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Gedenken, Aufarbeitung, Versöhnung

Wie prägen Erfahrungen existenzieller Gewalt eine Gesellschaft?

Gewalt, Unrecht und Menschenrechtsverletzungen sind Teil vieler Kriege und Konflikte. Wie gehen betroffene Menschen und Gesellschaften mit solchen Erfahrungen um? Wie können Gedenken, Aufarbeitung und Versöhnung funktionieren? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Tagung "Arbeit mit Erfahrungen des Überlebens in einer generationenübergreifenden Perspektive" in Zusammenarbeit mit der Katholischen Stiftungshochschule, Campus Benediktbeuern.

Tutzing/Benediktbeuern / Tagungsbericht / Online seit: 14.06.2019

Von: Jakob Irler / Foto: Beate Winterer

Programm: Arbeit mit Erfahrungen des Überlebens in einer generationenübergreifenden Perspektive. Eine interdisziplinäre Annäherung

Arbeit mit Erfahrungen des Überlebens in einer generationenübergreifenden Perspektive

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

Als großes Trauma des 20. Jahrhunderts war die Aufarbeitung des Holocaust das Thema mehrerer Referenten. Uwe Kaminsky von der Ruhr-Universität Bochum betrachtete den Umgang Nachkriegsdeutschlands mit Opfern von Gewalt. Hier sei versucht worden, "Schuld in Schulden umzuwandeln". Die Reparationszahlungen wurden als Wiedergutmachung angesehen, die angesichts der Schrecken des Krieges nicht zu erreichen sei.

Individuelle Aufarbeitung steht im Fokus bei Frank Bajohr vom Institut für Zeitgeschichte, der den Zweiten Weltkrieg als "Zeitalter des Tagebuchs" bezeichnete. Vielen Menschen gab das Schreiben Halt zwischen Leid und Umbruch, wobei die Aufzeichnungen von Anne Frank und Victor Klemperer später auch zu literarischen Erfolgen wurden. Für Bajohr sind Tagebücher eine wertvolle Quelle, weil sie ein differenziertes Bild von der Wahrnehmung der Bevölkerung zeichnen und zeigen, dass oft keine klare Linie zwischen Gegnern und Unterstützern des Systems gezogen werden kann.

Wie wichtig Biographien von Überlebenden für Aufarbeitung und Gedenken sind, demonstrierte Lilach Naishtat-Bornstein, die lange Jahre die Holocaustüberlebende Karla Raveh begleitet und ihr Verhältis zu ihrer Heimatstadt Lemgo portraitiert hat. Naishtat-Bornstein lehrt am Kibbutzim College of Education in Tel Aviv, das wie die University of Haifa Kooperationspartner der Tagung war. Beide Universitäten schickten Dozenten und Studierende nach Tutzing, um an Vorträgen und Workshops teilzunehmen. Ziel der Tagung ist es, einen interdisziplinären Forschungsansatz zur Rolle von Narrativen des Überlebens zu bilden.

Rechte von First Nations und Staatenlosen

Deshalb waren auch außereuropäische Konflikte Thema der Veranstaltung. Sharon Venne kommt von "Great Turtle Island". So nennt ihr Volk, die Cree, Nordamerika. Die Anwältin berichtete vom Kampf für die Rechte der First Nations und die Erhaltung des kulturellen Erbes. Die Natur ist zentral im Weltbild der Cree: "Es geht nicht nur um die Rechte der Menschen, sondern auch um die Rechte der Schöpfung." Der kanadischen Regierung warf sie vor, sich nicht um die Bedürfnisse ihres Volkes zu kümmern. Entschuldigungen für erlittenes Unrecht reichen ihr nicht: "In unserer Sprache gibt es kein Wort, um sich zu entschuldigen."

Mit der aktuellen Menschenrechtslage beschäftigte sich Tony Kimbowa, der in seiner Kindheit als Flüchtling in Uganda einige Zeit staatenlos war. Heute tritt er als Vertreter der Vereinten Nationen für das Recht auf Staatsangehörikeit ein. Er berichtete, dass weltweit etwa zehn Millionen Menschen staatenlos seien. Ein Grund dafür ist, dass Frauen in einigen Ländern ihre Staatsbürgerschaft nicht vererben können. Staatenlosigkeit ist damit auch ein Phänomen der Geschlechterdiskriminierung.

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