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Buchheim 100

Lothar-Günther Buchheim zwischen Fiktion und Realität / Journalist Gerrit Reichert über den umstrittenen Kunstsammler

Lothar-Günther Buchheim © Diethild Buchheim, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See

Tutzing / Bernried / Akademie-Gespräch Tagungsbericht / Online seit: 25.04.2018

Von: Michael Schröder und Miriam Günther

Foto: Diethild Buchheim, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See

# Bayern, Kultur, Nationalsozialismus, Zeitgeschichte

Download: Akademiegespräch am See: "PK" Buchheim


"Die Wahrheit", sagte Buchheim einmal selbst, "ist ein heikel Ding". Denn der begnadete Künstler und Autor ging sehr individuell mit den als Kriegsberichter gesammelten Informationen und Eindrücken um. Buchheim verheimlichte seine Vergangenheit als Mitglied der Propagandakompanie (PK) in seinen U-Boot-Büchern nicht. In „Das Boot" zunächst nur zaghaft, thematisierte er insbesondere in „Die Festung" seine Tätigkeit als Kriegsberichter der Kriegsmarine. Aber: Seine Selbstdarstellung war lückenhaft und geschönt. Reichert kontrastierte bei seinem Vortrag in der Akademie Buchheims begeisterte und pathetische Schilderungen von U-Boot-Feindfahrten in NS-Zeitschriften während des Zweiten Weltkriegs mit seiner regime-kritischen Sichtweise des Krieges in den 1970er Jahren.

Herausragender PK-Mann

Buchheim präsentierte sich nach dem Krieg einem Millionenpublikum als Pazifist, der den Krieg und seine Grausamkeit verabscheute. „Im Krieg war er aber einer der ganz Großen unter den Kriegsberichtern", sagte Reichert. Buchheim konnte alles – und das handwerklich hervorragend: Zeichnen, malen, schreiben, fotografieren. Er veröffentlichte in angesehenen NS-Publikationen. Mit seinen Honoraren und Bilderverkäufen (u.a. an Goebbels) verdiente er ein kleines Vermögen, das ihm nach dem Krieg sehr hilfreich war. Großadmiral Karl Dönitz, Befehlshaber der U-Boote und Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, schrieb das Geleitwort zu „Jäger im Weltmeer", das 1943 als Propagandaschrift zur Rekrutierung neuer U-Boot-Soldaten diente. Dönitz und ließ sich von Buchheim nach einem Foto portraitieren.

Feindfahrt als Fake

Im Oktober 1941 geht Buchheim mit „U96" und dessen Kommandanten Heinrich Lehmann-Willenbrock auf seine einzige „Feindfahrt" – Vorbild für „den Alten" in Roman und Film „Das Boot". Vor Gibraltar kommt es zur Beinahe-Versenkung. Buchheims Bericht von dieser Fahrt wird zunächst nicht veröffentlicht, weil er nicht in die nötige Kulisse der Propagandamaschine passt. Als Lehmann-Willenbrock Ende Januar 1942 mit „U96" zur „Operation Paukenschlag" vor die Küste der USA aufbricht und nach zwei Monaten „mit fetter Beute" (fünf Versenkungen) zurückkehrt, ist die Zeit reif für Buchheims Manuskript. „Dem maritimen Paukenschlag der U-Boote folgte der mediale", sagte Reichert. Am 12. April 1942 erschien die Wochenzeitung "Das Reich" mit einem Titelfoto Buchheims. Im Inneren der Zeitung füllt die Bildreportage „U-Boote gegen die USA" eine Doppelseite. "Das Bildmaterial von U96 und seinem gescheiterten Gibraltar-Durchbruch wird schlankerhand zur Feindfahrt gegen die USA umfunktioniert. Ein klassischer Fake."

Günstling der NS-Spitze

Für Reichert ist Buchheim entgegen dessen Selbstdarstellung ein „Ausnahme-PK-Mann", der mit der multimedialen Kombination während des Krieges in den auflagenstärksten Publikationen veröffentlichen konnte und zu den Günstlingen zahlreicher NS-Hierarchen wie Dönitz und Goebbels gehörte.

Die Frage, warum diese Seite Buchheims über Jahrzehnte hinweg unentdeckt und unbeobachtet blieb, beschäftigte auch die Studierenden der Masterklasse der Deutschen Journalistenschule. Sie gingen mit Gerrit Reichert (Foto unten) durch die Jubiläumsausstellung „Buchheim 100" im Museum in Bernried und erfuhren Hintergründe über seine Quellen und Recherchen. Reichert: „Buchheim ist es gelungen, jeweils der Zeit angepasst zu agieren und den Zeitgenossen zu liefern, was sie hören und lesen wollten. Wenn ihm Journalisten auf der Spur waren, ließ er sofort mehrere Rechtsanwälte marschieren. Und mit der Rehabilitierung der expressionistischen Künstler, die unter den Nazis als ‚entartet' galten, hat er nach dem Krieg auf seine Art Wiedergutmachungsarbeit geleistet."

Gerrit Reichert Tutzing Buchheim


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