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,,Zum Geburtstag keine Blumen!"

Symposium zur Verfassungspolitik zum 75. von Hans-Jürgen Papier

Im Hörsaal der Akademie für Politische Bildung sitzen die Gäste, die zum Symposium zur Verfassungspolitik zum 75. von Hans-Jürgen Papier gekommen sind und lachen. In der ersten Reihe steht Hans-Jürgen Papier, der ein Mikrofon in seiner linken Hand hält und ebenfalls lacht

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 14.07.2018

Von: Sebastian Meyer

Foto: Sebastian Meyer

# Verfassungsfragen


Flickr APB Tutzing

© Akademie für Politische Bildung Tutzing

,,Verfassungen sind nie in Stein gemeißelt, dennoch aktueller tagespolitischer Ereignisse enthoben", beginnt der amtierende Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle. Er beruft sich auf die verfassungsgemäße Trias aus Stabilität, Zukunftsoffenheit und Vielfalt, welche dem Grundgesetz trotz aller Beständigkeit sehr wohl eine Art Fortentwicklung auftragen. Denn, so betont Voßkuhle, ,,gerade wenn Verfassungen allzu hart sind, passiert eines: Sie brechen."

Krise als Normalzustand

Im Zuge der tagespolitischen Krisenbewältigung scheint die Rechtsprechung der Schnelllebigkeit nicht hinterher zu kommen - zumal sich Überschneidungen der Kontrollorgane im Mehr-Ebenen-Rechtssystem in Zukunft nicht vermeiden lassen werden. Allerdings kann eine Rechtsprechung auch in Krisenzeiten erfolgreich sein, wenn die Rechtsordnung innovative Impulse auf allen Ebenen setzt. Voßkuhle gibt zu, dass die große Anzahl an Verfassungsbeschwerden diesen langfristigen Auftrag bedeutend erschwere. Wichtig sei es deshalb, sich in der jeweiligen Entscheidung nicht im Klein-Klein zu verlieren. Mit Blick auf die bedenklichen Entwicklungen in Polen, Ungarn oder Rumänien sollte stets ein öffentlicher Diskurs über die minimalen Anforderungen des Rechts geführt werden. Klar ist bereits heute: Verstöße gegen geltendes Recht dürfen auf europäischer Ebene nicht ungeahndet bleiben - sonst bliebe wohl „von der europäischer Rechtsprechung nur eine leere Hülle übrig", mahnt der Bundesverfassungsgerichts-Präsident.

Zahnloser Stubentiger?

Weitere Umwälzungen werden in der Größe und den Problemlagen mit globalen Tech-Giganten gesehen. Der ehemalige Präsident des Europäischen Gerichtshofs Vassilios Skouris erkennt „eine neue Art der Skepsis europaweit". So wird gewarnt, dass „private Unternehmen zunehmend einen öffentlichen Charakter erhalten." Obwohl die klassischen Abwehrmechanismen im Digitalen nicht immer greifen, fühlt sich die Rechtsprechung im Allgemeinen nicht machtlos. Der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Peter Küspert sieht im Rechtsstaat noch genug Stärke diesem Druck auszuhalten. In der Tat wird aber der gesellschaftliche und digitale Wandel kaum spurlos vorbei gehen – zumal „man vor allem den Nachwuchs im Blick halten müsse", bekräftigt Küspert.

Personalfrage als Existenzfrage

Die spürbaren Strapazen der Globalisierung etwa führen, so die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Bettina Limperg, „an den Rand der Belastbarkeit". Es scheint durch den immensen Arbeitsdruck mittlerweile viel vom richterlichen Esprit und Berufsethos verloren gegangen zu sein. Zwar gibt es nach wie vor viele Gründe sich für den Richterberuf zu entscheiden, der Blick ins Ausland zeige aber, dass die Zeit für die Verteidigung des Berufsbilds bereits angelaufen ist. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback bestätigte diese Sorgen und forderte, die dritte Gewalt wieder zu stärken. „Alles andere würde die Schlagkraft der Rechtsprechung lähmen und somit letztlich den Opfern schaden." Das Ansehen und die Reputation der richterlichen Zunft seien glücklicherweise nicht verloren. Der Beruf erfährt deutliche Wertschätzung von vielen Teilen des Staates und der Öffentlichkeit. So sind die Redner des Symposiums guten Mutes, auch in Zukunft stolz auf Rechtssystem, Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit sein zu können, wie die ehemalige Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Marion Eckertz-Höfer betonte.

Gemeinsamer Zorn gegen den Schiedsrichter?

Die Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Angelika Nußberger beleuchtete das Verhältnis zwischen dem Justiz-Dreieck Karlsruhe-Luxemburg-Straßburg und meint: dieses komplexe Verhältnis der obersten Instanzen (gemeint sind BVerfG, EuGH und EGMR) braucht dringend eine bessere Zusammenarbeit. Durch mehr Austausch könnte zumindest im ,,gleichen Sinne" entschieden werden. Damit würde die Akzeptanz von Urteilen dem Gerichtswesen zu mehr Vertrauen verhelfen. Es geht schließlich um das Annehmen und die Akzeptanz der Entscheidungen - selbst, oder gerade wenn sich diese gegen Mehrheiten stellt. Die gerichtliche Rolle als Garanten muss auch gesellschaftlich bewusster anerkannt werden. Einen Tag vor dem Finale der Fußball-Weltmeisterschaft schloss Nußberger mit einem fußballerischen Vergleich. ,,Die Schiedsrichter sollen nicht versuchen (politische) Tore zu schießen, sondern den Blick auf die Spielregeln richten und bei Verstößen selbstbewusst die rote Karte ziehen".

Von Präsident zu Präsident

Um der europäischen Rechtsprechung nun einen neuen Glanz verleihen zu können, bedarf es auch laut dem Präsidenten des BVerfG, Prof. Voßkuhle, nicht nur der eigenen Selbstkritik. Die Justiz kann mit viel Mut und Engagement selbst für einen Vertrauensgewinn sorgen. So zollt Präsident Voßkuhle seinem Vorgänger und Jubilar mit folgenden Worten seinen Respekt: ,,Der Ehrentag von Professor Papier ist ein hervorragender Anlass um neues Selbstbewusstsein zu schaffen und daraus neue Impulse zu setzen." Dieser konstatiert, dass es offensichtlich europaweite Erosionserscheinungen der dritten Gewalt gibt. Für Deutschland birgt dies noch keine Gefahr, doch in den Nachbarländern bröckelt es. „Darauf muss man hinweisen, und deshalb ist uns das Thema wichtig!"


Weitere Informationen

Die Justiz in Angst um den Rechtsstaat / Die Legal Tribune berichtet über unsere Veranstaltung

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