaren? Darüber haben wir beim jährlichen Forum Verfassungspolitik unter anderem mit dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier diskutiert.
Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 02.07.2019
Von: Pia Schäfer / Foto: Pia Schäfer
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"Es sind der Sozialstaat und die soziale Marktwirtschaft, die Deutschland Wohlstand und sozialen Frieden gebracht haben", sagt der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgericht Hans-Jürgen Papier. Der Sozialstaat ist seit des Inkrafttretens des Grundgesetzes ein Teil der deutschen Identität geworden. Jedoch steht er vor großen Umbrüchen. Das gesamte Sozialversicherungssystem muss auf seine Bezahlbarkeit und Effizienz hin reformiert werden. Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter und das belastet Renten-, Pflege- und Krankenversicherungen.
Sozialstaatsprinzip: eine Auslegungssache
Das Sozialstaatsprinzip ist in Artikel 20 des Grundgesetzes verankert. Die Interpretation liegt allerdings bei der Politik und der Rechtssprechung. Der Präsident des Bundessozialgerichts Rainer Schlegel fordert mehr Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit: "Neben dem Sozialstaatsgebot muss auch der Nachhaltigkeitsgedanke für unsere Enkel und die zukünftige Generation ins Grundgesetz."
Ist die Rente noch zukunftssicher?
Deutschland erlebt aktuell einen demografischen Wandel: Die Lebenserwartung steigt und die Geburtenrate sinkt. Die alternde Gesellschaft fordert das Rentensystem heraus. Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund Gundula Roßbach sieht die Zukunft der Rente dennoch optimistisch: "Ein Umlagesystem für die Rente ist anpassungsfähig." So konnten Rentner aus der ehemaligen DDR gut in das westliche Rentensystem eingegliedert werden. Gerade die junge Generation sollte jedoch mehr Forderungen an die Rentenpolitik stellen. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum plädiert dafür, "an der Stellschraube Renteneintrittsalter zu schrauben".
Der Sozialstaat in der Praxis
Die Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales Kerstin Schreyer und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele diskutierten mit Akademiedirektorin Ursula Münch auf dem Podium über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Jugend- und Arbeitslosenhilfe und flexible Arbeitsmarktmodelle. In Bayern liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 2,7 Prozent und auch die Zahlen für ganz Deutschland sind niedrig. Arbeitsplätze gibt es genug. "Die Frage ist, wie wir diese qualifiziert besetzen", sagt Scheele.
Eine weitere Herausforderung für den Arbeitsmarkt ist die Digitalisierung. Ganze Berufsfelder werden nicht mehr benötigt. Schreyer betont, wie wichtig es ist, Menschen eine neue Perspektive zu geben und flexibel auf die Digitalisierung zu reagieren. Gerade im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Karriere kann die Digitalisierung ein Vorteil sein. Niemand könne Familien ein bestimmtes Lebenskonzept vorschreiben. Jedoch müssen besonders Frauen an ihre Rentenvorsorge denken. "Gerade junge, unverheiratete Frauen haben oft schlecht vorgesorgt", kritisiert Münch.