Kindheit und Jugend in digitalen Welten
Kinder wachsen heute wie selbstverständlich mit digitalen Medien auf
München / Tagungsbericht / Online seit: 07.03.2018
Von: Michael Schröder
# Digitalisierung
Download: Aufwachsen in digitalen Gesellschaften
Der Medienwissenschaftler Dietmar Kammerer von der Universität Marburg sieht die Gefahr, dass Smartphones mit ihren vielfältigen Überwachungsmöglichkeiten von Eltern durchaus als moderne Gängelbänder genutzt werden können. Die heute alltägliche und allgegenwärtige Überwachung durch digitale Technik sortiere und klassifiziere die Mitglieder der Gesellschaft. Durch kommerziellen Datenhandel könnten mittlerweile individuelle Verhaltensweisen und Konsumverhalten vorhergesagt werden. Da nütze auch Datenabstinenz nichts mehr.
Die Allgegenwart von Informationstechnologie (IT) beim Aufwachsen von Kindern bringt Probleme mit sich. Der Informatiker Dominik Merli (Universität Augsburg) nannte zuerst die Datensicherheit. Aber auch Beleidigungen, Mobbing und sexuelle Belästigung gehören nach seinen Worten mittlerweile zum Alltag. Modernes, digitales „Spielzeug" eigne sich als „Spionagewerkzeug". Millionen von Sprachdateien solcher Geräte stünden inzwischen offen im Netz. Nur Bildung – also Förderung von Medienkompetenz – könne da Abhilfe schaffen.
Chaos macht Schule
Modellhaft sei dafür die seit zehn Jahren bestehende Zusammenarbeit des Chaos Computer Clubs mit verschiedenen Bildungsinstitutionen (Chaos macht Schule). Ziel des Projekts ist es, Schüler, Eltern und Lehrer in den Bereichen Medienkompetenz und Technikverständnis zu stärken. Für Brände sei eine Freiwillige Feuerwehr selbstverständlich. So etwas müsse es zukünftig auch für die IT-Sicherheit geben, forderte Merli.
Mechthild Appelhoff sieht eine große Herausforderung für die Medienpädagogik darin, „auf dem Laufenden zu bleiben". „Das Herlaufen hinter den technischen Entwicklungen macht uns schwach", sagte die Leiterin des Bereichs Medienkompetenz und Medienforschung bei der Landesanstalt für Medien in Nordrhein-Westfalen. „Wir müssen mit den Entwicklern auf Augenhöhe kommen, um gestalten zu können." Kinder würden gerne dazulernen, aber der Zugang zu den Erwachsenen sei sehr viel schwieriger.
Journalistisches Prekariat
Die Berliner Journalistin Jana Petersen, die freiberuflich unter anderem für die taz und Zeit-online arbeitet, erkennt derzeit „eine Migrationswelle raus aus dem Journalismus". In digitalen Zeiten funktioniere das alte Geschäftsmodell des Print-Journalismus nicht mehr: „Wenn ich für tagelange Recherchen und eine Doppelseite in der taz am Ende 230 Euro bekomme, reicht das einfach nicht zum Leben", sagte sie. „Früher haben die Verleger Reichweite verkauft, heute wird Reichweite gekauft." Der Druck auf die Redaktionen wachse, für ausführliche, gar investigative Recherchen fehle die Zeit. Unter diesen Umständen werde es immer schwieriger, Qualität zu liefern. Es drohe ein journalistisches Prekariat.
Bei der Tagung des Netzwerks Medienethik haben sich die über 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständigt. Sie publizierten einen Aufruf, um "das deutsche duale Rundfunksystem mit dem verfassungsrechtlich tief in der Gesellschaft verankerten öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verteidigen und zu schützen und damit einen der wichtigsten Faktoren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken". Den gesamten Aufruf können Sie hier lesen (Homepage des Netzwerks Medienethik).
(von links nach rechts: Jana Petersen, Mechthild Appelhoff, Dominik Merli und Dietmar Kammerer)
Weitere Informationen
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Aufruf des Netzwerks Medienethik zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
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