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Kranke Kinder haben Rechte

1. Deutscher Kindergesundheitsgipfel diskutiert über Kindermedizin

Lange Wartezeiten, wenig Pflegekräfte und kein Raum für die Bedürfnisse von Kindern: Die deutschen Kinderkliniken stehen unter Druck. Die Ökonomisierung der Medizin bedroht eine kindgerechte Versorgung auf hohem Niveau und erschwert die Umsetzung von Kinderrechten im klinischen Alltag. Wir haben das Vorhaben der Bundesregierung aufgegriffen, Kinderrechte in der Verfassung zu verankern, und mit Vertretern aller deutschen Universitätskinderkliniken, der National Coalition Deutschland und Experten aus Recht und Ethik über Strategien diskutiert, mit denen kranke Kinder zu ihrem Recht kommen.

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 02.05.2019

Von: Beate Winterer, Ellen Fritsche / Foto: Verena Müller / Care-for-Rare Foundation

Programm: 1. Deutscher Kindergesundheitsgipfel

Alle Vorträge vom Kindergesundheitsgipfel im Video

1. Deutscher Kindergesundheitsgipfel

Flickr-Galerie © Akademie für Politische Bildung Tutzing. Bitte klicken Sie auf das Foto, falls die Galerie nicht lädt. Sie werden zu Flickr weitergeleitet.

"Kinder sind keine kleinen Erwachsenen!", sagt Jörg Maywald, Sprecher der National Coalition Deutschland - Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention e.V. und Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind. Im Alltag an deutschen Kinderkliniken kann diese Erkenntnis jedoch nicht immer berücksichtigt werden. Das beginnt schon bei der Vergütung der Behandlungen nach dem gleichen System wie bei Erwachsenen. Dabei müssen Kleinkinder selbst für Routineuntersuchungen sediert werden, Kindergartenkinder wehren sich bei unangenehmen Berührungen des kranken Körpers und auch schwer kranke Teenager möchten die Familie bei sich im Zimmer haben. Das alles kostet Zeit und Geld. Beides fehlt bei der Behandlung an vielen Stellen. "Wir dürfen aber nicht nur über Geld sprechen. Wir müssen die Würde jedes kranken Kinder respektieren", sagt Christoph Klein, Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München.

Kinder an Entscheidungen beteiligen

"Es gehört zur Verantwortung des medizinischen Personals, mit knappen Ressourcen sinnvoll zu wirtschaften", sagt Christiane Woopen, Vorsitzende des Europäischen Ethikrats und Geschäftsführende Direktorin des Cologne Centre for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health. Was das konkret bedeutet, erzählt Benedikt Keil, der wegen einer Lebererkrankung und einer Sehbehinderung große Teile seiner Kindheit und Jugend im Krankenhaus verbrachte: "Viele Klinikmitarbeiter stellen sich nicht vor, wenn sie ins Zimmer kommen. Und ich war sogar schon dabei, als ein Kind neben mir eine Krebsdiagnose erhalten hat." In solchen Situationen die Privatsphäre und die Würde des Kindes zu respektieren, kostet kein Geld. Pia Sailer, die als Jugendliche an Krebs erkrankte, wünscht sich Investitionen in den Schulunterricht für Klinikkinder. Ihr hätte es sehr geholfen, während der Therapie nicht auch noch in der Schule den Anschluss zu verlieren. Außerdem kritisierte sie, dass sich in Kliniken häufig zwei Familien ein Zimmer und bis zu vier Familien ein Bad teilen, wodurch das ohnehin schon angespannte Familienleben mit einem kranken Kind noch belastender sei. Gemeinsam mit Benedikt Keil engagiert sie sich in der AG Kinderrechte des Dr. von Haunersches Kinderspitals von Carolin Ruther und Antonia Pelshenke. Das Gremium versucht, die Meinung von Kindern bei Entscheidungen in der Klinik stärker zu berücksichtigen, zum Beispiel durch Patientenbefragungen, die bei Erwachsenen selbstverständlich sind.

Enquete-Kommission und staatliche Versicherung

Florian Eckert hält eine Enquete-Kommission für sinnvoll, um die Kinderrechte in der Kindermedizin stärker gesetzlich zu verankern. "Das ist das ideale Instrument, um Entscheidungen vorzubereiten, die sachgerecht diskutiert werden sollen und eine breite Basis brauchen", glaubt der Director Public Affairs der Agentur fischerAppelt und eheamlige Pharmalobbyist. Paul Kirchhof, Richter des Bundesverfassungsgerichts a.D., betonte, dass die Koalitionsvereinbarung, Kinderrechten Verfassungsrang einzuräumen, nicht bindend sei. Die Rechte von Kindern seien durch das Grundgesetz zudem bereits weitgehend abgesichert. Allerdings sieht er den Generationenvertrag in Gefahr, wenn notwendige Investitionen in die Gesundheit der Kinder fehlen. Er schlägt vor, in der Verfassung jedem Kind ein Kindergeld zu garantieren, dessen Höhe sicherstelle, dass die Wirtschaftskraft der Familie mit der Geburt des Kindes wachse. Der Staat müsse Kinder und Jugendliche außerdem bis zum 18. Lebensjahr zur Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin versichern. Dadurch - so Kirchhof - werden aus kranken Kindern und ihren Eltern umworbene, zahlungskräftige Kunden, für die Kliniken ihr Angebot verbessern.

Live vom Kindergesundheitsgipfel

Alle Vorträge der Experten vom 1. Deutschen Kindergesundheitsgipfel gibt's auf unserem YouTube-Kanal und direkt hier auf unserer Website im Video zum Nachschauen.


Videos

Podiumsdiskussion: Kinderrechte in der Kindermedizin wirksam umsetzen
Dr. Florian Eckert (fischerAppelt), Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich (Uniklinikum Heidelberg), Prof. Dr. Dres. h.c. Paul Kirchhof (Verfassungsrichter a.D.), Prof. Dr. Dr. Christoph Klein (Haunersches Kinderspital), Prof. Dr. Christiane Woopen (Ethikrat)

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