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Daten. Dinge. Werte.

Internet als revolutionäre Avantgarde des 21. Jahrhunderts / Kooperation mit der Studienstiftung des deutschen Volkes

Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung Akademie Tutzing

Tutzing / Tagungsbericht / Online seit: 20.06.2017

Von: Sara Borasio

Foto: APB Tutzing

# Medien, Digitalisierung, Politische Bildung

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Flickr APB Tutzing

© Akademie für Politische Bildung Tutzing

Welche Herausforderungen sich aus dem digitalen Strukturwandel für die Demokratie ergeben untersuchte Thorsten Thiel von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seine These: Die Digitalisierung ist eine treibende Kraft im Strukturwandel der Gesellschaft („digitaler Strukturwandel ist tiefgreifend, persistent und äußerst relevant für Demokratie"). Die Teilnehmer wurden aufgefordert, selbst in Gruppen zu besprechen, wie die Digitalisierung die Demokratie beeinflusst - im Hinblick auf Partizipation, Öffentlichkeit, Kapitalismus und Herrschaft.

Herausforderungen der Digitalisierung

Caja Thimm der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn präsentierte verschiedene Herausforderungen, mit welchen wir uns in dieser digitalen Welt befassen sollten: neben der Rolle von social bots und digitaler Bildung sind das vor allem die sogenannten filter bubbles und echo chambers - sie führen dazu, dass man auf sich zugeschnittene Informationen bekommt, wobei dies beim letzteren durchaus eine Selbstwahl sei. Zudem wird die Öffentlichkeit immer fragmentierter und radikaler, Begriffe wie Lügenpresse werden immer mehr im Diskurs benutzt; insgesamt sei die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in politische Informationen zurückgegangen.

Als höchst wichtig erkennt Thimm das Thema „Globalität, Kulturalität und Internationalität". Die Digitalisierung stelle eine neue Welle des Kolonialismus dar – wir beherrschen mit unseren Denkformen, Schreibformen und Bildern letztendlich das Internet. Die veränderten Machtverhältnisse dank der Digitalisierung werfen Fragen auf: Wollen wir das mittragen, können wir das mittragen, können wir überhaupt etwas machen? Thimms Fazit: „Wir leben schon heute in einer digitalen Gesellschaft, wir müssen sie nun gemeinsam gestalten!"

Internet und Gesellschaft

Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen des Internets präsentierte Friedrich Krotz (ZeMKI Universität Bremen) den Mediatisierungsansatz. Dieser bietet sowohl eine soziale als auch eine historische Perspektive, und lehrt, in Prozessen zu denken. Nicole Zillien (Universität Trier) bemerkte, dass die Wissenskluft innerhalb der Gesellschaften online zu- statt abnehme. So gewinne eine Person mit hohem formalen Bildungsgrad mehr Wissen als die mit einem tiefen Bildungsgrad.

„Kinder müssen begleitet werden, wenn sie digitale Medien nutzen", stellte Philippe Wampfler, Autor, Dozent und Lehrer aus Zürich, klar fest. Es benötige eine Bildung, die schrittweise vorangeht. Jedoch müsse geklärt werden, wer diese Begleitung leistet. Manche Eltern verweigern die Aufgabe, Schulen haben oft Schwierigkeiten, sich damit auseinanderzusetzen. Das Wichtigste an der Bildung bleibe jedoch auch beim Thema Digitalisierung: „Anerkennung, Unterstützung und Zuwendung".

Clemens Apprich vom Centre for Digital Cultures (CDC) an der Leuphana Universität Lüneburg untersuchte die teilweise vorhandene Unfähigkeit zu echtem Austausch in digitalen Medien - nicht nur Facebook und Twitter („die Schreibmaschine wäre auch ein digitales Medium"). Für Apprich ist klar, „es gibt keine Gesellschaft ohne Technologie, und keine Technologie ohne Gesellschaft". Die Aufgabe der Internetforschung sei, Lebensgewohnheiten von Netzwerkindividuen – menschlich und nichtmenschlich – besser zu verstehen.

Eine neue Rechtsordnung?

„Die Digitalität wirkt sich auf das Recht aus, aber wir brauchen keine neue Rechtsordnung" – dieses Fazit zog Björn Steinrötter vom Institut für Rechtsinformatik an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Er stellte anhand der Beispiele von Rechten an digitalen Daten, (voll)autonomem Fahren und Legal Tech vor, welche rechtlichen Fragen und Schwierigkeiten die Digitalisierung mit sich bringt. Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger äußerte sich zur wichtigen Rolle des Datenschutzes. Sie betonte: „Es geht um den Schutz der Persönlichkeit eines jeden Einzelnen." Datenschutz und Big Data seien auch nicht per se ein Gegensatz. Es gebe selbstverständlich eine Spannung zwischen Datenschutz und berechtigten Anliegen des Staates, auf Daten zuzugreifen. Allerdings habe der Europäische Gerichtshof den Datenschutz und das Recht auf Schutz der Privatsphäre als Grundrechte verankert, welches auch vom Gesetzgeber eingehalten werden müsse.

Das Recht auf Vergessen

Zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes seien besonders signifikant: zum einen das „Recht auf Vergessen" von 2014, und zum anderen das Marktortprinzip. Hiermit gilt für Konzerne, wenn sie in Europa agieren, das europäische Recht. Dies habe die Debatte über ein neues europäisches Datenschutzrecht befördert, welches 2016 verabschiedet und nun an deutsches Recht angepasst wurde. Es wird im Mai 2018 in Kraft treten. Dies sei ein wichtiger Schritt hin zu einem vernünftigen Regelungsrahmen, und ganz gewiss nicht der letzte, hofft Leutheusser-Schnarrenberger: „Der Einzelne hat Rechte, und er soll verstärkt in die Lage gesetzt werden, die auch durchzusetzen."

Arbeitsgruppen

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten der Studienstiftung arbeiteten für zwei Tage in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen, und präsentierten dann ihre Ergebnisse. Fabian Vogelsteller vom Ethereum Blog leitete eine Gruppe zum Thema, „Blockchain und das Internet der Werte: Wie eine Gesellschaft automatisiert werden kann". Philipp von Saldern, der Präsident des Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V., befasste sich in seiner Gruppe mit digitalem Verbrechen, und besprach Hacking, Propaganda und hybride Kriegsführung. Den technischen, gesellschaftlichen und ethischen Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz widmete sich die Gruppe von Klaus Mainzer (der Gründungsdirektor des Munich Center for Technology in Society MCTS) von der TU München. Philippe Wampfler leitete eine Diskussion zur Bildung unter den Bedingungen der Digitalisierung.

Die Eröffnungsreden zur Tagung hielten Matthias Spielkamp und Bela Gipp. Sie besprachen die „Entwicklungsstufen des Internets" und „Blockchains" und deren Auswirkungen. Am Abend regte Gary S. Schaal (Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg) zum Denken an, indem er besprach, wie die Generierung von Wissen und die Konfiguration von Universitäten in der Zeit des „Big Data" aussehen könnten.

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