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Mit Breitband gegen Bevölkerungsschwund

Kann die Digitalisierung die Folgen des demografischen Wandels mildern?

Demografischer Wandel und Digitalisierung sind die vielleicht größten Herausforderungen der Gegenwart. Was oft übersehen wird: Die beiden Umbrüche sind eng verbunden. Kann die Digitalisierung die Probleme der alternden Gesellschaft mildern? Oder verstärkt sie diese sogar? Gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft haben wir diese Fragen diskutiert.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 13.05.2019

Von: Beate Winterer, Ellen Fritsche

Programm: Der demografische Wandel

Flickr APB Tutzing

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing

Sinkende Geburtenrate, steigende Lebenserwartung, Zuwanderung und Verstädterung: Deutschland verändert sich - nicht erst seit Kurzem, sondern bereits seit dem Zweiten Weltkrieg. "Seit den 80er Jahren ist der Anteil der Senioren so groß geworden, dass wir uns Gedanken darüber machen", sagt Achim Goerres von der Universität Duisburg-Essen. Doch nicht nur die Alterung der Bevölkerung bereitet den Demografen Sorge, auch die gleichwertigen Lebensverhältnisse, die sogar das Grundgesetz sichert sind, sind in Gefahr. Erwerbsmöglichkeiten, Einkommen und Daseinsvorsorge hängen in Deutschland erheblich davon ab, in welcher Region ein Mensch lebt. Der Osten Deutschlands hinkt dem Westen wirtschaftlich weiter hinterher und ländliche Regionen, vor allem in den Grenzgebieten, drohen durch schlechte Infrastruktur abgehängt zu werden. "Wenn sich an der Ungleichheit nichts ändert, reagieren die Menschen mit demografischem Verhalten, also Ab- oder Zuwanderung", erklärt Steffen Maretzke von der Deutschen Gesellschaft für Demographie.

Manuel Slupina vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hat zumindest eine gute Nachricht: "Die Abwanderung aus dem Osten ist gestoppt." Der Bevölkerungsschwund in den neuen Bundesländern geht dennoch weiter, denn die Sterbe- übersteigt die Geburtenrate.

Mit Breitband und Apps gegen den demografischen Wandel

Um ländliche Gebiete, zu denen auch große Teil Ostdeutschlands gehören, wieder attraktiv zu machen, ist Kreativität gefordert. "Und vor allem flächendeckende Breitbandversorgung, denn ohne sind digitale Lösungen nicht möglich", sagt Maretzke. Slupina schlägt beispielsweise lokale Online-Shops vor, in denen Bäcker, Metzger und Supermärkte ihre Produkte gemeinsam vermarkten. Ein Lieferwagen fährt die Lebensmittel in entlegene Dörfer ohne Einkaufsmöglichkeiten. Über Apps lassen sich außerdem Mitfahrgelegenheiten an Orten organisieren, die schlecht an das Linienbusnetz angeschlossen sind. Online-Plattformen und Meet-ups können junge Städter zusammenbringen, die aufs Land ziehen, dort aber nicht allein sein wollen. Und Pendlerbusse mit WLAN-Arbeitsplätzen bringen Großstädter zu Betrieben auf dem Land, die vor Ort keine Fachkräfte finden.

Lebenslanges Lernen für digitale Bürger

Voraussetzung für die meisten dieser Projekte sind digitale Kompetenzen. "Es muss nicht jeder Blockchains programmieren, aber 'Digital Citizenship Skills' beherrschen", sagt Sven Jung vom Handelsblatt Research Institute. Dazu zählen beispielsweise elektronische Behördengänge und der Umgang mit digitalen Technologien im Arbeitsleben. Im Bildungswesen könne nicht mehr zwischen einer analogen und einer digitalen Welt unterschieden werden. Beides müsste gemeinsam unterrichtet werden, erklärt Michael Kerres vom Learning Lab der Universität Duisburg-Essen. Im digitalen Zeitalter wird außerdem lebenslanges Lernen noch wichtiger. "Deshalb müssen wir den Menschen mehr zutrauen und sie als mündige und selbstbestimmte Gestalter ihrer Arbeitswelt ernst nehmen", betont Luise Ortloff von acatech.

Gesundheitssystem: günstige Roboter, teure Therapien

Die digitale Zukunft des Gesundheitswesens sieht Florian Fischer von der Universität Bielefeld positiv. Dass Pflegeroboter Menschen ersetzen glaubt er nicht. Eher werden sie die ohnehin wenigen menschlichen Arbeitskräfte entlasten und produktiver machen, wenn sie sich um immer mehr alte Menschen kümmern müssen. Sven Jung befürchtet aber, dass die Digitalisierung die Kosten im Gesundheitswesen nicht senken wird: "Neue Therapien, die erst durch digitale Technologien möglich werden, könnten sehr teuer werden." Das ist problematisch, solang weiterhin Löhe die Finanzierungsgrundlage für das Sozialsystem bilden und immer weniger junge immer mehr alte Menschen versorgen müssen. "Die Digitalisierung kann das Problem nicht lösen, dass die Einnahmen schrumpfen und die Ausgaben steigen", glaubt Jung.

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